Ärzte in Not im Kapi Hospi
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Eine unmögliche Liebe

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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:12 pm

Prolog

Der Wind zerrte an meinem dünnen Kleid. Die Blicke der anderen An­wesenden durchbohrten mich. Natürlich, denn wer trägt bei einer Be­erdigung im November ein buntes Sommerkleid? Doch ich wusste auch, dass der Mann, der gerade in dem grau-braunen Sarg in das tiefe Erdloch gelassen wurde, genau solche Aktionen gemocht hatte. Der Rest dieser Veranstaltung hätte ihm jedoch nicht gefallen. Alleine schon die Tatsache, dass er nun in dieser Holzkiste verbuddelt wer­den sollte, war gegen seinen Wunsch. Bei den Gesprächen, die wir über seine Beerdigung geführt hatten, hatte er mir mitgeteilt, dass er verbrannt werden wollte. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn seine Asche in den Wind hätte gestreut werden können. Doch das wäre rechtlich nicht gegangen. Da erklangen die ersten Takte von >Time to say goodbye< von Andrea Bocelli und Sarah Brightman. Dieses Lied hatte seine Mutter ausgesucht. Lars, der Tote, hatte es gehasst. Er hätte sich ein fröhlicheres Lied gewünscht, denn er war immer ein fröhlicher Mensch gewesen. Doch er schien geahnt zu ha­ben, dass seine Mutter dieses Lied spielen lassen würde. Denn, als ich ihn fragte, welches Lied er sich wünsche, meinte er nur: „Meine Mutter wird wahrscheinlich >Time to say goodbye< spielen lassen. Doch zum Glück bin ich dann schon tot und muss es nicht mehr hö­ren!" Grade in diesem Moment hatte ich das Gefühl, seine Stimme zu hören, die „Wusste ich's doch!" fluchte, daher konnte ich es schaffen, meine Trä­nen, die bereits hinter den Augenlidern gebrannt hatten zu unter­drücken. Ich wollte vor den anderen nicht weinen, denn keiner hätte meine immense Trauer verstanden. Schließlich waren der Tote und ich uns in den Augen der anderen fast fremd. Von den anderen wusste nur einer, dass dieser Mann meine wichtigste Bezugsperson gewesen war. Wir hatten auch nicht gewollt, dass jemand von unse­rer Zuneigung, oder besser gesagt Liebe, erfuhr. Schließlich war es sogar fast verboten gewesen. Denn immerhin war er bei seinem, in meinen Augen, viel zu frühen, von ihm jedoch gewollten, Tod , be­reits einundvierzig Jahre alt gewesen, während ich in vier Monaten siebzehn werden würde. Außerdem war er seit zwanzig Jahren HIV-positiv gewesen. Vor genau einer Woche, am Tag seines Freitodes, hatte er erfahren müssen, dass das Virus ausgebrochen ist.

Zum Ende der gut besuchten Feier, denn er war im Bekanntenkreis sehr beliebt gewesen, warf ich eine weiße Rose auf den Sarg und flüsterte eine Abschiedsformel. Unter den, noch immer sehr verwun­derten, Blicken der anderen verließ ich den Friedhof, ohne seiner Fa­milie mein Beileid auszusprechen. Seine Familie hatte sich die ganzen letzten Jahre nicht um ihn gekümmert. Daher hielt ich ihre so öffent­lich zur Schau gestellte Trauer für Heuchelei. Nun irrte ich ziellos durch Duisburgs Straßen, bis ich irgendwann, ich weiß nicht wie, im >Böninger Park<, an 'unserer' Stelle stand. Genau hier hätte seine Asche verstreut werden sollen. Als ich mich auf die morsche Bank fal­len ließ, war mir, als würde er mir den Arm um die Schultern legen. Nun schlug ich die Hände vor das Gesicht und konnte endlich wei­nen. Noch immer konnte ich die Kiste, die jetzt unter zwei Meter Erd­reich vergraben lag, nicht mit dem immer fröhlichen Energiebündel, das elf Monate lang der Mittelpunkt meiner Welt war, in Verbindung bringen. Und doch überkam mich plötzlich die Erkenntnis, dass ich nie wieder mit ihm lachen würde, nie wieder seine Ratschläge hören oder auch nur das Leuchten in seinen Augen sehen könnte. Ich fühl­te mich vollkommen einsam. Natürlich klingen elf Monate nicht wie eine lange Zeitspanne, doch wir standen uns so nahe, dass man hät­te meinen können, dass wir gegenseitig unsere Gedanken gelesen hatten. Etwas Wahres muss daran gewesen sein, denn zumindest ich konnte seine Stimmung anhand der Musik, die er hörte, ablesen. Und ihm ging es mit mir genauso. Doch vielleicht sollte ich einfach unsere gesamte Geschichte erzählen, damit ich verstanden werde.


Zuletzt von AngelHawk am So März 13, 2011 3:14 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:13 pm

1. Kapitel: Das erste Treffen

Ein letzter hastiger Zug an der Zigarette, bevor ich sie zu Boden warf, austrat und in das Gebäude hinein ging. Der Raum, in dem die Sitzung stattfand, war klein und stickig. Nachdem ich einige der be­reits anwesenden Leuten begrüßt hatte, setzte ich mich auf den Stuhl, der am nächsten an der Tür stand, um bei einer Panikattacke, die bei mir öfter vorkamen, schnell den Raum verlassen zu können. Seit einigen Monaten litt ich unter Klaustrophobie. Es war ein kalter und regnerischer Abend Anfang Dezember und der Himmel hinter den staubigen Fenstern war tintenschwarz. Mir gegenüber saß ein blasser Mann, dessen helle blauen Augen mich fixierten. Mit zittern­den Händen versuchte er sich eine Zigarette zu drehen. „Hier!" mit einem scheuen Lächeln warf ich ihm meine Schachtel Gauloise zu. „Danke!" auch er lächelte und seine raue Stimme ließ mich erschau­dern., denn sie klang so vertraut. Als er mir die Schachtel zurückgab, strich er mir kurz und sacht über die Finger der rechten Hand. Mir war, als hätte ich einen elektrischen Schlag erhalten, daher zog ich meine Hand schnell zurück. Dann begann die Sitzung und ich ver­suchte angestrengt, nicht in seine Richtung zu starren, denn aus ei­nem mir unbekannten Grund schien mein gesamter Körper auf das Leuchten seiner Augen zu reagieren und mich magisch anzuziehen. Außerdem war ich, wie meistens übrigens, die Protokollführerin. Daher würde ich mich eh auf die Sit­zung konzentrieren müssen. Allerdings brauchte ich die Vorstellung der Teilnehmer nicht mit zuschreiben, daher konnte ich ihn nun, wo er an der Reihe war, doch ansehen. Während seinen Worten sah er mir direkt in die Augen, als wären sie ganz alleine für mich bestimmt. „Hi, ich bin Lars! Ich bin vierzig Jahre alt und seit bald zwanzig Jah­ren HIV-positiv. Mit fünfzehn habe ich angefangen zu kiffen, was ja in den siebzigern normal war. Das ich mit siebzehn, achtzehn ein paar Pillen warf, wenn ich am Wochenende feiern ging, kam von al­lein. Aber, das machte doch auch fast jeder. Bis zum Heroin war es nur noch ein winziger Schritt. Den ich auch noch ging. Zuerst dachte ich, dass ich jederzeit aufhören könnte, wenn ich es nur wollte. Dann kamen aber aber die ersten Entzugserscheinungen, wenn ich nichts hatte und meine Eltern warfen mich raus. Da war ich gerade mal zwanzig. Und in diesen drei Wochen, nach dem Rauswurf habe ich mich mit dem Virus infiziert. Doch das habe ich erst vor zehn Jahren erfahren. Mein Arzt hält es für ein Wunder, dass ich noch lebe und, dass das Virus noch nicht ausgebrochen ist." Nun blickte er auf die Tischplatte, die mit Brandlöchern übersät war. Ich holte Luft und stellte mich vor. „Ich heiße Karina, werde aber von fast allen nur Kyra genannt. In drei Monaten werde ich sechzehn." Mehr hatte ich nicht zu sagen, denn ich gehörte zu den JUSOS und wir waren hier, weil wir die Situation der Drogenabhängigen in Duisburg besser verstehen wollten. Lars und einige Andere wollten uns dabei helfen, daher waren wir in den Räumen der Drogenberatung zusammengekommen. Rasch hatte sich eine angeregte Diskussion entwickelt. Stumm hörte ich zu und schrieb mein Protokoll. Wenn ich doch mal hoch blickte, begegnete ich dem Blick von Lars, der mich anscheinend nicht aus den Augen ließ. Endlich war die zweistündige Sitzung beendet und ich konnte mich von den anderen verabschieden. Als letztes gab ich Lars die Hand. Und wieder durchzuckte es mich wie ein Blitz bei der Berührung. „Ich hoffe, dass wir uns mal wiedersehen." sagte er dabei. Ich konnte nur nicken, denn ich hatte Angst, dass mir die Stimme versagen würde. Dann lief ich mit einem Bekannten, der mich nach Hause fahren würde, die Treppe hinunter.

Später lag ich wach in meinem Bett. Ich musste an Lars denken, sei­ne leuchtenden Augen, das Lächeln, mit dem er mich immer wieder angesehen hatte und vor allem an seine raue Stimme, die mir so ver­traut vorgekommen war. Durch dieses mir so unbekannte Gefühl, konnte ich lange Zeit keinen Schlaf finden, auch wenn diese neue Empfindung nicht unangenehm war. Eher das Gegenteil.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:15 pm

2. Kapitel: Das Wiedersehen

Am nächsten Morgen saß ich in der Straßenbahn und fuhr durch die Gegend. Eigentlich hätte ich um diese Zeit im Unterricht sitzen müs­sen. Doch da mir meine Mitschüler bereits seit meinem ersten Tag auf der Gesamtschule das Leben zur Hölle machten, hatte ich meis­tens keine Lust dorthin zu gehen. So halt auch an diesem Morgen. Mein Walkman, war mein einzigster Freund, so schien es mir manch­mal. Daher hörte ich fast immer Musik. Heute auch, bis mir jemand auf die Schulter tippte. Ich sah von dem Buch, das ich las, hoch. Es war Lars. Es kam mir vor, wie ein Traum., denn die gesamte schlaflo­se Nacht über, hatte ich an ihn denken müssen. „Hi, Karina! Karina war doch richtig, oder?"
"Ja, auch wenn mir Kyra lieber ist! Du hast ja ein phänomenales Namensgedächtnis. Ich leider nicht, daher habe ich peinlicherweise deinen vergessen." Mit einem unschuldigen Lächeln, das diese Lüge ehrlicher machen sollte, sah ich ihn an. „Lars! Aber müsstest du jetzt nicht in der Schule sein? Wenn ich mich recht erinnere, hast du doch gesagt, das du fünfzehn bist."
„Eigentlich schon, doch ich habe eine persönliche Änderung an mei­nem Stundenplan vorgenommen."
„Zu gut deutsch: Du schwänzt den Unterricht!" Er schenkte mir ein solch nettes Lächeln, dass ich ihm die Wahrheit einfach sagen muss­te. „Stimmt! Ich will einfach nicht mehr dort sein müssen." Lars schüttelte den Kopf und stand auf. „Kommst du mit? Dann können wir uns weiter unterhalten." Ohne lange zu überlegen nahm ich mei­nen Rucksack, den ich zur Tarnung mitgenommen hatte, damit mei­ne Mutter nicht misstrauisch wurde, und folgte ihm hinaus in die Käl­te.

Wortlos ging ich neben Lars her durch die leere Innenstadt. Nein, sie war nicht ganz leer. Auf den Bänken in der Nähe des Gerichts saßen einige zitternde Menschen. Einigen konnte man sogar ansehen, dass sie nicht nur wegen der Kälte zitterten „Hier hat sich bis vor einigen Jahren mein gesamtes Leben abgespielt. Und noch immer fällt es mir schwer, hier vorbei zu gehen." flüsterte Lars kurz, bevor er seine Schritte beschleu­nigte. Ich schluckte. Bisher hatte ich mir nie Gedanken gemacht, welches Schicksal Drogenabhängige hatten. Lars führte mich in eines der Cafés. „Magst du auch einen Kaffee trinken?"
"Lieber einen Kakao, warte ich gebe dir das Geld." Noch bevor ich in meiner Tasche nach meinem Portmonee kramen konnte, schüttelte er den Kopf. "Lass mal, ich lade dich natürlich ein."

Nur wenige Augenblicke später war er wieder da. Er trug ein Tablett, mit zwei Tassen, mehreren Zuckerpäckchen und zwei Portionen Milch. Ich blickte in seine grauen Augen und spürte wieder solch ein seltsames Kribbeln in der Magengrube. Lars lächelte mich an. „Ist al­les in Ordnung mit dir?"
„Natürlich! Was sollte denn nicht in Ordnung sein?"
„Du hast mich gerade so seltsam angesehen."
„Es ist wirklich alles in Ordnung."
„So, jetzt erzähl mir doch einfach mal, warum du den Unterricht schwänzt."
„Es gibt keinen besonderen Grund. Ich habe einfach nur keine Lust, mich mit meinen Mitschülern abzugeben."
„Und warum nicht?"
„Die sind ganz anders, als ich. Die verstehen mich nicht und ich die nicht. Und, wenn ich ganz ehrlich bin, will ich die auch nicht verste­hen."
„Aber ihr müsst doch wenigstens versuchen, miteinander klar zu kommen." Nach seinen Worten brach ich in Tränen aus. Lars wartete geduldig, bis ich mich wieder beruhigt hatte, dann reichte er mir eine Serviette. Dabei streichelte er mir sanft über die Hand. „Sprich dich doch aus. Ich bekomme doch mit, dass dich das alles belastet. Und ich bin ein ziemlich guter Zuhörer."
„Warum interessierst du dich so für meine Probleme?"
„Wenn du in nicht allzu ferner Zukunft sterben wirst und du deine Sachen bereits geklärt hast, werden die Probleme der anderen inter­essanter, als deine eigenen."
„Bisher hat sich noch nie jemand für meine Probleme interessiert."
„Aber ich tue es jetzt. Also los, sprich dich aus!" Nach kurzem Zögern fing ich an. „Ich bin jetzt in der zehnten Klasse. Von Anfang an, fühl­te ich mich in der Gesamtschule unwohl. Keine meiner Freundinnen aus der Grundschule ging dorthin. Ich musste, weil Silke, meine große Schwester dort war. Die meisten aus meiner Klasse kannten sich schon aus der Grundschule. Und ich war halt ganz anders als die. Ruhiger, introver­tiert. Ich lese lieber, mag andere Musik als die, was die im Fernsehen schauen, oder am PC spielen mag ich auch nicht und dann interessiere ich mich auch noch für Politik. Sogar meine Klamotten sind anders, als die der anderen. Ich trage keine Markensachen. Meine Mutter kann sich sowas nicht leisten. Sie ist alleinerziehend und mein Erzeuger zahlt ihr keinen Unterhalt. Ich weiß nicht mal, wer er ist." Hier stockte ich, erstaunt, dass ich diesem Mann, den ich gar nicht kannte, alles über mich erzählte, was ich sonst für mich behielt. „Und, wie äußern sich deine Probleme mit deinen Mitschülern? Nur deren Ablehnung kann dich doch mit Sicherheit nicht von der Schule fernhalten. Oder etwa doch?" Sein Blick schien mich zu durchbohren. „Nein, es kommt zu tätlichen Angriffen. Ich kann mich doch nicht gegen fast dreißig Leute zur Wehr setzen. Und außerdem sind auch die meisten anderen, die auf diese Schule gehen nicht gerade meine Freunde."
„Hast du schon einmal versucht mit einem deiner Lehrer zu spre­chen?"
„Das habe ich schon mehrmals probiert. Aber die hören einem gar nicht zu. Es sind einfach zu viele Schüler pro Klasse und zu viele Klassen. Da kann man sich nicht auf einzelne konzentrieren. Man kann schon froh sein, wenn der Lehrer alle Namen seiner Schüler im Kopf hat."
„Aber es kann doch nicht sein, dass du ganz alleine dastehst?"
„Doch, genauso ist es. Ja gut, ich habe zwei Bekannte auf meiner Schule. Doch die gehen nicht in meine Klasse. Wir sehen uns immer nur in den Pausen. Und wirklich helfen könnten die beiden doch auch nicht, wenn wir mal wieder angefeindet werden. Ich habe manchmal einfach zu große Angst, zur Schule zu gehen. Ich weiß zwar selber, dass ich mir damit meine Zukunft verbaue, doch ich kann einfach nicht mehr. Ich hatte meine Mutter sogar schon gebeten, das ich die Schule wechseln dürfe, doch sie war dagegen. Wahrscheinlich auch, weil ich ihr den genauen Grund nicht genannt habe."
„Und warum hast du das nicht getan?" Lars hatte mir interessiert zu­gehört und berührte nun vorsichtig meine Hand. Ich war mir nicht si­cher, ob ich sie wegziehen , oder diesen Kontakt zulassen sollte. „Ich dachte, dass sie mir nicht glauben würde." wisperte ich dann, nach­dem ich mich dafür entschieden hatte, ihm meine Hand zu entziehen. Er schüttelte den Kopf. „Hast du denn niemanden, an den du dich mit deinen Sorgen wenden kannst?"
„Nein, das habe ich nicht. Meine Bekannten haben doch das gleiche Problem. Zuerst dachten wir ja, dass wir gemeinsam stärker wären, doch wir haben uns getäuscht. Dadurch wurde es noch schlimmer, denn jetzt hat jede nicht nur ihre Klasse gegen sich, sondern auch die Klassen der anderen." Nun brach ich wieder in Tränen aus. Schon lange Zeit, hatte ich nicht mehr vor anderen Menschen ge­weint. Doch Lars war so sanft zu mir, dass ich meine Trauer endlich nicht länger verbergen musste. „Jetzt hast du jemanden: Nämlich mich!"
„Meinst du das ernst?" Ich konnte das nicht glauben, denn bisher hatte ich immer alleine dagestanden. Lars stand auf, ohne mir zu antworten. „Wie wäre es, wenn wir noch etwas spazieren gehen?" fragte er stattdes­sen. Wieder überlegte ich nicht, als ich aufstand und ihm erneut folg­te.

Wieder liefen wir Seite an Seite durch die Stadt. „Du bist sehr miss­trauisch. Was wurde dir nur angetan?" Auf diese Frage antwortete ich nicht. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich hätte sagen könnte. Lars überging mein Schweigen und setzte sich auf eine Bank. Ich blieb stehen, wollte auf diese Weise Abstand zwischen uns schaffen. Die Nähe, die sich bereits zu entwickeln begann, war mir unheimlich. „Hast du Pläne für deine Zukunft?"
„Was meinst du mit Plänen? Ehe, Kinder, Job und sowas?"
„Genau das meine ich."
„Darüber habe ich nie viel nachgedacht. Ehe und Familie kann man nicht planen und Arbeit? Das möchte ich nicht verraten, denn wahr­scheinlich wirst du dann lachen?"
„Glaubst du das nach unserem Gespräch von gerade wirklich?"
„Nein, eigentlich nicht. Okay, ich will Theologie studieren."
„Bist du so religiös?"
„Wundert dich das?"
„Schon, denn diese Einsamkeit, die du beschreibst, sollte es in der Kirche doch eigentlich nicht geben."
„Solange, wie ich in der Kirche bin, fühle ich mich gut. Dort gehöre ich hin. Aber die Schule, ist seltsam. Ich fühle mich dort eingesperrt. Wie in einem Käfig."
„Doch du weißt, dass du Abitur brauchst, wenn du studieren willst?"
„Ja, ich weiß das. Aber ich halte es in der Klasse nicht mehr aus. Ich kann dort einfach nicht lernen."
„Und wie willst du dieses Problem lösen?"
„Indem ich wegen meiner vielen Fehlstunden sitzen bleibe. Vielleicht rüttelt das meine Mutter auf und ich darf endlich die Schule wech­seln." Lars nickte. „Das kann ich gut verstehen. Aber was ist, wenn das nicht klappt?"
„Soweit habe ich nicht gedacht. Ich will einfach nur weg von der Schule. Egal wie!" Da mir meine Naivität peinlich war, sah ich zu Bo­den. „Wäre es nicht besser, wenn du dieses Jahr versuchst, gut im Unterricht mitzuarbeiten und dann dein Abitur auf einer Berufsschule machst? Oder hätte deine Mutter was dagegen?"
„Keine Ahnung! Darüber hab ich nie mit ihr gesprochen. Aber danke für den Tipp. Ich werde darüber nachdenken!" Ich lächelte ihn an, denn sein Vorschlag klang gut. Und vielleicht würde ich meine Mutter auch davon überzeugen können. Nun blickte ich auf meine Armband­uhr. „Vielleicht sollte ich für die letzten zwei Stunden doch noch zur Schule. Lohnt sich zwar nicht wirklich, aber damit zeige ich wenigs­tens etwas guten Willen." Lars nickte. „Sollen wir uns nachher noch­mal sehen?"
„Ja gut, warum nicht! Wie wäre es mit halb drei?"
„Halb drei klingt gut! Und wo sollen wir uns treffen?"
„Weiß nicht! Wie wäre es mit dem Schacht 4/8?"
„Ja gut, dann um halb drei im Schacht 4/8. Aber ich bringe dich noch zum Bus." Mit diesen Worten stand er auf. Zusammen gingen wir zur Haltestelle. Dort standen wir einige Minuten lang schweigend, bis mein Bus kam. Beim Abschied wollte ich eigentlich dann doch nicht einsteigen. Doch ich tat es und fuhr zur Schule.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:15 pm

Keiner meiner Lehrer fragte mich, warum ich erst zur fünften Stunde kam. Diese zwei Stunden dehnten sich zu einer Ewigkeit. Stumm saß ich auf meinem Platz in der rechten hinteren Ecke und versuchte dem Unterricht zu folgen. Allerdings gelang es mir nicht. Daher zog ich den Tabakbeutel aus meiner Tasche und fing an, einige Zigaret­ten vorzudrehen. Denn die Gauloise blieben Sitzungen und anderen Momenten, wo ich nicht zum drehen kam, vorbehalten. Dabei dachte ich an Lars. Aus irgendwelchen, mir noch unbekannten, Gründen vermisste ich ihn jetzt schon. Dabei wollte ich keine anderen Menschen in meinem Leben. Ich hatte Angst, erneut verletzt zu werden.

Zum Ende des Unterrichts lief ich als eine der ersten aus dem Raum. An der Bushaltestelle standen die einzigen beiden Freundinnen, die ich auf dieser Schule hatte. „Hey! Doch noch aufgetaucht?" Nina sah mich fragend an, denn wir hatten uns erst am vergangenen Nachmit­tag, bevor ich zu der Sitzung gegangen war, gesehen und da hatte ich ihr noch einmal nachdrücklich zu verstehen gegeben, dass ich nicht zur Schule kommen würde. „Ja! Habe mich vorhin dann doch anders entschieden. Vielleicht komme ich jetzt auch wieder regelmä­ßig." Anke, ihre Klassenkameradin schüttelte den Kopf. „Vielleicht? Woher kommt denn der Sinneswandel?"
„Weiß nicht! Hab über meine Zukunft nachgedacht. Die will ich mir nicht versauen lasen." Ich wollte den beiden nichts von Lars verraten, denn ich wusste ganz genau, dass sie mich nicht verstehen würden. „Naja, ist auf jeden Fall schön, dass du endlich wieder hier bist. Dann sehen wir uns wenigstens wieder öfter. Oder nicht?" Nina schienen meine Gründe egal zu sein. Ich nickte, dann kam mein Bus. Antje und Nina mussten mit einem anderen Bus fahren. Ich verabschiedete mich von den beiden und stieg ein. Ganz hinten war noch ein Platz frei und dort setzte ich mich hin. Dann kramte ich meinen Walkman aus mei­ner Tasche und setzte den Kopfhörer auf.

Fünf Minuten vor der verabredeten Zeit war ich vor dem Schacht 4/8. Mit zitternden Händen zündete ich mir eine Zigarette an. Ängstlich, dass Lars doch nicht kommen würde, lief ich auf und ab. Eine Minute vor halb drei betrat ich die Kneipe, nachdem ich die Kippe auf dem schmutzigen Boden geworfen und ausgetreten hatte. Lars war noch nicht in dem schummrigen Raum. Ich setzte mich an einen Tisch in der Nähe der Tür. Kaum saß ich, trat ein Kellner an den Tisch und fragte mich nach meinen Wünschen. „Ich weiß noch nicht, was ich möchte." Er nickte und ging wieder. Ich nahm die Karte zur Hand. Drei Minuten durchblätterte ich diese bereits, als Lars endlich den La­den betrat. Er setzte sich mir gegenüber hin. „Entschuldige bitte, dass ich zu spät bin, doch ich hatte einen Termin, der etwas länger gedauert hat. Hast du dir schon etwas zu trinken bestellt?" Ich schüt­telte den Kopf. „Nein, ich wollte auf dich warten." Kaum hatte ich das gesagt, stand der Kellner wieder an dem Tisch. Während Lars sich einen Kaffee bestellte, bat ich um einen Ouzo-Cola. Lars schüttelte den Kopf, nachdem der Kellner wieder gegangen war, sagte jedoch nichts. Es dauerte nicht lange, bis der junge Mann uns unsere Ge­tränke gebracht hatte. Ich griff direkt nach meinem Glas und leerte es mit einem Zug bis fast zur Hälfte. Lars beobachtete mich dabei entsetzt. „Trinkst du regelmäßig? Nein warte, das musst du mir nicht beantworten, das sehe ich nämlich gerade selber." Ich zuckte mit den Schultern. „Ist doch egal. Ich trinke halt hin und wieder was." Nach diesen Worten trank ich den Rest aus und winkte dem Kellner, mir ein neues Glas zu bringen. „Ich gehe nicht davon aus, dass es nur hin und wieder ist."
„Na und! Ist doch mein Leben!"
„Das du gerade wegwirfst. Du machst dich kaputt. Und, das kann ich sagen, weil ich auch mal soweit war, dass mir mein Leben vollkommen egal war."
„Halt mir keine Vorträge. Sowas kann ich absolut nicht leiden. Und brauchen auch nicht!"
„Wenn du den Wunsch hast zu sterben, warum hältst du dir dann nicht einfach 'ne Knarre an den Kopf und drückst ab? Das geht schneller, als mit dieser verdammten Sauferei."
„Ich will nicht sterben, aber ohne Alkohol überstehe ich den Tag nicht. Morgens brauche ich was, um überhaupt aufstehen zu können, dann muss ich weiter trinken, wenn ich zur Schule gehe und Abends brauche ich was um einschlafen zu können." Lars griff sanft nach meiner Hand. „Wer hat dir nur so weh getan, dass du meinst, dich kaputtmachen zu müssen?" Zitternd senkte ich den Blick auf die zer­kratzte Tischplatte. Mir traten Tränen in die Augen. Bevor Lars etwas sagen konnte, sprang ich auf und lief aus dem Lokal. Wenige Meter von der Tür entfernt sank ich auf einer Bank zusammen. Ich zog die Beine an meinen zitternden Körper und umschloss sie fest mit beiden Händen. „Ist alles in Ordnung mit dir?" Lars legte mir vorsichtig eine Hand auf den Arm. „Lass mich in Ruhe!" Ich schob seine Hand weg. Er löste meine verkrampften Finger und zog mich an sich.Zuerst woll­te ich mich gegen seine Berührung wehren, doch er hielt mich so fest, dass ich chancenlos gewesen wäre. Daher blieb ich regungslos sitzen. „Geht's wieder?" fragte er mit ruhiger Stimme, als das Zittern verebbt war. Ich nickte und spürte, wie er mich los ließ. „Dann erzähl mir doch einfach mal, was los ist. Ich sagte dir ja schon, dass ich ein guter Zuhörer bin."
„Ich hatte ja schon gesagt, dass ich ohne das Zeug nicht mal mehr aufstehen kann." Ich zündete mir eine Zigarette an und inhalierte den Rauch. „Wie hat es denn angefangen?" Lars nahm mir die glü­hende Kippe ab und sah mich interessiert an.Bevor ich antwortete, zündete ich mir eine neue Zigarette an. „So mit dreizehn, vierzehn hab ich hin und wieder mit zwei Freundinnen was getrunken. Da hat es auch noch Spaß gemacht. Dann mit fünfzehn wurde es etwas mehr, weil ich da in so eine Clique geraten bin, in der alle getrunken haben. Wenn ich nicht mitgesoffen hätte, hätten sie mich nicht ak­zeptiert, also musste ich einfach mitmachen. Und jetzt fällt es mir schwer, aufzuhören. Weil betrunken kann ich sogar hin und wieder am Unterricht teilnehmen. Dann hab ich nämlich keine Angst vor meinen Mitschülern."
„Was ist denn sonst noch vorgefallen, dass du die Sauferei als Schutzschild brauchst?"
„Außer, dass ich nüchtern keine Freunde finde? Nichts!" Obwohl Lars mir ansehen konnte, dass das nicht alles war, fragte er nicht weiter. „Ich wollte doch einfach nur Freunde haben." fügte ich noch flüs­ternd hinzu. „Meinst du nicht auch, dass Freunde, wirkliche Freunde meine ich jetzt, dich so akzeptiert hätten, wie du bist?" Sein Blick durchbohrte mich, als wolle er meine Gedanken lesen. Doch er lä­chelte dabei. „Ich habe gedacht, dass sie mich irgendwann schon ak­zeptieren würden, wenn sie mich erst richtig kennen würden. Und bis dahin seien solche Freunde besser, als keine Freunde."
„Aber sie haben dich nicht richtig kennen lernen wollen." vollendete Lars meinen Bericht. Ich nickte und schnippte die Kippe weg. „Stimmt! Und jetzt will ich nichts mehr mit denen zu tun haben."
„Und warum nicht?"
"Es gibt mehrere Gründe. Und jetzt hab ich keine Zeit mehr. Außerdem will ich nicht darüber sprechen." Ge­meinsam gingen wir zu der U-Bahnhaltestelle. Dort gab Lars mir einen Zettel mit seiner Telefonnummer. „Du kannst mich gerne je­derzeit anrufen, wenn du mal jemanden zum Reden brauchst."
„Danke Ich würde mich freuen, wenn du mich auch mal anrufst. Nur wäre es besser, wenn du sagst, dass wir etwas wegen eines Arbeits­kreises zu besprechen hätten." Dann riss ich ein Blatt aus meinem Kalender raus und notierte meine Telefonnummer. „Soll deine Mutter etwa nicht wissen, dass du Freunde hast?"
„Das ist es nicht. Es geht eher darum, dass Parteimitgliedern weniger Fragen gestellt werden. Und eine Freundschaft zwischen uns würde meine Mutter eh nicht verstehen. Wegen dem Altersunterschied und so."
„Was meinst du denn mit 'und so'?" Lars sah mich wieder so durch­dringend an. „Nichts Bestimmtes. Aber du kennst doch das Getrat­sche der anderen." Ich zuckte mit den Schultern. „Ja, ich weiß, was die anderen reden, wenn sie zu viel Zeit haben. Doch das Gerede der anderen sollte uns egal sein." Ich nickte. „Sollte es. Aber in meinem Alter ist es einem noch nicht unbedingt egal."
„Ich weiß! Im Gegensatz zu den meisten anderen Erwachsenen hab ich noch nicht vergessen, wie es ist, fünfzehn und allein zu sein!" Er legte mir eine Hand auf die Schulter. „Ruf mich aber wirklich an, wenn du wen zum Reden brauchst!" flüsterte er dabei. „Okay! An­sonsten sehen wir uns in drei Wochen." Darauf erwiderte er nichts, sondern stieg wortlos aus der Bahn aus. Nach meinem Walkman kramend lehnte ich mich gegen das Fenster und sah ihm aus den Augenwinkeln nach.

Ich war erst wenige Minuten zu Hause, als das Telefon klingelte. Da ich davon ausging, dass es Nina war, die mich auf mein seltsames Verhalten vom heutigen Mittag ansprechen wollte, ging ich mit etwas schlechterer Laune dran. Doch es war Lars, der wissen wollte, ob ich Lust hätte, am nächsten Tag etwas mit ihm zu unternehmen. Da ich sowieso nichts vorhatte, sagte ich zu. Beim Klang seines Lachens, bevor wir uns voneinander verabschiedeten, spürte ich, wie mein Herz zu rasen anfing. Dann legte ich auf und ging, den seltsamen Blick meiner Mutter ignorierend zurück auf mein Zimmer. Dort schal­tete ich meine Anlage ein und ließ mich von den harten Rockklängen von >Deep Purple< beruhigen. Auf meinem Bett liegend und an die weiße Decke starrend, ließ ich meine Gedanken zu Lars wandern. Ich dachte an sein Lächeln, die glänzenden, fast grauen Augen, die bis tief in mein Herz zu blicken schienen, seine raue Stimme, die mir Schauer über den Rücken jagte und seine liebe, verständnisvolle Art, da er genau zu spüren schien, wie es mir momentan ging. Ich fragte mich, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn er mich richtig in den Arm nehmen würde. Doch bevor ich diesen Gedanken zu Ende füh­ren konnte, verkrampfte sich mein gesamter Körper und ich ließ die­se Träumereien sein. Heiße Tränen brannten hinter meinen geschlos­senen Augenlidern Daher griff ich nach meiner Schultasche, zog eine Colaflasche, in der ich eine Wodka-Colamischung hatte, heraus und kippte einen großen Schluck in meine Kehle. Als ich den zweiten Schluck hinterher schüttete, löste sich die Verkrampfung langsam und die Bilder, die mich seit fünf Monaten kaum noch losließen, wenn ich einmal nüchtern war und die daher der wahre Grund für meine Sauferei waren, verschwanden allmählich.

Nach einer, wie gewohnt, unruhigen Nacht kniete ich zitternd unter der heißen Dusche. Es dauerte, wie jeden Morgen, einige Minuten, bevor mein Kreislauf mitspielte, ich mich anziehen und zum Kaffee kochen in die enge Küche gehen konnte. Ich lehnte mich gegen die Wand, während ich darauf wartete, dass der Kaffee fertig wurde. Als meine Mutter von der Nachtschicht im Altenheim kam, war ich be­reits in Aufbruchstimmung. Sie gab mir die Tüte mit meinem Früh­stück, das ich wahrscheinlich eh nicht essen würde und ich lief die Treppe hinunter zum letzten Schultag für diese Woche.

Weder der Englischunterricht, der sonst das einzige Fach war, zu dem ich noch gerne ging, noch die zweite Stunde, in der ich Deutsch hatte, konnten mich heute begeistern. Nach der Pause kamen zwei Stunden Mathematik dran, was schon von jeher mein Angstfach war. Als letztes hatte ich eine Doppelstunde Französisch, die sich in die Länge zog, so langweilig fand ich sie, denn ich wusste genau, dass ich nach dem Verlassen der Gesamtschule nie wieder Französisch würde brauchen können. Endlich schellte es und ich konnte den Klassenraum verlassen. Da mir genug Zeit blieb, bis mein Bus kommen würde, lief ich eine Haltestelle zurück, um auf jeden Fall einen Sitzplatz ergattern zu können. Durch das Busfenster sah ich, dass Antje noch an der Haltestelle bei der Schule stand. Nina hatte an diesem Tag durch Abwesenheit geglänzt. Wie immer, wenn ich den ÖPNV nutzte, setzte ich meinen Kopfhörer auf und versuchte den Lärm auszublenden, den die anderen mitfahrenden Schüler pro­duzierten.

Lars wartete bereits an der Haltestelle auf mich. „Schön, dass du heute Zeit hast!" begrüßte er mich. „Und, was hast du vor?" Er lä­chelte nur und zog mich in die Seitenstraße, in der auch die Drogen­beratung lag. Verständnislos sah ich mich um, nachdem wir in eine kleine Sackgasse gebogen waren und Lars vor einem leicht herunter­gekommenen Mehrfamilienhaus stehen blieb und einen Schlüssel aus der Jeanstasche zog. „Ich dachte, dass wir uns besser bei mir gemüt­lich hinsetzen. Hier können wir einen Kaffee trinken, Musik hören und vielleicht auch in Ruhe reden, wenn du willst." Obwohl ich vor Angst zitterte, ging ich hinter ihm die schmale Treppe bis zum zweiten Stock hoch. Dort öffnete er eine Holztür und schob mich in einen en­gen Flur. Seine Wohnung war hell und freundlich, allerdings etwas spartanisch, eingerichtet. „Was magst du denn eigentlich an Musik?"
„So gut wie alles. Aber am liebsten höre ich gut gemachten Rock."
„Was hältst du von >Mike Oldfield<?"
„Da muss ich mich outen, denn der Name sagt mir gerade gar nichts!"
„>Shaddow on the wall< ist eines seiner bekanntesten Stücke."
„Das klingt schon mal ganz gut." Lars lächelte und legte eine CD ein, bevor er in die Küche ging um Kaffee zu kochen. Ich kuschelte mich in die Sofaecke und lauschte der Musik mit geschlossenen Augen. Ein leises Klappern holte mich in die Realität zurück. „Wie trinkst du dei­nen Kaffee?"
„Mit Milch und Zucke, bitte." Er nickte und ich schloss die Augen we­der. Die melodischen Riffs der Gitarre beruhigten mich langsam, so dass das Zittern aufhörte und ich mit ruhiger Hand nach der Milchpa­ckung, die Lars vor mich gestellt hatte, greifen konnte. „Du brauchst vor mir keine Angst zu haben." flüsterte Lars. Erschrocken darüber, dass er, trotz meiner Bemühungen, sie zu verbergen, er meine Angst dennoch gespürt hatte, ließ ich fast die Packung fallen. „Woher...?" der Rest blieb mir in der Kehle stecken. „Woher ich weiß, dass du vor etwas Angst hast? Ganz einfach: Du quetscht dich in die Couchecke, als könnte dich etwas beißen, sobald du dich bewegst. Und, da ich keine Haustiere habe, muss es wohl an mir liegen." Vorsichtig streck­te er die Hand aus und berührte mich sanft an der Schulter. Ich senkte den Blick zu dem abgenutzten Teppichboden. „Du hast Recht, ich habe Angst!" Mit Tränen in den Augen stand ich auf und ging zum Fenster, das auf die trübe Straße zeigte. !Wovor?"
!Darüber kann ich noch nicht sprechen. Jetzt noch nicht!" Lars war bei meinen Worten aufgestanden und direkt hinter mich getreten, weswegen er die nächsten Worte direkt in mein Ohr flüstern konnte. !Was kann ich machen, damit du keine Angst mehr vor mir hast?" Langsam drehte ich mich zu ihm um. Lars stand so dicht bei mir, dass ich die Hitze, die sein Körper ausstrahlte, spüren konnte. Seine Hände lagen rechts und links von meinem Kopf an der Fensterschei­be. So eingeengt begann ich erneut zu zittern. Er beugte sich noch tiefer, so dass seine Lippen fast mein Haar berührten. „Ich werde dir niemals wehtun!" flüsterte er und strich mir über die tränennassen Wangen, bevor er mich losließ und zur Couch zurückging. Ich lief an der Couch vorbei und griff nach meiner Jacke, die ich über die Lehne geworfen hatte. Lars sprang auf und stellte sich mir in den Weg. „Geh jetzt noch nicht, bitte Kyra!"
„Was ist noch?" Wie so oft versuchte ich meine Angst hinter einer Mauer aus Aggressivität zu verbergen. „Bitte setze dich nochmal hin." Seufzend trat ich zurück zur Couch und nippte an meinem, inzwi­schen erkalteten, Kaffee. „Was ich auch gerade gesagt habe, dass dich verletzt hat, es tut mir wirklich leid." Ich schüttelte den Kopf. „Ich kann noch nicht darüber sprechen. Also bitte, zwing mich nicht dazu."
„Das habe ich auch gar nicht vorgehabt. Ich dachte nur, dass es die vielleicht helfen könnte, wenn du darüber sprichst."
„Vielleicht kann ich das auch irgendwann. Und vielleicht hilft es dann ja auch, doch jetzt bin ich noch nicht soweit." Er nahm meine Hände und streichelte sie sanft. „Sei mir aber bitte nicht böse!" Langsam entzog ich ihm meine Hände und stand auf. „Ich bin dir nicht böse, doch trotzdem muss ich jetzt gehen." Er nickt und stand ebenfalls auf. „Ich gebe dir noch eine Kassette mit. Du kannst sie mir ja bei Gelegenheit wieder zurückgeben." Wir gingen gemeinsam die Treppe hinunter. Vor der Haustür legte er den Arm um mich. „Bis hoffentlich bald." flüsterte er mir ins Ohr, bevor ich mich umdrehte und zur Bahnhaltestelle lief. Dort zog ich meinen Walkman aus der Schulta­sche und legte die Kassette ein, die Lars mir gegeben hatte. Direkt bei dem ersten Lied, verstand ich, warum ich diese Kassette hatte hören sollen.. Es war von Joe Cocker >With a little help from my fri­ends<.

Kaum war ich zu Hause, nahm ich das Telefon mit in mein Zimmer, zog den Zettel mit Lars Rufnummer aus meinem Portemonnaie und tippte die sechs Ziffern ein. Es war, als hätte er auf meinen Anruf ge­wartet, denn er ging direkt nach dem ersten Klingelton dran. „Hi! Ich bin's, Kyra! Ich wollte mich nur für mein unmögliches Verhalten von gerade entschuldigen." Er lachte leise und sagte, dass es schon okay sei. Bevor ich auflegte, verabredeten wir uns für Sonntag. Mit ge­spielter Gelassenheit brachte ich das Telefon zurück ins Wohnzimmer und wich dem fragenden Blick meiner Mutter erneut aus. Wieder in meinem Zimmer legte ich Lars' Kassette ein und dachte an ihn. Ich fragte mich, wie es wohl gewesen wäre, wenn er mich heute geküsst hätte. Die ganze Nacht hindurch hörte ich immer wieder die Kasset­te, während ich am Fenster saß und rauchte. Erst im Morgengrauen schaltete ich die Musik ab und rutschte unter die Bettdecke. Obwohl ich vollkommen übermüdet war, fand ich keinen Schlaf. Nachdem ich mich über eine Stunde hin und her gerollt hatte, stand ich wieder auf und setzte mich erneut auf meinen Schreibtisch, direkt am geöffne­ten Fenster, um noch eine Zigarette zu rauchen, denn ich achtete streng darauf, dass mein Zimmer nicht nach Rauch roch, obwohl ich bereits drei Jahre rauchte und meine Mutter dies auch wusste, bevor ich mich fertig machte.

Mit noch feuchten Haaren verließ ich die Wohnung, um in die Innen­stadt zu fahren, wo wir den Bürgern einen Fragebogen präsentieren wollten, den wir im Arbeitskreis Drogenpolitik erstellt hatten. auf dem Weg dorthin hörte ich weiterhin die Kassette von Lars. Mein Magen zog sich noch immer beim Gedanken an ihn zusammen. Doch je öfter dies passierte, umso angenehmer wurde dieses Gefühl. Allmählich begriff ich, dass auch ich einen guten Freund an meiner Seite ge­brauchen konnte, weswegen ich es kaum erwarten konnte, dass es endlich Sonntag Nachmittag wurde, damit ich ihn endlich wiedersehen konn­te. Niemandem fiel mein verändertes Verhalten und die neugewonnene Lebensfreude auf. Daraus schloss ich, dass ich den Menschen in meiner Umgebung egal war. Zu meinem Glück war Lars so ganz anders.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:16 pm

3. Kapitel: Der erste Kuss

Drei Monate lang erstickte ich jedes andere Gefühl, als Freundschaft, zu Lars im Keim. Ich wollte mir nicht eingestehen, wie wichtig er mir inzwischen geworden war. Er war der einzige Mensch, der es schaff­te, mich zum Lachen zu bringen und auch Berührungen waren zwi­schen uns zum Alltag geworden. Manchmal meldete sich leise die Stimme Sehnsucht und flüsterte seinen Namen, wenn ich mich allei­ne fühlte. Wir sahen uns fast täglich und wenn wir uns nicht sehen konnten, telefonierten wir miteinander.

Dann kam der 10. März 1999, sein 41. Geburtstag. Obwohl seine Freunde an diesem Tag eine große Party veranstalten wollten, hatte er diese auf den Samstag danach verschoben, um mit mir alleine sein zu können. Zuerst war es ein ganz normaler Nachmittag. Wir lachten viel, waren albern, während fröhliche Partymusik lief. Ausgelassen wie junge Hunde tobten wir durch das Wohnzimmer und seine Krankheit, sowie der drohende Tod, war weit weg. Dann lief >Right here waiting< von Richard Marx. Bei diesem langsamen Liebeslied zog Lars mich, wie selbstverständlich, in seine Arme. An seine Brust gelehnt wiegte ich mich im Rhythmus der Musik, während er sogar einige Tanzschritte wagte. Als die Musik verstummte, blieben wir weiterhin an einander gekuschelt mitten im Raum stehen. Ich trat nach einigen Herzschlägen einen Schritt zurück und blickte hoch, direkt in seine Augen. Langsam streckte er den Arm aus und strich mir über die Wange. Mit dem Daumen fuhr er die Konturen meiner Lippen nach, bevor er sich über mich beugte, um mich sanft zu küssen. Als hätte ich nur darauf gewartet, dass er diesen ersten Schritt wagte, erwiderte ich den Kuss. Seine linke Hand lag auf mei­nem Hinterkopf, während sein rechter Arm um meine Hüfte ge­schlungen war. Meine Hände streichelten seinen Brustkorb, spürten seine Rippen dicht unter der Haut. Unsere Herzen schienen im selben Takt zu rasen. Vollkommen außer Atem unterbrachen wir den Kuss. In seinen Augen konnte ich das gleiche Verlangen sehen, das ich ebenfalls verspürte. Der zweite Kuss war wilder, hungriger. Lars krall­te sich in meine langen Haare, presste seine Lippen immer fester auf meine. Leise stöhnte ich vor Sehnsucht, während ich mich an ihm fest klammerte. Dann schob er mich plötzlich von sich und ging mit gesengtem Kopf zur Couch, wo er sich fallen ließ. Zusammengesunken blieb er dort sitzen. Ich ging zu ihm, setzte mich neben ihn und legte meine Hand auf seinen Arm. „Bitte nicht! Es kostet mich so schon meine gesamte Kraft, nicht weiterzumachen."
„Warum denn? Ich wollte diesen Kuss doch genauso sehr, wie du. Und auch alles weitere, was passieren könnte." Er sah mich an. Seine Augen waren leicht gerötet und seine Stimme noch rauer als sonst. „Aber es darf nicht sein. So sehr wir beide das hier auch wollen, es geht nicht. Und das weißt du auch. Ich könnte mir nie verzeihen, wenn ich dich infiziere." Als ich erwidern wollte, dass ich doch wüsste, wie ich mich schützen konnte, legte er mir den Zeigefinger der rechten Hand auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Traurig senkte ich den Blick. Lars nahm mich in den Arm. „Bitte weine jetzt nicht. Ich wünsche mir doch auch so sehr, dass ich gesund wäre und wir das hier weiter auskosten könnten, doch leider geht das nicht. " Während ich nickte, stand ich auf. „Ich sollte jetzt besser gehen. Bevor ich etwas mache, oder sage, was ich hinterher bereue." Er sah mich an und seufzte, als er ebenfalls aufstand. „Ich bring dich noch eben zur Bahn." flüsterte er. „Lars, ich empfinde sehr viel für dich. Gib uns doch einfach eine Chance." Darauf erwiderte er nichts, sondern drehte nur gequält den Kopf zur Seite. Schweigend gingen wir zur Haltestelle. „Du weißt, dass ich auch mehr als Freundschaft will, doch, wenn man so kurz vor dem Tod steht, wie ich, ist man froh über alles, was man be­kommt." flüsterte er, als wir dort standen. „Sei ehrlich, ist es mein Al­ter?" Ich war einen Monat zuvor sechzehn geworden. „Dein Alter ist mir egal. Ich würde auch nichts zulassen, wenn du älter wärst."
„Küss mich wenigstens noch einmal." wisperte ich. „Nicht hier, es könnte jemand sehen." wies er mich zurück. „Dann lass uns doch nochmal zurück zu dir gehen. Dort können wir auch weiter reden."

„Worüber willst du denn reden? " fragte er, als wir uns uns auf dem Rückweg zu seiner Wohnung befanden. Doch ich antwortete ihm nicht. Kaum war die Wohnungstür hinter uns ins Schloss gefallen, fie­len wir uns in die Arme und küssten einander wild und unbeherrscht. Lars drängte mich sacht ins Wohnzimmer, wo ich mich auf die Couch fallen ließ und ihn mit mir zog. Er bedeckte mein Gesicht mit zärtli­chen Küssen, während seine Hände meine Arme streichelten, die um seinen Nacken geschlungen waren. Ein ganz leises Keuchen entfuhr ihm, als ich meine Hände über seinen Rücken gleiten ließ. Dann löste er sich von mir und zog mich in eine sitzende Position hoch. Ich kuschelte mich an ihn, während er die Augen schloss und seine Arme um mich schlang. Nach einiger Zeit blickte ich auf die Uhr und erschrak. „Ich muss gleich los." flüsterte ich, während ich mich von ihm löste. „Ich wollte dir noch eben ein Lied vorspielen. Hast du noch soviel Zeit?" Als ich nickte, stand er auf. Wenige Augenblicke später erklang die Stimme von Stefan Waggershausen mit seinem >Hallo Engel<. Lars sah mich während des gesamten Liedes an und ich konnte n seinen Augen lesen, dass er mich mit diesem Lied bitten wollte, zu bleiben. Als die letzten Töne verklungen waren, stand ich auf und ging zu ihm, da er noch immer neben der Anlage stand. „Nichts lieber, als das." wisperte ich, ihn in meinen Arm ziehend.Seine Hände glitten unter meine dünne Bluse. während wir uns noch einmal küssten. Wohlige Schauer liefen mir über den Rücken, bei seinen sanften Berührungen. „Ich muss jetzt leider los." Meine Stimme wollte mir kaum gehorchen. „Stimmt, sonst bekommst du noch Ärger mit dem Drachen."
„Ich komme morgen wieder." Nach einem letzten zärtlichen Kuss nahm ich meine Tasche und lief die Treppe hinunter. Auf der Straße drehte ich mich noch einmal zu seinem Fenster um. Ich ärgerte mich, dass ich nicht bei ihm geblieben war. Um mich zu beruhigen, schalte­te ich meinen Walkman ein. Es lag eine Kassette mit Liebesliedern drin und die Klänge von Whitesnake >Is this love< ertönten. Leise summte ich mit, während seine zärtlichen Küsse noch in mir nach hallten.

Zu Hause blieb ich vor dem Spiegel stehen und sah hinein. Meine Wangen waren leicht gerötet und die blonden Haare etwas zerzaust. Ansonsten sah man mir diesen Nachmittag nicht an. Bevor meine Mutter fragen konnte, warum ich erst so spät kam, verschwand ich in meinem Zimmer. Erst, als ich knapp eine Stunde später hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, da meine Mutter zur Arbeit ging, kam ich wie­der aus meinem Zimmer hervor. Ich huschte ins Wohnzimmer, schnappte mir das Telefon und wählte Lars' Nummer, die ich inzwi­schen auswendig konnte. Ich wollte unbedingt noch einmal seine Stimme hören, bevor ich einschlief, doch leider sprang nach dem siebten Klingeln sein Anrufbeantworter an. Daher sang ich ihm einige Zeilen auf's Band, von denen ich wusste, dass er sie genauso empfand: „>I want to wake up with you. I wanna be there, when you open your eyes. I want you to be, the first thing that I see!<“ Dann legte ich wieder auf und ging zurück in mein Zimmer, wo ich mich auf's Bett legte. Noch immer brannten meine Lippen von Lars' Küssen und ich fragte mich, ob er auch an diese Küsse dachte und wenn ja, ob er es mit der gleichen Sehnsucht tat, wie ich jetzt.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:16 pm

Die Vormittagsstunden des folgenden Tages vergingen quälend lang­sam. Endlich legte ich den Zeigefinger meiner rechten Hand auf die Schelle meines Paradieses. Lars lehnte lässig am Türrahmen und lä­chelte mich an. "Hallo Engel!" flüsterte er mit rauer Stimme, als die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war. In Erwartung eines Kusses beugte ich mich zu ihm. Doch Lars strich mir nur sacht über das Haar. „Wir müssen reden!" sagte er, als wir im Wohnzimmer waren. Wir setzten uns auf die Couch. Als ich mich an ihn lehnen wollte, schob er mich etwas beiseite. Verwundert über die Distanz, die er versuchte zwischen uns aufzubauen, sah ich ihn an. Seine Hände zit­terten, als er sie mir auf die Schultern legte. Ich blickte ihm genau in die Augen, wo ich Sehnsucht glitzern sah. Dieselbe Sehnsucht lag auch in meinem Blick. „Verdammt!" zischte Lars, bevor er die Augen schloss, mich nun doch an sich zog um mich wild und verlangend zu küssen. Mit seinem kompletten Gewicht drückte er mich in die Polster der Couch. Ich umschlang ihn und erschrak, wie dünn er war. „Ei­gentlich wollte ich das hier nicht! Ich wollte dich und vor allem aber mich selber davon überzeugen, dass die gestrigen Küsse nur ein Aus­rutscher waren. Doch das kann ich nicht! Ich brauche dich so sehr!" keuchte er zwischen den Küssen. Sein Gesicht streichelnd erwiderte ich die Küsse mit dem gleichen Hunger. „Ich brauche dich doch ge­nauso!" Nach meinen Worten löste er sich aus meiner Umklamme­rung und richtete sich auf. „Gönne mir bitte eine Minute Ruhe, damit ich wieder zu Atem komme. In der Zeit mache ich uns auch etwas Musik an." Nur unwillig ließ ich ihn los. Kaum erklangen die ersten Töne aus dem Radio, war er wieder neben mir. Ich kuschelte mich wieder in seinen Arm. Lars Hände glitten unter mein T-Shirt, seine Lippen streiften meinen Hals. Ich schloss die Augen und genoss sein langsames und vorsichtiges Tasten. Nun ließ ich mich zurück sinken, wobei ich ihn mit mir zog. Seine Lippen wanderten zu meiner Kehle und er liebkoste die empfindliche Haut dort sacht mit seiner Zunge. Ich strich über die vernarbte Haut seiner Arme. mit einer Hand schob Lars nun mein Shirt höher, während die andere zu meinem Nacken wanderte. Zärtlich drängte er mich noch tiefer in die Polster. Ein lustvolles Stöhnen entfuhr ihm, als ich ihm das T-Shirt auszog. Mit zitternden Fingern erkundete ich seinen Oberkörper, strich über die Rippen, die so erschreckend dicht unter der Haut lagen. Seine Hände glitten über meinen Körper, als er sich aufrichtete. „Was hast du?" meine Stimme war heiser vor Verlangen. So hatte ich mich noch nie zuvor gefühlt. „Nichts Engel! Ich wollte nur kurz in deine Augen sehen." Lächelnd umschlang ich seinen Nacken und zog ihn zurück zu mir. Lars kuschelte seinen Kopf an meine Schulter, während ich durch das kurze Haar an seinem Hinterkopf strich. Leise seufzte er und schob mein T-Shirt weiter hoch. Grade, als ich die Augen schließen wollte, setzten die ersten Klänge von Queen mit >We are the champions< ein. Mein ganzer Körper verkrampfte sich und ich musste Lars von mir stoßen, da ich das Gefühl hatte, nicht mehr atmen zu können. Mit dicht an den Oberkörper gezogenen Beinen drängte ich mich, weit weg von ihm, in die Sofaecke. Verständnislos sah Lars mich an und streckte die Hand aus, um sie mir auf die Schulter zu legen, damit ich mich beruhigte. Doch er erreichte das Gegenteil damit. „Fass mich nicht an!" fauchte ich. „Bitte!" fügte ich dann jedoch verzweifelt hinzu. Lars stand auf und kurz darauf verstummte die Musik. Die Stille breitete sich auch in mir aus. Als ich aufgehört hatte zu zittern, blickte ich zu Lars, der am Fenster stand. „Was ist los mit dir? Und bitte, keine Ausflüchte mehr. Ich will die ganze Wahrheit wissen! Hat dein seltsames Verhalten gerade was mit deiner Sauferei zu tun?" Meine Stimme war nur ein leises Wispern, als ich ihm antwortete. „Meine Sauferei soll diese Panikattacken eigentlich unterdrücken. Du hast aber jetzt wirklich ein Recht dazu, alles zu erfahren." An das Fensterbrett gelehnt, stand Lars da und wartete geduldig. Ich sah auf die Tischplatte und schluckte, bevor ich anfing, ihm zu erzählen, was acht Monate zuvor passiert war.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:17 pm

4. Kapitel: Die Beichte

„Was ich dir jetzt erzähle, habe ich bisher noch keinem anderen ge­sagt. Ich trage es seit acht Monaten mit mir rum. Von der Clique, in der ich im letzten Sommer war, hatte ich dir ja schon erzählt. Doch die Leute waren nicht der wirkliche Grund, weswegen ich mit dem Saufen angefangen habe. In der Clique war ein Typ und der hat ganz alleine Schuld." Obwohl ich hier stockte, schwieg Lars weiter. Er woll­te mir Zeit lassen, damit ich in meinem eigenen Tempo erzählen konnte. „Er heißt Alex und jedes Mädchen aus der Clique stand auf ihn. Ich auch. Aber ich habe mir keine sehr großen Chancen ausge­rechnet. War aber auch egal, denn ich hatte meinen kleinen Freund aus der Flasche." Wieder sprach ich nicht weiter. Ein Klos bildete sich in meiner Kehle und Tränen sammelten sich hinter meinen geschlos­senen Augenlidern. „Das ich zu viel getrunken hab, hat zu dem ge­führt, was hinterher passiert ist und, was ich einfach nicht vergessen kann. Ich konnte an diesem einen Abend nicht mehr klar denken." Ich schlug die Hände vor's Gesicht. Mit wenigen Schritten war Lars bei mir und zog meinen Kopf an seine Brust. Nach einigen Minuten hob ich den Kopf und sah ihm in die Augen. Zärtlich strich er mit der Fingerspitze eine letzte Träne fort. „Willst du weiter sprechen, oder soll ich uns erst etwas zu trinken holen?" Ich schüttelte den Kopf. „Eigentlich will ich gar nicht darüber sprechen. Doch ich muss es endlich loswerden!" Lars nahm mein Gesicht in beide Hände und küsste mich sacht. „Was hat dir dieser Typ nur angetan, dass du so verletzt bist?" flüsterte er dann. Neue Tränen schluckte ich hinunter. „Ich bin mit einer guten Freundin zu einer Party. Naja, Party kann man es nicht gerade nennen. Wir sind zu einem Bekannten von ihr. Alex war auch da. Und Eva, eine andere aus der Clique. Es sollte ein netter Video-Abend werden, doch durch Alex' Nähe habe ich viel zu viel getrunken. Erst Sangria, dann Bier. Irgendwann hat Alex mit Jas­min, meiner Freundin, Briefchen geschrieben. Und ich bin auf sie ei­fersüchtig geworden. Doch sie stupste mich an und warf mir einen Zettel in den Schoß. Er wollte alles über mich wissen, besonders, ob er eine Chance bei mir hätte. Jasmin hat immer nur geschrieben, dass er mich selber fragen soll. Dabei wusste er das doch. Vorher hatten Jasmin und ich Zettel geschrieben, und auf einem stand, dass ich ihn ganz süß finden würde." Ich schniefte. Lars strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Und er hat es gewusst und ausgenutzt!" flüsterte er. Ich senkte den Blick wieder. „Ich habe mich neben ihn gesetzt und wir haben Briefchen geschrieben. Das war alles ganz nett. Sogar noch, als er mich geküsst hat. Doch dann ging es mir viel zu schnell. Er hat mich gefragt, ob ich mir in dieser Nacht die Couch mit ihm teilen würde. Daraufhin habe ich ihm geschrieben, dass ich erst fünfzehn sei. Er meinte, dass er das wisse. Als ich ihn fragte, ob er denn auch wisse, was das bedeute, meinte er nur 'Ja!'. Irgendwann sind Jasmin und André, sein Kumpel, in dessen Wohnung wir waren, im Schlafzimmer verschwunden. Eva war schon ein paar Stunden vorher abgehauen." Ich stand auf und ging zum Fenster. Dort sah ich auf die regennasse Straße hinunter. „Alex nahm mich in den Arm und wollte seine Hand unter mein T-Shirt schieben. Ich habe seine Hand weg geschoben. Doch ich war so betrunken, dass sich alles gedreht hat. Daher haben wir uns hingelegt. Alex hat mich dabei noch immer festgehalten und ich lag mit dem Rücken zu ihm. Im Schlafzimmer lief leise Musik, die wir aber dennoch mitbekamen. Von Queen >We are the champions< Das und, dass Alex' Hand wieder in meinen Klamotten fummelte, ist das letzte, woran ich mich noch richtig klar erinnern kann. Ich wollte seine Hand noch weg schieben, aber mein Körper hat mir nicht mehr gehorcht. Und dann liegt alles wie im Nebel, bis zum nächsten Morgen. Ich bin mit Unterleibschmerzen aufgewacht, in meiner Hose war ein langer Riss und Alex war ziemlich seltsam zu mir. Er hat mir Kaffee gebracht und an der Tasse war ein gelber Klebemerker, auf dem stand:'Spatz, Ich liebe Dich!' Ich bin aufgesprungen und habe es noch gerade eben eine Treppe tiefer zur Toilette geschafft, bevor ich in die Knie ging und der Sangria des vergangenen Abends wieder hoch kam. Zum Glück war Alex schon weg, als ich wieder hoch in die Wohnung kam. Nur diese Tasse war noch da. Und egal, wie lange ich sie anstarrte, sie blieb da, genau wie die Worte auf dem Klebemerker." Ich drehte mich um. Lars sah mich nicht an, doch sein Gesicht wirkte angespannt. „Warum hast du ihn nicht angezeigt?" fragte er dann. „Wer hätte mir denn geglaubt? Ich war das Mauerblümchen und er der Traumtyp.“ Mit diesen Worten wandte ich mich wieder zum Fenster. Nun stand Lars auf und stellte sich direkt hinter mich. „Mein armer Engel!" Zärtlich legte er die Hände auf meine Schultern. Ich sank gegen ihn und er umschlang mich fest. Einige Minuten blieben wir regungslos so stehen. „Es tut mir so leid, Engel!" flüsterte er. Ich drehte mich um. „Du kannst doch nichts daran ändern." Er schüttelte den Kopf. „Ich meine das gerade!" Lars nickte zur Couch. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. „Das wollte ich doch. Es war nicht deine Zärtlichkeit, die die Erinnerungen zurückgeholt haben, sondern dieses Lied. Ich hab er seit der Nacht nicht mehr gehört!" Lars ließ mich los und trat einen Schritt zurück. Hinter dem Fenster wurde es langsam dunkel. Ich ging zur Couch und sank in die Polster. Er setzte sich neben mich, allerdings, ohne mich zu berühren. Schweigend sahen wir uns in die Augen. Dann streckte Lars die Hand aus und strich mir sacht eine Strähne aus dem Gesicht, bevor er sich über mich beugte, um mich sanft zu küssen. "Willst du das hier wirklich?" wisperte er in mein Ohr, während er meinen Nacken massierte. Statt einer Antwort drängte ich mich näher an ihn. Er umschlang mich fester. „Du kennst jetzt den dunkelsten Punkt in meinem Leben. Jetzt bist du dran, erzähl mir von deiner Zeit an der Nadel." Sacht streichelte ich seine vernarbten Oberarme. „Viel gibt es da nicht zu erzählen. Ich war lange Zeit drauf, knapp elf Jahre um genau zu sein, hab alles mögliche gemacht, um an Geld zu kommen. Und so oft habe ich mir gewünscht, ich hätte genug Geld für den goldenen Schuss. Vor fast zehn Jahren habe ich erfahren, dass ich positiv bin. Da erst hab ich aufgehört. Schon seltsam, dass ich erst gelernt habe, mein Leben zu lieben, als ich im Begriff war, es zu verlieren." Mit diesen Worten stand er auf und ging um die Couch herum. Dort hob er sein T-Shirt vom Boden hinter der Lehne, wohin ich es geworfen hatte, auf und zog es sich wieder über. Dann streifte er sich die Kette ab, die er, nach eigener Aussage, schon seit einer Ewigkeit trug und legte sie mir um. „Dieser Traumfänger soll auf dich aufpassen, wenn ich nicht bei dir sein kann." flüsterte er, während ich über den dünnen gebogenen Silberdraht strich. Dann schob ich die Kette unter mein T-Shirt und zog Lars an mich. „Motek!" wisperte ich dabei. Schon oft hatte ich das zu ihm gesagt. Es war das hebräische Wort für Kumpel. Doch heute meinte ich damit zum ersten Mal die zweite Bedeutung. 'Schatz'. „War klar, dass du dir das gemerkt hast!" Ich lachte, denn Lars versuchte mir seit über zwei Monaten einige jiddische Worte beizubringen. Allerdings war außer Motek nur noch ein Trinkspruch hängen geblieben. 'Le chaim', was zu deutsch 'auf das Leben' bedeutete. Grade, als Lars mich wieder zu sich ziehen wollte, um mich zu küssen, klingelte es an der Tür. Er seufzte und stand auf. ich sah auf die leere Kaffeekanne. „Ich mache frischen Kaffee." meinte ich beim Aufstehen. Auf dem Weg in die Küche strich ich ihm nochmal über den Arm. Am besten richtest du auch noch schnell deine Haare, du siehst nämlich aus, als wären wir gerade aus dem Bett geklettert!" erwiderte er lächelnd. Nachdem ich die Kaffeemaschine befüllt und eingeschaltet hatte, zog ich das Band aus meinen langen Haaren, strich mir einige verirrte Strähnen aus dem Gesicht und band den Zopf neu. Da hörte ich auch schon Lars' Stimme. „Hi Axel! Hab ich meine Telefonrechnung nicht bezahlt, oder warum hast du nicht angerufen?" Axels Antwort verstand ich nicht, da ich mir kurz kaltes Wasser über die Handgelenke laufen ließ, um mich zu beruhigen. Lächelnd ging ich zurück ins Wohnzimmer. „Was sehe ich denn da, Lars? Jetzt sagt bitte nicht, dass ich störe!" Axel sah uns beide an, als er sich setzte. „Doch Axel, du störst. Aber aus einem anderen Grund, als du jetzt vielleicht denkst. Ich gebe ihr Nachhilfe!"
„Und wo drin, Kumpel? Nein, sage es mir besser nicht, denn sonst bin ich hinterher noch Mitwisser. Du erinnerst dich hoffentlich daran, wie jung Kyra ist?" Lars zuckte mit den Schultern. „Da sie mich auf diese Weise nicht interessiert, ist es doch egal. Oder?"
„Ich wollte dich eh nur an Samstag erinnern! Daher hau ich jetzt auch wieder ab. Und Lars, mach bitte nichts mit ihr, was ich nicht auch machen würde." Axel stand wieder auf. „Also, bis Samstag Abend dann, Lars. Und Kyra, wir sehen uns Sonntag früh am Info-Café." Kaum war Axel aus der Tür raus, sah ich Lars in die Augen. „So, du willst also nicht das von mir, was Axel denkt. Was willst du denn dann von mir?" Mit wenigen Schritten war er bei mir und zog mich in seinen Arm. „Wir beide wissen, was ich will. Und ich hoffe, das du das gleiche willst." keuchte er, bevor er mich drängend küsste. Dann setzte er sich auf die Couch und zog mich mit sich. Den Kopf an sei­ne Brust geschmiegt, saß ich nun auf seinem Schoß. Ganz sanft knabberte er an meinem Hals und schob dabei mein T-Shirt langsam, fast unmerklich, höher. Doch dann stoppte ich ihn. „Ich hol eben den Kaffee." Mit diesen Worten lief ich in die Küche. Lars kam mir hinter­her. „Engel, ich würde nie was machen, was du nicht willst!" Ich drehte mich um und lehnte nun gegen die Arbeitsplatte. Seine Hände lagen rechts und links von meiner Hüfte. So blieben wir einige Herz­schläge lang stehen. Dann hob er eine Hand und liebkoste mit zit­ternden Fingern mein Gesicht. Als er sich vorbeugte und mich sanft küsste, wurden meine Knie weich und ich sank gegen ihn. „Ich hab Angst, dass ich wieder verletzt werde."
„Ich werde dir schon noch irgendwie beweisen, dass du mir vertrau­en kannst."
„Ich vertraue dir mehr, als allen anderen Menschen, die ich kenne. Gib mir einfach noch etwas Zeit!"
„Alle Zeit der Welt!"
„Ich gehe jetzt besser. Sehen wir uns morgen?" Ich löste mich von Lars. „Gerne! Aber warte, ich bringe dich noch eben schnell zur Bahn." Zärtlich nahm er meine Hand, nachdem er die Tür hinter uns zugezogen hatte. Es regnete noch immer. An der Haltestelle dräng­ten wir uns dicht aneinander. „Eigentlich will ich dich gar nicht gehen lassen." flüsterte er in die Regentropfen in meinem Haar. „Ich wäre doch auch gerne noch geblieben." erwiderte ich. Lars umschlang mich noch fester. „Du weißt, dass das nicht möglich ist. Deine Mut­ter..." er brach ab. „Ich werde es möglich machen!" wisperte ich, fast wie zu mir selber. In dem Moment kam meine Bahn und Lars wurde einer Antwort enthoben. Unsere Blicke trafen sich noch einmal, als ich auf einen Sitzplatz direkt am Fenster rutschte. Erst, als sich die Bahn in Bewegung setzte, ging Lars wieder nach Hause. Am liebsten wäre ich an der nächsten Haltestelle wieder ausgestiegen, um zu ihm zurück zu gehen. Doch, da ich wusste, dass das nur Ärger mit meiner Mutter geben würde, tat ich es nicht, sondern überlegte mir, wie wir einmal eine Nacht miteinander verbringen konnten.

Zu Hause angekommen, hatte ich endlich eine Idee, die ich für fast brilliant hielt. Doch dafür würde ich jemanden einweihen müssen. Grade, als ich überlegte, wer für dieses Vorhaben am besten geeignet wäre und mir zudem meine Bitte nicht abschlagen würde klin­gelte das Telefon. „Hallo Engel! Ich wollte nur fragen, ob du auch gut zu Hause angekommen bist." hörte ich Lars' Stimme, nachdem ich mich gemeldet hatte. „Ja, bin ich. Aber ich wollte dich jetzt auch gerade anrufen, um dir genau das zu sagen." erwiderte ich leise, obwohl ich alleine in der Wohnung war. Wir flüsterten uns noch einige Minuten lang verliebte Worte zu, doch von meinem Plan erzählte ich ihm noch nichts. Das sollte eine Über­raschung sein. Nachdem wir aufgelegt hatten, sah ich auf die Uhr und beschloss, dass es noch nicht zu spät für ein weiteres Telefonat war, denn inzwischen war mir die passende Person eingefallen, die ich für mein Vorhaben einspannen konnte. „Hallo Manu! Sorry, dass ich dich so spät noch störe. Aber ich wollte dich fragen, ob du morgen etwas früher beim Arbeitskreis sein könntest. Ich müsste etwas Wichtiges mit dir besprechen, wofür ich gerne alleine mit dir wäre." Zwar war er verwundert, doch Manuel, der Leiter des Arbeitskreises für Verkehrs- und Städteplanung, sagte zu, eine halbe Stunde früher als es auf den Einladungen stand, am DGB-Haus zu sein, denn er wusste, dass ich nicht grundlos mit solch einer Bitte an ihn herangetreten war. Erleichtert legte ich auf und ging in mein Zimmer, wo ich die Musikanlage einschaltete und mich auf mein Bett fallen ließ, um von Lars zu träumen. Dabei hoffte ich, dass es ihm genauso ginge.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:17 pm

5. Kapitel Die erste Nacht

Vier Wochen lang bereitete ich mit Manuels Hilfe ein Wochenende mit Lars vor. Meine Mutter sollte glauben, dass ich mit dem Arbeits­kreis für Verkehrs- und Städteplanung zu einem Seminar gefahren wäre. Manu wunderte sich zwar etwas, warum ich ihr nicht einfach die Wahrheit, dass ich ein Wochenende bei meinem Freund sein woll­te, sagte. Ich erzählte ihm nur die halbe Wahrheit, Lars' Alter ver­schwieg ich ihm, obwohl ich schon zugab, dass mein Freund einige Jahre älter ist, als ich. Lars verriet ich nichts von meinem Plan, ob­schon es mir schwer fiel ihn nicht einzuweihen.

Endlich war das, von mir heiß ersehnte, Wochenende da. An diesem Freitag Nachmittag hatte ich mich besonders zurecht gemacht, ob­wohl ich sonst nicht viel Wert auf mein Äußeres legte. Ich stellte mei­nen Rucksack, wie fast immer, auf den Schuhschrank im Korridor. Lars drückte mich auf Armeslänge von sich weg, nachdem wir uns zur Begrüßung geküsst hatten. „Du siehst richtig gut aus. Woher kommt's?"
„Mir war danach, mich mal für dich hübsch zu machen. Gefällt's dir wirklich?" Lars strich mit dem Zeigefinger der rechten Hand über den tiefen Ausschnitt meines Samttops, dann ließ er sacht seine Zunge folgen. „Ich würde dir gerne zeigen, wie sehr es mir gefällt, wie du aussiehst." murmelte er, seine Lippen noch immer auf meiner Haut. Ich legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. „Dann tue es doch einfach!" Nur durch Lars' Lachen merkte ich, dass ich es laut ausgesprochen hatte. Er hielt inne und führte mich zur Couch. Dort setzte er sich hinter mich und fing vorsichtig an, mir den Nacken zu massieren. „Tut das gut!" schnurrte ich leise. „Du bist ja auch ganz verspannt!" erwiderte er, als er den Druck seiner Hände leicht erhöh­te. Langsam schob er die dünnen Träger meines Tops beiseite. „Ich hab dich die letzte Woche total vermisst. Tue mir das bitte nie wieder an, dass wir uns eine ganze Woche nicht sehen. Das stehe ich nicht noch mal durch."
„Da kann ich aber nicht wirklich was für. Ich habe halt auch noch an­dere Verpflichtungen."
„Und die sind dir wichtiger, als ich?" In Lars' Stimme konnte ich ein wenig Eifersucht wahrnehmen. „Du bist doch das Wichtigste in mei­nem Leben." flüsterte ich, während ich mich zu ihm umdrehte. Lars umfasste mein Gesicht. „Sowas will ich nicht hören. Du sollst dir selbst das Wichtigste sein!"
„Ohne dich, ist mein Leben sinnlos. Aber bitte, lass uns jetzt nicht davon reden. Jetzt möchte ich einfach nur den Moment genießen." Zwar konnte ich Lars ansehen, dass er damit nicht ganz einverstan­den war, doch er schwieg und massierte mir weiterhin den Nacken und die Schultern. Dabei streifte er mir die Träger des Tops immer weiter die Arme hinab. „Warte!" stoppte ich ihn nach einer Weile. Lars, der gerade mit der Massage innegehalten hatte, um meinen Nacken mit kleinen, zärtlichen Bissen zu bedecken, seufzte kurz, fast enttäuscht. Lächelnd löste ich mich von ihm. „Nur einen kurzen Mo­ment, Motek! Ich bin doch gleich wieder bei dir." Mit diesen Worten stand ich auf und ging zu dem, neben der Anlage stehenden, CD-Re­gal. Mit einem Griff hatte ich die gewünschte CD in der Hand, da Lars seine CDs immer geordnet aufbewahrte. Ich legte sie ein und drückte auf 'Play'. Sofort erklang das Lied, das ich ihm an seinem Geburtstag auf den Anrufbeantworter gesungen hatte: Boris Gardiner >I want to wake up with you<. „Engel, du bist verdammt gemein! Du weißt ge­nau, dass ich es gerne hätte, wenn du einmal länger bleiben könn­test." Schulter zuckend ging ich in den Flur zu meinem Rucksack. Dort holte ich eine kleine, eingepackte Schachtel raus. „Ich habe zwei Überraschungen für dich. Am besten, du packst erst diese hier aus. Die zweite gebe ich dir danach." Lars nahm das Päckchen ent­gegen und löste langsam die Schleife, obwohl ich ihm ansehen konn­te, dass er es vor Neugierde kaum aushielt. Nachdem er das Papier zerrissen hatte, kam eine Schachtel Kondome zum Vorschein. Lars sah mich verständnislos an. „Warum schenkst du mir die denn?" Sei­ne Stimme war belegt. „Warum wohl? Jetzt bekommst du auch noch Überraschung zwei: Ich schenke dir ein ganzes Wochenende mit mir. Und, da ich dieses Wochenende nicht nur kuscheln will, werden wir die Gummis sehr wahrscheinlich brauchen."
„Engel, du sollst doch nicht einfach von daheim wegbleiben. Das ver­größert deine Probleme mit dem Drachen doch nur."
„Der Drache denkt, dass ich ein langweiliges Seminar über die Vortei­le von Kreuzungen im Vergleich zu Kreisverkehren in Kalkar habe. Vor Sonntag Nachmittag um sechs erwartet sie mich nicht zurück." Lars schüttelte den Kopf. „Ich mag es auch nicht unbedingt,wenn du sie anlügst."
„Aber ohne diese Lüge geht es halt nicht. Oder soll ich den Drachen etwa in unsere Beziehung einweihen?"
„Natürlich nicht! Und bevor du fragst: Ich freue mich über dieses Wochenende. Nur wünsche ich mir manchmal, dass du ganz offiziell bei mir schlafen könntest. Und nicht ein Seminar erfinden müsstest, um mal ein ganzes Wochenende hier sein zu dürfen. Was passiert ei­gentlich, wenn das aufkippt?"
„Wird es nicht! Ich hab Manuel, meinen Arbeitskreisleiter einge­weiht."
„Wundert der sich nicht, dass du ein Seminar brauchst, um bei dei­nem Freund schlafen zu dürfen?"
„Nicht wirklich! Er hatte halt schon mehrmals das zweifelhafte Ver­gnügen, mit dem Drachen kommunizieren zu müssen. Das er bei sei­nem ersten Anruf bei mir, wo meine Mutter dran war, nicht sein poli­zeiliches Führungszeugnis faxen musste, bevor er mit mir sprechen durfte, war echt ein Wunder." Lars nickte. Ihm war es bei seinem ersten Gespräch mit meiner Mutter genauso ergangen. „Also, willst du mein Geschenk jetzt, oder muss ich auf einer Parkbank nächtigen?" fragte ich herausfordernd, nachdem ich mich an ihn ge­kuschelt hatte, er jedoch keine Anstalten machte, mich zu berühren. „Natürlich musst du das nicht. Aber ich kann mein Glück kaum fas­sen, dass du heute hier bleibst. Solange habe ich schon davon ge­träumt." flüsterte er, als er endlich mein Gesicht streichelte. Ganz langsam schob ich sein T-Shirt höher. Er schob meine Hände beiseite und zog es sich selber vom Körper. Ich beugte mich vor und küsste seinen Brustkorb. Lars vergrub eine Hand in meinen langen Haaren, während er mit der anderen meinen Rock hoch schob. Doch, als ich seinen Gürtel öffnen wollte, drückte er mich von sich und sprang auf. Verwirrt sah ich ihn an. „Was hast du?" Ohne mir zu antworten, legte er eine andere CD ein und blieb am Fenster stehen, während >Zu nah am Feuer< von Stefan Waggershausen und Alice erklang. Ich stand auf und trat zu ihm. „Was soll das? Grade wolltest du mich doch auch noch genauso sehr wie ich dich."
„Das mit uns, das darf einfach nicht sein. Die ganze Zeit über, war es wie ein Spiel. Ich konnte bei dir alles vergessen. Aber jetzt, jetzt wird es ernst und ich muss vernünftig sein. Ich liebe dich! Bitte denke jetzt nichts Falsches von mir. Aber gerade weil ich dich liebe, darf ich das nicht zulassen." Ich schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter. Doch Lars hatte das leise Schniefen gehört. „Bitte weine jetzt nicht."
„Dann küss mich wenigstens nochmal zum Abschied, denn wir wer­den uns nie wieder sehen, wenn ich jetzt gehe. Das würde mir ein­fach zu weh tun."
„Engel! Ich kann dich jetzt nicht küssen. Denn, wenn ich dich jetzt noch einmal küsse, werde ich die Beherrschung verlieren!" Lächelnd ging ich noch einen Schritt auf ihn zu und zog ihn in meinen Arm. „Das will ich doch!" wisperte ich, bevor ich mich an ihn schmiegte und mit meiner Zunge sacht über seine Lippen strich. Lars um­schlang mich und erwiderte den Kuss. Seine Hände glitten über mei­nen Körper. Als wir uns von einander lösten, lag mein Top am Bo­den. „Ich sagte doch, dass ich beim nächsten Kuss die Beherrschung verlieren würde."
„Und ich sagte, dass ich das will." Aneinander geschmiegt gingen wir zurück zur Couch. Dort zog er mich auf seinen Schoß. Seine Finger­spitzen fuhren über den Spitzenrand meines SatinBHs. „Meine Süße! Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich will?" Diesmal ließ er zu, dass ich seinen Gürtel und die Jeans öffnete. Er schob mich von seinem Schoß und zog die enge Hose aus. Ich griff hinter mich und öffnete meinen Rock. Dieser glitt zu Boden. Dann streifte ich meine Schuhe ab. Nur in Unterwäsche setzte ich mich wieder auf seinen Schoß. Sei­ne Hände legten sich auf meine Schultern. Von dort ließ er sie über meine Arme gleiten und schob dabei die BH-Träger bis zu meinen Ell­bogen. Nun fuhren seine Finger über meinen Rücken, bis zu den klei­nen Häkchen, die meinen BH geschlossen hielten. Mit wenigen Hand­griffen hatte er diese geöffnet und meinen BH zu Boden geworfen. „Lass uns in dein Schlafzimmer gehen. Dort haben wir es gemütli­cher." flüsterte ich in sein Ohr, rutschte von seinem Schoß und griff nach der Kondompackung, die Lars auf den Tisch geworfen hatte. Dieser folgte mir, als ich zur Schlafzimmertür ging. Dort ließen wir uns auf das Bett fallen. Die Matratze war weich und gab nach, als Lars sich auf mich rollte. Langsam und vorsichtig zog er mir den Slip aus. Zärtlich streichelte er mich, bis ich es vor Sehnsucht kaum noch aushalten konnten. „Mein Engel, mein wunderschöner Engel!" keuch­te er dabei. „Ich bin nicht schön. Dafür bin ich viel zu dick und..." Lars verschloss meinen Mund mit seinem. „Liebling, du bist schön. Jedenfalls in meinen Augen! Für mich bist du die schönste Frau der Welt, denn du bist meine Frau. Und das sollte dir doch genug sein." Wäh­rend er das sagte, löste er sich etwas von mir und beobachtete mei­nen Körper unter seinen streichelnden Händen. Ich wollte ihn wieder zu mir ziehen, doch er drückte mich zurück auf die Matratze. „Nicht, bitte! Lehne dich einfach zurück und genieße das hier. Ich will dich jetzt einfach etwas verwöhnen." Dabei streichelte er mich immer wei­ter. Ich schloss meine Augen und genoss seine Fingerspitzen, die ganz sacht über meinen Körper glitten. Endlich schob er sich wieder über mich und ich konnte seine Zärtlichkeit erwidern „Ich will dich so sehr, Motek!" keuchte ich dabei. Ohne eine Erwiderung griff er nach der Schachtel, streifte sich die Boxershorts von der Haut und rollte sich ein Gummi über. Sacht drang er in mich ein. Ganz langsam und vorsichtig bewegte er sich in mir. Ich klammerte mich an ihn und liebkoste seinen schmalen Rücken. Nach wenigen Minuten sank er zitternd über mir zusammen. So blieben wir noch einige Herzschläge lang liegen, bevor er sich von mir zurückzog. Kaum hatte er das Kon­dom entsorgt und sich die Boxershorts wieder angezogen, lag er auch schon wieder neben mir. „Hoffentlich bist du nicht enttäuscht von mir." flüsterte er, während er mein Gesicht streichelte. „Warum sollte ich denn enttäuscht sein?" wisperte ich, mit dem Kopf an seine Brust geschmiegt. „Naja, du weißt ja, wie lange das letzte Mal bei mir her ist und es war gerade so schnell vorbei." Lächelnd strich ich über seinen Brustkorb. „Du hattest mir ja schon gesagt, dass du seit der Diagnose keine Zärtlichkeit mehr zulassen wolltest. Aber ich bin nicht enttäuscht. Im Gegenteil, ich hätte nie gedacht, dass es so schön sein kann."
„Gut, denn ich will dich glücklich machen."
„Ich bin glücklich!" flüsterte ich, bevor ich ihn küsste. Lars zog die Decke über uns und ich kuschelte meinen Kopf an seine Schulter. Dabei strichen meine Haare über eine dreifingerbreite fast fünf Zenti­meter lange, wulstige Narbe. „Du hast mir nie erzählt, wie du zu die­ser Narbe gekommen bist. Die sieht ja fast so aus, als hätte da mal ein Messer gesteckt."
„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich hab mir von einem Kollegen einen Abszess aufschneiden lassen, weil ich nicht zum Arzt gehen wollte und dann hat sich das ganze noch schlimmer entzündet, weil das Messer nicht richtig sau­ber war. Das war so drei Monate, bevor ich aufgehört habe. Eigent­lich bin ich nur deswegen zum Arzt, weil es einfach nicht heilen woll­te. Zuerst war es mir ja egal, doch dann ließen sich die Schmerzen nicht mal mehr mit dem Gift betäuben. Mein Arzt meinte, er würde mich dann auch noch auf diese neue Immunschwächekrankheit testen lassen. Mir war es egal. Doch als dann ein paar Wochen später das Ergebnis kam, wollte ich um mein Leben kämpfen. Jedenfalls um den Rest, der noch da war." Ich richtete mich wieder etwas auf, um ihm in die Augen sehen zu können. Lars hielt sie jedoch geschlossen. Doch nun, wo ich den Körperkontakt unterbrochen hatte, öffnete er sie wieder und sah mich an. „Was ist Engel? Ekelst du dich jetzt vor mir?" Ich schüttelte den Kopf, bevor ich mich wieder an ihn schmiegte. „Natürlich nicht! Egal, was du früher getan hast, das interessiert mich nur, weil es ein Teil deines Lebens ist. Ansonsten liebe ich dich viel zu sehr, als dass ich dich verurteilen könnte." Lars lachte leise. „Du bist viel zu gut für diese Welt, mein kleiner Engel!" Ich wollte ihm widersprechen, doch Lars legte mir einen Finger auf die Lippen. „Bitte, lass uns jetzt nicht diskutieren. Dafür ist dieses Wochenende viel zu kostbar."
„Ich wollte doch auch gar nicht mit dir diskutieren. Lass uns einfach nur etwas kuscheln." Er zog mich in seinen Arm und streichelte mir über die Wirbelsäule. „Mir wäre es am liebsten, wenn dieses Wo­chenende niemals enden würde!" wisperte ich nach einigen Minuten des Schweigens. „Das wünsche ich mir doch auch, doch du weißt, dass das nicht möglich ist." erwiderte er, während er mich auf sich zog. „Und, da wir nur diese paar Tage haben, würde ich die Zeit ger­ne auskosten, die ich dich festhalten kann."
„Okay, dann lass mich einfach nicht mehr los!"
„Ich will dich nie wieder loslassen müssen, mein Liebling!" Er knab­berte sanft an meinem Hals. „Dann lass uns doch einfach so liegen bleiben!"
„Und wenn ich dir sage, dass ich schon wieder Lust auf dich habe?" Seine Hände glitten bei seinen Worten sanft über meine Haut. Leise lachte ich. „Da lebst du jahrelang total abstinent, hast keine Ambitio­nen etwas mit einer Frau anzufangen und dann, nachdem du ein ein­ziges Mal schwach geworden bist, kannst du einfach nicht mehr ge­nug bekommen."
„Das liegt an dir, Engel! In dem Moment, als ich dich das erste Mal sah, wurde mir bewusst, was mir in den letzten zehn Jahren gefehlt hat. Und nach unserem ersten Kuss an meinem Geburtstag, konnte ich nicht mehr zurück. Selbst, wenn ich gewollt hätte." Bei seinen Worten streichelte er mich verlangend. „Ich kann doch auch nicht genug von dir bekommen!" flüsterte ich lächelnd. Wir rollten uns auf die Seite und drängten uns dicht aneinander. Lars schloss die Augen, als ich meinen Kopf an seine Brust kuschelte. Seine Finger glitten über meinen Nacken. Zärtlich erkundete ich seinen Körper. Unter meinen Händen schien seine Haut zu glühen. Seine Lippen strichen über meine Brüste und meinen Bauch hinab. Als er die Innenseiten meiner Schenkel mit Küssen bedeckte, stöhnte ich leise. Diesmal lieb­ten wir uns leidenschaftlicher. Immer wieder flüsterte Lars mir heise­re Liebesschwüre ins Ohr. Ich drehte den Kopf zur Seite, damit er die Tränen nicht sah. Doch er umschloss mein Gesicht mit seinen Hän­den. „Was hast du, mein Engel? Hab ich dir weh getan?" Mit diesen Worten wollte er sich von mir zurückziehen. „Ich bin einfach nur glücklich! Nein, mehr als nur glücklich! Es ist wie... Wie nach Hause kommen!" wisperte ich unter Tränen, während ich ihn festhielt. In seinen Arm gekuschelt schlief ich einige Zeit später erschöpft ein.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:18 pm

Hinter dem Schlafzimmerfenster war es bereits hell, als ich am nächsten Morgen erwachte. Lars hatte sein Gesicht in das Kissen ge­drückt und sein Arm lag um meine Hüfte geschlungen. Ich löste mich aus dieser Umarmung und ging ins Badezimmer. Dort sah ich in den Spiegel. Abgesehen von einem Glänzen meiner Augen sah man mir die letzte Nacht nicht an. Nachdem ich mir mit kaltem Wasser das Gesicht gewaschen hatte, damit ich richtig wach wurde, zog ich ein T-Shirt aus meinem Rucksack, der noch immer im Flur stand, und streifte es mir, auf dem Weg in die Küche, über. Leise, um Lars nicht zu we­cken, kochte ich Kaffee. Aber, noch während ich darauf wartete, dass der Kaffee fertig wurde, kam er in die Küche. „Glaubst du etwa, dass du dich einfach aus meinem Arm stehlen kannst, ohne dass ich es bemerke?" flüsterte er, bevor er mich küsste. „Das wollte ich doch gar nicht! Ich dachte nur, dass du gerne einen Kaffee hättest." Lars drängte mich gegen die Arbeitsfläche. „Das Einzige, was ich will, ist dich in meinen Amen zu halten." raunte er mir ins Ohr, zog mir das T-Shirt aus und warf dieses zu Boden. Sein Atem war heiß an mei­nem Hals, wohin seine Lippen wanderten. Obwohl mir, genau wie ihm, eher nach kuscheln wäre, schob ich ihn etwas von mir und be­stand auf eine Tasse Kaffee. „Okay! Ich bringe den Kaffee gleich mit, setze du dich schon mal ins Wohnzimmer. Schließlich bist du ja mein Gast!" Lars hob das T-Shirt auf, drückte es mir in die Hand und schob mich aus der Küche, nachdem er mich flüchtig auf die Stirn geküsst hatte. „Eigentlich fühle ich mich hier mehr zu hause, als in meinem Zimmer." erwiderte ich. Er strich mir zärtlich über das Gesicht. „Am liebsten würde ich dir sagen, dass du dann doch einfach hier blieben kannst. Doch leider geht das ja nicht." Ich lächelte. „Schon okay! Ich muss mir noch was überlegen, wie ich öfter hier schlafen kann."

Wenig später saßen wir, mit Kaffeetassen in den Händen, auf der Couch. Indem ich die Tasse fest umklammert hielt, versuchte ich das Zittern zu verbergen, das langsam von mir Besitz ergriff. Doch Lars hatte es längst bemerkt, nahm mir die Tasse ab und zog mich in sei­nen Arm. „Was hast du, mein Engel?" Ich befreite mich aus der Um­armung und stand auf. „Kannst du dir das nicht denken? Ich habe seit gestern Nachmittag nichts mehr getrunken. Für dieses Wochen­ende wollte ich nüchtern sein. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das Zeug so sehr brauche!" Den letzten Satz flüsterte ich kraftlos. „Hast du denn für solch einen Fall nichts dabei?" Lars sah mich besorgt an. Ich schüttelte den Kopf. Er lächelte, stand auf und öffnete eine Schranktür. Dort nahm er eine Flasche, gefüllt mit hellbrauner, fast goldener Flüssigkeit und ein Glas heraus. Das Glas schüttete er etwa halb voll und reichte es mir. „Trink, dann geht es dir gleich besser." flüsterte er sanft, während er mir das Glas in die Hand drückte. Ich trank in einem Zug aus. Das Getränk war bitter und brannte in mei­ner Kehle. Ich schüttelte mich. „Was ist das? Das schmeckt ja grau­enhaft!"
„Ein Weinbrand. Ich habe ihn extra für dich geholt. Er ist ziemlich hochprozentig. Damit kannst du dich ganz gut runter dosieren, denn weil er nicht schmeckt, trinkst du nur soviel, wie du brauchst, um nicht zu zittern." Zärtlich nahm er mir das leere Glas aus der Hand und füllte es erneut. Diesmal trank ich langsamer. Und allmählich verebbte das Zittern. Ich lehnte mich an Lars, der mich sanft im Arm hielt. Schweigend saßen wir dicht bei einander. „Wie soll es bloß mit uns weitergehen?" flüsterte er irgendwann, fast wie zu sich selber. „Wie meinst du das? Es läuft doch fantastisch zwischen uns!" erwi­derte ich, während ich mich noch dichter an ihn kuschelte. „Ja, es ist wunderbar im Moment, doch ich denke gerade an die Zukunft. Lange kann das doch nicht mehr gut gehen!"
„Lass uns das hier und jetzt doch einfach genießen! Alles endet doch irgendwann einmal!" Er legte eine Hand unter mein Kinn und hob mein Gesicht, um mich zu küssen. „Engel, ich wollte mich nicht mehr auf jemanden einlassen, weil ich niemanden alleine zurücklassen will!"
„Ob so, oder anders, du wirst immer eine riesige Lücke hinterlassen. Und das nicht nur bei mir." flüsterte ich, wohl wissend, dass alle aus seinem zahlreichen Freundeskreis ihn vermissen würden. „Natürlich ist mir klar, dass ich euch allen fehlen werde. Aber die anderen, wer­den mich sehr schnell vergessen haben. Ich will doch niemanden verletzen, wenn ich gehe."
„Und du glaubst, dass du das verhindern kannst, indem du nieman­den an dich heran lässt?" Er schüttelte den Kopf. „Nein, doch ich hab einfach gehofft, dass meine Beerdigung eine Party wird, weil ihr euch für mich freut, dass das Leid ein Ende hat!" Mit diesen Worten stand er auf und brachte die Tassen und das Glas in die Küche. Seufzend sah ich ihm nach. Obwohl ich wusste, dass er bald sterben könnte, mochte ich es nicht, wenn Lars über seine Beerdigung, die er bereits geplant hatte, sprach, denn ich hatte Angst davor, einmal ohne ihn sein zu müssen. Verstohlen wischte ich mir eine Träne von der Wan­ge. Lars hatte dies von der Küchentür aus beobachtet. „Liebling, nicht weinen! Bitte Engel, du weißt doch, dass ich bald sterben könn­te. Du wusstest es von Anfang an!" Zärtlich hielt er mich im Arm, denn bei seinen Worten war er wieder zu mir gekommen. „Ich habe so große Angst, einmal ohne dich sein zu müssen. Was soll ich denn dann machen?" Zum ersten Mal sprach ich das aus, was ich seit dem Anfang unserer Freundschaft fühlte. „Le chaim, Engel! Genieße dein Leben!" war seine Antwort, die er in mein Haar flüsterte. Ich schloss die Augen. „Wie soll ich mein Leben genießen, wenn du nicht mehr Teil davon sein kannst?"
„Du weißt genau, dass ich fest daran glaube, dass ein Teil von mir hier bei dir bleiben wird. Versuche du doch bitte auch daran zu glau­ben."
„Selbst wenn ich daran glaube, wird es doch weh tun, nicht mehr al­les mit dir zu besprechen. Das brauche ich ganz einfach." flüsterte ich. Er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Bitte Engel, nicht! Mach dich doch nicht selber so fertig. Lass uns doch einfach die Zeit genießen, die wir noch haben!" Ich kuschelte mich dicht an ihn. „Dann halt mich bitte ganz fest und lass mich nie wieder los!" Sacht zog er mich mit sich, als er aufstand. „Lass uns wieder ins Bett gehen. Ich möchte dich noch etwas spüren." Wir gingen zurück ins Schlafzimmer. Auf dem Bett kuschelten wir uns dicht an einander. Dieses Mal waren meine Hände forscher. Lars zog mein Bein sanft über seine Hüfte und so waren wir uns noch näher. Meine Hände glitten über seine Haut, seine Lippen erforschten meinen Körper. Das T-Shirt, das ich trug, fiel zu Boden. „Mein Engel, ich brauche dich so sehr!" flüsterte er in mein Ohr, während seine Hände mich tief in die Matratze drückten. Ich klammerte mich an ihm fest, erwiderte die Küsse und schob seine Boxershorts hinunter. Lars keuchte, als ich ihn sacht streichelte.

Viel zu schnell verrannten die Stunden dieses Wochenendes. Sonntag Nachmittag saß ich in seinem Arm und genoss die letzten Augenbli­cke seiner Nähe, bevor ich gehen musste. Lars wickelte eine Strähne meines Haares um seinen Finger und betrachtete mich liebevoll. „Ich will dich gar nicht gehen lassen, Engel!" flüsterte er leise dabei. „Du weißt, dass ich gar nicht gehen will, doch was soll ich dem Drachen erzählen?"
„Gar nichts!" raunte er in mein Ohr und schob das T-Shirt höher. „Bitte hör nicht auf!" wimmerte ich, als er mich auf seinen Schoß zog. „Ich will auch nicht aufhören! Bleib einfach hier bei mir. Ganz nah!"
„Das würde ich doch gerne, aber sonst bist du immer der Vernünfti­ge, der verlangt, dass ich nach Hause fahre."
„Das war aber, bevor ich wusste, wie schön es ist, dich beim Ein­schlafen und aufwachen neben mir zu haben. Daher will ich jetzt nicht mehr vernünftig sein!"
„Müsstest du aber, sonst bin ich gleich total unvernünftig und rufe den Drachen an, um ihr zu sagen, dass ich heute Nacht nicht nach Hause komme. Nur müsste mir dann noch eine gute Ausrede einfal­len." Lächelnd zog er mich dichter an sich. „Ruf doch an und sage, dass du jemanden kennen gelernt hast, mit dem du die Nacht ver­bringen willst."
„Das wird der Drache mir auch gerade glauben! Besser gesagt, wird sie dann glauben, dass ich das ganze Wochenende bei einem Mann war, statt brav bei einem Seminar."
„Was ja auch stimmt!" Lachend nickte ich. „Aber das muss der Dra­che doch nicht wissen!" Nach einem letzten Kuss löste ich mich von ihm und zupfte meine Sachen zurecht. Seine grauen Augen beobach­teten mich dabei. Dann gingen wir langsam zur Bahnhaltestelle. Auf dem Weg dorthin unterhielten wir uns über meine baldige Abschluss­feier der Gesamtschule. Ich wollte Lars überreden, dass er auch kam. „Ich wäre ja schon gerne dabei, wenn deine Klasse den >Time war­pe< tanzt. Doch was sollen wir dem Drachen erzählen, wer ich bin?"
„Ein Bekannter von den JUSOS. Wir müssen ihr ja nicht auf die Nase binden, dass wir uns lieben."
„Man wird es uns ansehen. Außerdem wird sie mir den JUSO nicht glauben. Ich sehe zur Zeit echt alt aus."
„Quatsch! So schlimm ist es nicht. Außerdem muss ich euch doch nicht bekannt machen. Hauptsache, du bist dabei!"
„Mal sehen, wie ich mich in zwei Monaten fühle Engel, okay?" Ich nickte nur, wusste ich doch, dass sich sein Zustand jeden Tag ver­schlechtern konnte. Wir küssten uns noch einmal, dann hörte ich auch schon die Bahn anfahren.

Kaum hatte ich die Wohnungstür hinter mir geschlossen, fragte mei­ne Mutter auch schon, wie das Seminar war. „Chaotisch! Wir sind schließlich JUSOS. War aber ganz lustig, auch wenn es nicht viel ge­bracht hat." Sie lachte und ich ging auf mein Zimmer. Dort legte ich mich auf das Bett und träumte von den vergangenen Tagen in Lars' Armen.Obwohl unser letzter Kuss noch nicht mal eine Stunde her war, sehnte ich mich bereits wieder so sehr nach ihm, dass ich über­legte, ihn anzurufen. Da klopfte es an meine Tür und meine Mutter brachte mir das Telefon. „Lars!" meinte sie nur. Seine Stimme klang so unglaublich zärtlich, als er flüsterte, wie sehr er mich jetzt schon wieder vermissen würde. „Ich bin doch gerade erst aus deinem Bett geklettert! Doch ich muss gestehen, dass ich es ohne dich auch kaum mehr aushalte." Einige Minuten lang tauschten wir geflüsterte Zärtlichkeiten aus. Dann versprach ich ihm noch, dass wir uns am nächsten Tag sehen würden und wir legten auf. Als ich das Telefon weg brachte, sah meine Mutter mich erwartungsvoll an. „War dieser Lars auch mit auf dem Seminar, oder warum wusste er, wann du ge­nau zurück bist?"
„Er wollte eigentlich mitkommen, doch es ging ihm Freitag nicht so gut, daher war er auch nicht mit dabei. Jetzt wollte er halt wissen, ob wir was Wichtiges besprochen haben. Aber war ja nicht so. Doch jetzt muss ich den Text für die Abschlussfeier üben. Das Lied will ein­fach nicht hängen bleiben, so blöd ist es." Mit diesen Worten ver­schwand ich wieder in meinem Zimmer, wo ich weiter träumte.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:18 pm

6. Kapitel: Die Abschlussfeier

Ich verbrachte auch weiterhin fast meine gesamte Zeit bei Lars. Na­türlich bemerkte meine Mutter, dass etwas mit mir anders war. Aller­dings fragte sie mich nicht, zum Teil wohl auch, weil sie genau wuss­te, dass ich ihr nicht ehrlich antworten würde. Lars schien es immer besser zu gehen. Als der 2. Juni, der Tag der Abschlussfeier immer näher rückte, wurde ich nervös. Oft saß ich zitternd bei Lars, der im­mer größere Probleme hatte, mich zu beruhigen. Obwohl ich ihm ei­gentlich versprochen hatte, mit dem Alkohol kürzer zu treten, trank ich immer mehr. Oft sah er mich einfach nur besorgt an. Wenn ich alleine war, weinte ich viel, ohne einen genauen Grund zu kennen, denn eigentlich hatte ich mich auf den Tag gefreut, an dem ich das Schulgelände das letzte Mal betreten würde.

Endlich war der Nachmittag des fraglichen Tages da. Als ich den Bus gegen vier Uhr nahm, war ich froh, dass Lars bereits dort drinnen saß. Wir begrüßten uns nur flüchtig, während ich mich auf den Sitz neben ihn fallen ließ. Einige Schulkameraden saßen ebenfalls in dem Bus und wir fühlten uns beobachtet. Leise fragte er, wo der Drache sei.
„Sie will nachkommen. Dann haben wir wenigstens noch eine halbe Stunde oder so für uns."
„Meinst du, dass sie pünktlich kommt?" Ich zuckte mit den Schultern. „Mir egal! Von mir aus, kann sie sogar wegbleiben!" Zärtlich strich er mir über das Bein, wo es keiner sehen konnte. „Was machen wir nachher eigentlich, wenn das ganze Theater vorbei ist?"
„Ich habe meiner Mutter gesagt, dass ich vorhabe, mit meiner Klasse am See zu feiern. Ich wollte mit dem letzten Bus nach Hause fahren. Damit wir noch ein paar Stunden zusammen sein können." Er schüt­telte den Kopf. „Du weißt doch, was ich davon halte, wenn du den Drachen anlügst." Mir kamen Tränen, denn ich hatte gehofft, dass Lars sich freuen würde, wenn wir nach der Feier noch zusammen bleiben konnten. Als der Bus an der Haltestelle vor der Schule hielt, zog er mich in eine ruhige Seitenstraße. „Engel, was hast du?" Ich schniefte nur, statt einer Antwort. „Sei ehrlich, soll ich wieder fahren?" Ich schüttelte den Kopf. „Bitte nicht! Ich bin doch froh, dass du bei mir bist. Nur dachte ich, dass du dich freuen würdest, wenn wir endlich wieder mehr Zeit für einander haben."
„Ich freue mich doch auch! Nur habe ich einfach Angst, dass du großen Ärger mit dem Drachen bekommst, wenn deine ganzen Lü­gen meinetwegen auffliegen." Sanft küsste er mir die Tränenspuren von den Wangen. „Sie werden schon nicht aufkippen. Und wenn, ist es mir auch egal. Ich will einfach nur bei dir sein." Ich griff nach sei­ner Hand. „Na komm, ich zeige dir mal meine Schule. Nach dem heu­tigen Tag werde ich schließlich keinen Fuß mehr auf dieses Gelände setzen." Zärtlich drückte Lars mich noch einmal an sich, bevor wir einander losließen und nebeneinander das Schulgelände betraten.

Zwanzig Minuten lang führte ich ihn durch die Gänge. Interessiert las er die Aushänge über Schulaktivitäten, wie Wahlpflichtfächer und Ar­beitsgemeinschaften. „Ihr könnt ja ziemlich viel machen. Das musst du zugeben." Wortlos wies ich auf eine dreiseitige Liste, den Vertre­tungsplan von dieser Woche. Kopfschüttelnd las er, wie viele Stunden ersatzlos gestrichen wurden. „So ist es immer. Oder, wenn dann mal ein Vertretungslehrer kommt, hat der oft keine Ahnung von dem Fach, dass er geben soll. Wie zum Beispiel hier: Die 7b hat jetzt seit fast einem Jahr Französisch und hat diese Woche Vertretung durch Frau Rose. Die Schüler der 7b sprechen inzwischen schon um einiges besser Französisch, als die Lehrerin." Endlich verstand Lars auch, warum ich so oft dem Unterricht fernbleiben konnte, ohne das es aufgefallen war. „Hallo Karina! Jetzt hast du es ja endlich geschafft. Und wie geht es dir?" wir drehten uns bei diesen Worten um. Hinter uns stand einer meiner Lehrer. „Lars, das ist Herr Maier. Er war mein Lieblingslehrer, auch wenn er mich mit Mathe traktiert hat. Herr Mai­er, das ist Lars Brüggen, mein Mathenachhilfelehrer. Auch wenn es ja leider nicht viel gebracht hatte." Die beiden Männer reichten sich die Hände. „Du ich müsste mal kurz wohin." meinte Lars dann, nach ei­nem kurzen Blick auf die Uhr. „Direkt da vorne. Die Tür, unter der die Rauchschwaden durchkommen. Ich hole dann gleich meine Mut­ter ab. Treffen wir uns in der Mensa. Die ist im 1. Stock im blauen Bereich." Lars nickte und verschwand auf der Toilette. „Und, wer ist das wirklich?" mein Lehrer blickte mir direkt in die Augen. „Mein Nachhilfelehrer. Das sagte ich doch."
„Ich glaube dir nicht, dass das dein Nachhilfelehrer ist. Zumindest nicht für Mathematik." Ich schluckte, erstaunt darüber, dass meine Lüge so schnell entdeckt wurde. „Er gibt mir Nachhilfe. Aber in dem Fach 'Liebe dein Leben!' Doch woher wissen Sie das?"
„Ihr geht sehr vertraut miteinander um. Diese Vertrautheit baut sich eher selten zu einem Lehrer auf. Außerdem hast du solch eine Abnei­gung gegen Mathematik, dass ich es mir nicht vorstellen konnte, dass du ausgerechnet einen Nachhilfelehrer mitbringst. Und zu guter Letzt konnte ich deine Veränderung in den letzten Monaten gut be­obachten. Du bist fröhlicher geworden und selbstsicherer. Mach wei­ter so, dann hast du einen guten Start in deine Zukunft. Was hast du eigentlich jetzt vor?"
„Ich gehe auf die Gertrud-Bäumer-Berufsschule, um dort über einen Umweg mein Fachabi zu machen." Herr Maier nickte und wünschte mir nochmals alles Gute für meine Zukunft, bevor ich das Gebäude durch den Haupteingang verließ, um meine Mutter von der Bushalte­stelle abzuholen. Während ich wartete, rauchte ich nervös. Als meine Mutter endlich ankam, war ich bereits ein Nervenbündel. Sie bemerk­te es allerdings nicht und wir gingen gemeinsam in die festlich ge­schmückte Mensa, wo das Programm, das mein Jahrgang zusam­mengestellt hatte, stattfinden sollte. Lars stand in der Nähe der im­provisierten Bühne, so dass ich ihn sofort entdeckte, als ich mich um­sah. „Suchst du jemanden?" Meine Mutter blickte sich ebenfalls um. „Ja, ich hatte eine Freundin gefragt, ob sie auch kommen würde. Aber sie hat es anscheinend nicht geschafft."

Da ich die gesamten Auftritte, dank zahlreicher Proben, bereits kann­te, hörte ich nicht richtig zu. Erst, als die Klasse, die vor uns dran war, auf die Bühne ging, setzte ich mich gerade hin und lauschte auf die Textzeile, die für meine Klasse das Zeichen war, aufzustehen. Als diese endlich kam, stand ich auf und ging mit meinen Klassenkame­raden in Richtung Bühne. Dort stand Lars noch immer und ich ging so dicht an ihm vorbei, dass er meinen Arm streifen konnte. Dabei lä­chelte er mich an, zu einem stummen Glückwunsch. Am liebsten hät­te ich ein paar Worte mit ihm gewechselt, doch da meine Klasse be­reits auf die Bühne musste, ging dies nicht. Ich warf ihm noch einen Blick zu, als ich mich auf meinen Platz stellte. Er lächelte mir aufmun­ternd zu, dann begann der peinliche Auftritt. Wir hatten das Lied >Time warp< aus der >Rocky Horror Picture Show< mit Hilfe unse­res Musiklehrers um gedichtet, so dass es auf unseren Klassenlehrer und seine Stellvertreterin passen würde, doch ich fand den Text ein­fach nur peinlich. Nun, vor einem Publikum, wäre ich am liebsten von der Bühne geflohen. Immer wieder sah ich zu Lars, dessen Gesichts­züge im Dunklen verborgen waren, weswegen ich sie nicht richtig deuten konnte. Endlich waren die fast vier Minuten, die das Lied dau­erte, vorbei. Ich drängte mich dicht an Lars vorbei. „Komm gleich mit raus, ich will eine rauchen!" flüsterte ich ihm zu. Er nickte und ging langsam in Richtung Ausgang, während ich zu meinem Platz neben meiner Mutter zurückging, um meine Zigaretten zu holen und meiner Mutter zu sagen, dass ich rauchen ginge. Zum Glück hörte sie gerade zum wiederholten Male auf, so dass sie nicht mitkommen wollte. Au­ßerdem war sie in ein Gespräch mit einem ehemaligen Lehrer meiner großen Schwester vertieft. Daher huschte ich alleine aus dem Raum. Lars wartete unten an der Treppe auf mich. Alles war still, da die an­deren noch in der Mensa waren und das restliche Programm über sich ergehen ließen, daher konnten wir ungestört zu der Wiese ge­hen, an der sich die gesamten Raucher versammelt hatten. „Und, fandest du es genauso schlimm, wie ich?" meinte ich, als wir uns auf die kalten Steine gesetzt hatten. „Du hast Recht, es war ziemlich mies. Aber es war einfallsreicher, als >Another brick in the Wall< von >Pink Floyd<." Damit spielte Lars auf eine meiner Parallelklassen an, die in schöner Tradition eine sehr schlechte Version des Klassi­kers dar gebracht hatte. Daher nickte ich. Wie lange müssen wir denn noch bleiben? Ich wäre sehr gerne allein mit dir." flüsterte er, während er sich vorbeugte, um mich zu küssen. Leider hörte ich in diesem Moment Schritte, weswegen ich von ihm wegrutschte. „Oh, störe ich?" Carsten, einer meiner Klassenkameraden, mit dem ich mich eigentlich ganz gut verstand, kam den Weg hinunter und sah uns dabei an. „Warum solltest du denn stören? Ich wollte jetzt eh zu­rück." meinte ich schulterzuckend und zog einen Flachmann aus der Jeanstasche. Dieser war nur noch fast halb voll daher trank ich nur einen kleinen Schluck. „Hätte ja sein können." meinte er und sah zu Lars, der aufstand. „Wann werden wir denn entlassen? Als es uns erzählt wurde, hab ich nicht richtig zugehört." Carsten sah auf die Uhr. „Dauert wahrscheinlich noch eine Stunde. Warum, hast du etwa was Besseres vor?" wieder wanderte sein Blick zu Lars der jetzt langsam den Weg hoch ging. „Ja, ich hab später noch ein Date." Nun zündete Carsten sich eine Zigarette an. Ich verabschiedete mich von ihm und ging zu Lars. „Eine Stunde noch.! Wie wäre es, wenn wir uns in an­derthalb Stunden an der Bushaltestelle 'Unfallklinik' treffen. Da ist ein schmaler Weg, der zu dem Weg führt, wo die anderen feiern wollen. Wäre also glaubwürdig, wenn ich da aussteige." Lars nickte. „Ich hau dann jetzt am Besten auch gleich ab, bevor uns der Drache noch zu­sammen sieht und blöde Fragen stellt." Zwar wollte ich nicht, dass er ging, doch ich sah ein, dass es so wirklich besser wäre. „Gut! In anderthalb Stunden direkt an dem Weg zum See!" wisperte ich, bevor ich die Treppen hinauf lief. Lars wollte noch kurz warten, damit wir nicht ge­meinsam zurück kamen. Meine Mutter war noch immer in das Ge­spräch mit dem Lehrer vertieft. Ich holte mir eine Cola, in die ich noch einen Schluck aus meinem Flachmann kippte und setzte mich wieder neben sie.
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Eine unmögliche Liebe Empty Re: Eine unmögliche Liebe

Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:20 pm

Eine halbe Stunde später wurde mein Jahrgang aufgefordert, in die jeweiligen Klassenräume zu gehen. Da ich wusste, dass wir jetzt un­sere Zeugnisse bekommen und dann von unseren Klassenlehrern verabschiedet würden, war ich erleichtert, als ich mich an meinen al­ten Platz setzte. Carsten setzte sich neben mich. „Wo hast du denn deine Begleitung von vorhin gelassen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er zu deiner Familie gehört." Ich zuckte mit den Schultern. „Ge­hört er auch nicht. Er wollte nur Feuer von mir!" Da ich das Lügen im Bezug auf Lars gewöhnt war, fiel es mir auch jetzt nicht schwer. Carsten bekam auch keine Gelegenheit mehr zu fragen, denn unsere stellvertretende Klassenlehrerin sagte einige Worte des Abschieds zu uns, während unser Klassenlehrer die Zeugnisse verteilte. Ohne einen Blick darauf zu werfen, packte ich meines in den Rucksack, in dem nur noch eine Flasche Limo mit Korn gemischt war. Als wir end­lich gehen durften, hielt Carsten mit zurück. „Warum willst du denn nicht mit zum See kommen? Wir beide könnten uns doch einen net­ten Abend machen." Erstaunt sah ich ihn an. „Wie meinst du das?"
„Naja, wir könnten einfach mal Spaß zusammen haben. So wie in Ita­lien!" Mit Schrecken dachte ich an die Abschlussfahrt, die nur wenige Wochen nach der Vergewaltigung stattgefunden hatte und während der ich kaum einmal Ruhe vor Carsten hatte, der die gesamten zehn Tage versucht hatte, mit mir zu flirten. „Ich kann nicht! Schließlich habe ich gleich noch ein Date!"
„Dein Date kann doch mitkommen. Immerhin ist das die letzte Gele­genheit für uns, uns zu unterhalten." Seite an Seite hatten wir den Raum verlassen. „Und warum soll ich mit?"
„Naja, du gehörst doch auch zu unserer Klasse, auch wenn du dich sonst immer ausgeklinkt hast, wenn wir etwas zusammen unternom­men haben."
„Falsch, erstens wolltet ihr mich nicht dabei haben und zweitens, hast du gerade gesagt, dass wir beide dann Zeit hätten, uns zu un­terhalten!"
„Ja gut, ich würde mich gerne noch weiter mit dir unterhalten!"
„Worüber denn? Wir hatten doch nie viel miteinander zu besprechen!"
„Vielleicht hätte ich ja mal ganz gerne mit dir gesprochen, doch du hast jeden Gesprächsversuch im Keim erstickt!"
„Die ersten knapp anderthalb Jahre habe ich dauernd darauf gewar­tet, dass einer von euch mit mir spricht. Weil ihr aber nicht wolltet, war es mir irgendwann dann auch egal!"
„Ja gut, du bist halt anders gewesen als wir und daher wollten die meisten dich halt erstmal ausgrenzen. Die dachten halt, dass du dich schon anpassen würdest!"
„Ich bin immer noch anders als ihr, denn ich werde mich niemals an­passen! Stört dich das jetzt nicht mehr?" Wir standen vor der Tür zur Mensa und Carsten sah mir in die Augen. „Vielleicht bin ich inzwi­schen erwachsen genug, um mitzubekommen, dass anders sein manchmal ganz reizvoll sein kann." flüsterte er mit ernstem Gesichts­ausdruck. „So, du bist also inzwischen erwachsen! Junge, wir können uns ja so in zehn Jahren noch einmal unterhalten, wenn du wirklich erwachsen bist.!" Nur mit Mühe konnte ich einen Lachanfall unter­drücken. „Doch, da mein Date an der Unfallklinik auf mich warten wird, darfst du mich gerne dorthin begleiten, wenn du wirklich solch einen Gesprächsbedarf hast." Dann betrat ich die Mensa, um meine Jacke zu holen. Meine Mutter, die mal wieder, Dienstwoche hatte, schärfte mir noch einmal ein, dass ich auf ihrer Dienststelle anrufen sollte, sobald ich zu hause sei. Dann ging ich zusammen mit Carsten die Treppen hinunter und verließ das Schulgelände. „Sei ehrlich, der Typ von vorhin ist dein Date!" forderte er mich auf. „Und wenn es so wäre?"
„Ist er nicht zu alt für dich?"
„Er hat wenigstens genug Erfahrung, mich nicht mit Fragen zu lö­chern, die ich nicht beantworten will!"
„Habt ihr überhaupt etwas gemeinsam?"
„Wir treffen uns jedenfalls nicht zum 'Mensch ärger dich nicht' spie­len."
„Na, dass habe ich auch nicht gedacht! Was macht ihr denn so?"
„Was schon? Musik hören, quatschen und was man eben sonst so macht, wenn man zusammen ist." Langsam störten mich Carstens Fragen. „Wie habt ihr euch denn kennen gelernt?"
„Er stand einfach vor mir. Das war vor sechs Monaten. Doch ich habe das Gefühl, als hätte ich mein gesamtes Leben nur auf ihn gewartet." Zum ersten Mal, sprach ich es aus. Carsten schüttelte den Kopf, sag­te aber nichts. „Was ist denn heute los mit dir? Sonst interessierst du dich doch auch nicht für mich."
„Vielleicht wollte ich es vor den anderen nur nicht zeigen, dass ich mich für dich interessiere." Bei seinen Worten waren wir auf den dunklen Pfad, der zum See führte, getreten. Ich hörte ein leises Knir­schen und drehte mich in die Richtung des Geräusches. „Tja, da ist mein Date. Vielleicht treffen wir uns ja irgendwann mal wieder. Wenn nicht, schönes Leben noch!" verabschiedete ich mich von Carsten, als ich Lars erkannte und zu ihm in die Dunkelheit huschte. Lars zog mich noch weiter in den Schatten zwischen den Bäumen, bevor er mich küsste. Carstens Schritte verhallten auf dem Weg. „Was sollen wir jetzt machen? Der Bus, in dem meine Mutter sitzen müsste, ist bestimmt noch nicht weg. Obwohl es auch sein könnte, dass jemand sie mit nimmt." Lars lächelte. „Nehmen wir ein Taxi. Da vorne ist doch eine Telefonzelle." Ich stimmte ihm zu und wartete auf dem Pfad, während er die Taxizentrale anrief. „Das Taxi kommt sofort." flüsterte er, als er wieder bei mir stand. „Was war das eigentlich für ein anhänglicher Vogel, der dich gerade begleitet hat?"
„Ein ehemaliger Klassenkamerad, der mir gerade wirklich erklären wollte, dass er sich ja für mich interessiert. Vielleicht hat er gehofft, dass ich auf der Party am See, zu der ich ihn unbedingt überreden wollte, betrunken genug werde, um mit ihm im Bett zu landen."
„Wenn der wüsste!" erwiderte Lars, als das Taxi vor uns abbremste und wir auf die Rückbank rutschten.

Nach einer endlos scheinenden Taxifahrt, ließen wir uns an der Bahn­haltestelle in der Nähe von Lars Wohnung absetzen. Ich sah noch schnell auf den Fahrplan, um mir einzuprägen, wann ich nach Hause fahren musste. Kaum war die Wohnungstür hinter uns ins Schloss gefallen, zog Lars mich in seine Arme. „War das grauenhaft, dich die ganze Zeit in meiner Nähe zu haben, ohne dich berühren zu dürfen." flüsterte er dabei. „Ich fand es auch schrecklich."
„Wie viel Zeit bleibt und eigentlich noch, Engel?" Ich blickte auf die Uhr. „So knapp drei Stunden." Lars seufzte und zog mich mit sich auf die Couch. „Dann lass uns noch etwas kuscheln." Ich setzte mich auf seinen Schoß und kuschelte meinen Kopf an seine Brust. Zärtlich liebkoste er meinen Nacken. „Ich will dich spüren!" wisperte ich, als seine Hand unter mein T-Shirt glitt. Sanft schob er mich von sich. „Dann lass uns ins Bett gehen!" Wir gingen aneinander geschmiegt in das Schlafzimmer. Dort ließen wir uns unter wilden Küssen auf das Bett fallen. „Bleib bei mir heute Nacht!" flüsterte Lars in mein Ohr. Ich richtete mich auf. „Du magst es doch nicht,wenn ich den Drachen anlüge. Aber ich will auch hier bleiben, also rufe ich sie jetzt an." Lars sah mich an. „Und was willst du dem Drachen erzählen?"
„Ich würde ihr sagen, dass ich jemanden kennen gelernt habe, bei dem ich die Nacht verbringen will. Noch ginge es, weil der Drache zu Hause ist." Kurz grummelte mein Motek, doch er ließ mich los. „Okay, aber nur, weil ich es furchtbar finden würde, heute Nacht ohne dich einschlafen zu müssen." Ich küsste ihn noch einmal, stand auf und ging zum Telefon im Flur. Das Gespräch mit meiner Mutter dauerte nur wenige Minuten. „Es klappt! Zwar war sie nicht gerade begeistert, dass ich die Nacht bei einem Klassenkamerad verbringen will, doch da sie auf Carsten tippt, hat sie es erlaubt. Carsten ist die Nervensäge, die ich vorhin an Hals hatte." Lars zog mich wieder an sich. „Gut! Auch wenn es mir lieber wäre, wenn du die Nacht offiziell hier schlafen dürftest."
„Okay! Am besten kommst du dann morgen früh mit zu mir, dann lernst du den Drachen kennen. Vielleicht erlaubt sie ja unsere Bezie­hung!"
„Schon gut, Engel! Ich habe dich ja verstanden. Warum muss es nur so verdammt kompliziert sein?"
„Weil einfach einfach langweilig wäre!" erwiderte ich schläfrig. „Wie soll es eigentlich mit deinem Problem weitergehen?"
„Keine Ahnung! Beim Drachen kann ich nicht abkicken. Die macht mich sonst wahnsinnig. Am besten fahre ich eine Woche oder auch zwei weg. Zelten oder so. Vielleicht auch mit meinem neuen Freund, um das ganze glaubwürdiger zu gestalten. Aber ich brauche dich, um den Entzug durchzuhalten, denn ich will kalt abmachen."
„Klär es mit dem Drachen, dass du zwei Wochen hier bleiben darfst. Ich bin immer für dich da."
„Das weiß ich, aber da du mir ja schon einmal gesagt hast, dass du es besser finden würdest, wenn ich mich langsam runter dosiere, hatte ich angst, dass ich es alleine packen muss. Aber ich will als neuer Mensch am Berufskolleg anfangen." Lars zog mich auf sich. „Lass uns da später noch einmal drüber sprechen, auch wenn ich verstehen kann, dass du kalt abmachen willst." Zärtlich zog er mir das T-Shirt aus. „Engel, warum kannst du nicht immer bei mir sein?"
„Ich bin doch schon so viel wie möglich hier. Doch zum schlafen muss ich nach Hause. sonst bekommt der Drache schlechte Laune." Ich löste mich kurz von Lars und zog mich bis auf die Unterwäsche aus. Er beobachtete mich. „Die Laune des Drachen ist mir eigentlich egal. Du bist mir wichtig! Was du willst zählt!" Nun zog auch er sich aus.
„Du weißt, dass ich bei dir bleiben will, doch da ich noch andert­halb Jahre bei dem Drachen leben muss, muss ich sie auch bei Laune halten." Schweigend betrachtete er mich. Ich saß auf der Bettkante und blickte zum Fenster, hinter dem es nun vollkommen dunkel war. „Engel!" Lars hatte sich aufgesetzt und den Arm um meine Hüfte ge­schlungen. Einige Tränen rollten mir über die Wangen. „Was hast du denn?" Sanft zog er mich näher an sich. Zitternd sank ich gegen ihn. „Ich habe Angst davor, ohne Alkohol zu leben. Angst vor den Albträu­men, die dann wahrscheinlich kommen."
„Ich wünschte, dass ich dir etwas von dieser Angst nehmen könnte, doch ich kann nur für dich da sein." Er hielt mich fest im Arm. So rutschten wir wenig später unter die Bettdecke und schliefen rasch ein.

Der nächst Morgen dämmerte erst langsam, als ich wach wurde. Lars lag neben mir und beobachtete mich. „Morgen!" flüsterte er sanft. Ich murmelte ebenfalls einen Gruß und drängte mich dichter an ihn. Er liebkoste meinen Nacken und küsste mich zärtlich, bevor er sich auf mich rollte. Seine Hände streiften den Stoff meiner Unterwäsche beiseite. Ohne, dass wir mehr miteinander gesprochen hatten, lieb­ten wir uns.

„Motek, meinst du auch, dass wir nicht zusammen passen?" Wir sa­ßen im Wohnzimmer und tranken Kaffee, als ich das fragte, was mir seit meinem Gespräch mit Carsten durch den Kopf ging. „Die meisten Leute würden behaupten, dass ich dich ausnutze. So von wegen. Er sucht sich ein junges Mädchen, das nur wenig, oder gar keine Erfah­rung hat, um sie, wie soll ich es jetzt am besten ausdrücken?"
„Um sie in die Richtung zu drängen, die er bevorzugt. beendete ich seinen Satz für ihn. „Genau! Doch so ist es nicht, und das weißt du hoffentlich!"
„Ich schon! Aber wie muss es für andere aussehen, die uns zusam­men sehen?"
„Mein Engel, seit wann interessiert es dich, was andere Leute von unserer Beziehung halten? Du warst es doch, der es egal war, wenn andere Leute uns an der Bushaltestelle zusammen gesehen haben." Ich erzählte ihm von Carstens Worten. „Engel, du weißt, was ich für dich empfinde. Die meisten Leute könnten nicht verstehen, was zwi­schen uns ist. Das wir einander trotz des Altersunterschiedes so ähn­lich sind." Lars vermied immer, mir zu sagen, dass er mich liebte. Er spürte, dass ich es noch immer nicht ertragen konnte, es zu hören. „Motek, es ist so schwer, dass ich unsere Beziehung geheim halten muss. Jedes mal, wenn ich dir bei einer Sitzung begegne, muss ich mich zurückhalten, um dir nicht um den Hals zu fallen. Doch das fällt mir so schwer."
„Mir geht es doch nicht anders! Am liebsten würde ich meine Gefühle für dich laut heraus schreien, doch ich weiß, dass das extrem unver­nünftig wäre. Der Drache würde mich wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger anzeigen. Und stell dir doch mal Axel und die anderen bei ihrer Aussage vor Gericht vor. Sie müssten doch alle zugeben, dass ich dich in einem Moment kennen gelernt habe, wo es dir nicht gut ging. Da würde jeder gleich denken, dass ich die Situation aus­genutzt habe. Und manchmal denke ich, dass ich genau das getan habe. Ich habe dich, ein junges Mädchen, das zutiefst verletzt war, einfach verführt."
„Mit dem kleinen Unterschied, dass ich von dir verführt werden woll­te."
„Das würde keinen interessieren! Du wärst das Opfer und ich der Tä­ter, der deine Lage toll fand, weil es dadurch einfacher war, dich rumzukriegen!" Ich nickte, denn natürlich wusste ich, dass er Recht hatte. „Und was denkst du, ganz persönlich, von unserer Beziehung?"
„Ich ganz persönlich bin der Meinung,dass das zwischen uns das Schönste ist, das ich in meinem gesamten Leben erlebt habe." Mit diesen Worten stand er auf und zog mich mit sich. „Komm Engel, ich habe Lust mit dir zu tanzen!" Er schaltete den CD-Player ein und es lief das Lied, zu dem wir uns an seinem Geburtstag zum ersten Mal geküsst hatten. Nachdem die letzten Töne verklungen waren, dräng­te ich mich noch näher an ihn. „Du musst gleich los, Engel! Sonst denkt der Drache noch, dass du dich bei dem Typen, wie hieß er noch gleich, eingenistet hättest."
„Du meinst Carsten. Und ein bisschen Zeit bleibt mir noch. Oder glaubst du etwa, dass der Typ mich beim ersten Hahnenschrei aus seinem Bett wirft?"
„Wenn er das machen würde, wäre er ein Idiot. Und ich weiß, dass du nicht mit Idioten ins Bett gehst!"
„Ich gehe doch eh nur mit dir ins Bett. Oder mit Maxi. Und die zählt nicht, schließlich ist sie eine Katze, die fast jede Nacht in mein Bett kriecht." Lars biss mir zärtlich ins Ohrläppchen. „Ich hätte gerne, dass du jede Nacht in mein Bett kriechst. Dafür würde ich dir sogar eine Katze schenken."
„Damit ich jede Nacht hier bei dir bleibe, brauche ich keine Katze. Dafür brauche ich nur eins ." Lars sah mich erstaunt an. „Und das wäre?" Ich beugte mich vor, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. „Ja Engel, dessen kannst du dir sicher sein."

Wir blieben noch eine Stunde lang aneinander gekuschelt sitzen, dann stand ich auf. „So, jetzt muss ich langsam heim, denn die erste Liebesnacht sollte nicht zu lange dauern." Lars nickte und stand ebenfalls auf. „Ich bring dich zur Bahn, Engel!" er griff nach meiner Hand und wir gingen langsam zur Haltestelle. Dort setzten wir uns nebeneinander. „Was ist los, Engel?" Ich zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht! Es ist total ätzend, schon wieder von dir wegfahren zu müssen. Ich wäre gerne schon achtzehn und könnte bei dir bleiben."
„Ja, das wäre schon toll, doch es sind nur noch zwei Jahre!" Er sprach nicht aus, dass es sein könnte, und zwar mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, dass er dann nicht mehr lebte. „Ich werde direkt nach meinem Geburtstag zu dir ziehen, okay?" Lars nickte. „Wenn du dann noch bei mir wohnen willst."
„Warum sollte ich denn nicht wollen? Ich liebe dich doch!" Zum ers­ten Mal sagte ich es ihm.“Gefühle können sich ändern, Engel. Aber ich liebe dich auch." Sanft küsste er mich. Grade, als ich etwas erwi­dern wollte, hörte ich, wie die Bahn ankam. „Bis morgen!" wisperte ich und stieg ein.

Meine Mutter wollte mich mit Fragen löchern, bei wem ich die Nacht verbracht hatte, doch ich antwortete ihr nur ausweichend. Erst, als mir einfiel, dass ich ja den Typen, den ich angeblich kennen gelernt hatte als Alibi brauchte, um zwei Wochen bei Lars sein zu können, fing ich an, etwas zu erzählen. In dem Moment klingelte das Telefon. Da ich hoffte, dass es Lars sein würde, ging ich dran. Doch es war Carsten, der sich mit mir treffen wollte. Nachdem ich aufgelegt hatte, sah ich das Grinsen meiner Mutter. „Na, der hält es ja kaum eine Stunde ohne dich aus!" bemerkte sie, denn nun war sie überzeugt, dass ich die Nacht bei Carsten verbracht hatte. Das konnte mir nur Recht sein. Mit einem Nicken verschwand ich in meinem Zimmer, um mich um zuziehen.

Carsten wartete bereits, als ich anderthalb Stunden später die Kneipe betrat. „Schön, dass du Zeit hast. Wird dein Typ nicht eifersüchtig?"
„Warum sollte er? Ich habe nicht vor, was mit einem anderen anzu­fangen und das weiß er. Unsere Beziehung basiert auf gegenseitigem Vertrauen."
„Wie kannst du dir so sicher sein, dass er nicht doch eine andere ne­ben dir hat?"
„Ich weiß es eben! Einen Milchkaffee, bitte." das Letzte war an einen Kellner gerichtet, der an unseren Tisch getreten war. „Und woher willst du das wissen?"
„Carsten, du wirst indiskret! Aber okay, ich erzähle dir mal was über meine Beziehung zu Lars. So heißt er. Wir haben uns bei der Aidshil­fe kennen gelernt Ich war mit den JUSOS dort. Erinnerst du dich noch an die Biostunde, wo die junge Frau da war, die uns über die Gefahren von HIV aufklären sollte? Die kenne ich auch daher. Doch zurück zu Lars. Er saß mir bei diesem Treffen gegenüber. Das war Anfang Dezember. Seitdem treffen wir uns ständig. Irgendwann war es Liebe. Obwohl er es nicht gewollt hatte. Wegen dem Virus, der ihn jetzt schon seit zwanzig Jahren begleitet. Vor zehn Jahren hat er es erfahren. Danach hatte er nichts mehr mit Frauen. Bis ich kam." Carsten hatte mir schweigend zugehört. „Hast du etwa auch..." Er sprach es nicht aus. „HIV? Nein! Wir haben doch schließlich gelernt, wie wir uns schützen können." Ich trank einen Schluck Kaffee, nachdem ich das gesagt hatte. „Was sagt denn deine Mutter zu eurer Beziehung?"
„Sie weiß nichts von Lars. Also, sie kennt seine Stimme vom Telefon her. Er ruft ja ständig bei mir an, doch sie glaubt, dass er ein JUSO ist."
„Was würde sie denn sagen? Begeistert wäre sie doch bestimmt nicht."
„Da magst du Recht haben, sie wäre nicht begeistert. Wohl eher das absolute Gegenteil Doch das ist uns egal. Wir sind wichtig, unsere Gefühle für einander. Alles andere zählt nicht." Wieder schwieg er kurz. „Liebst du ihn wirklich, oder oder ist es eher das Bedürfnis, dass jemand da ist, der dich versteht. Für den du nicht bloß, ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, bist?" Nun schluckte ich. „Für den ich nicht bloß eine dumme Missgeburt bin? Oder Silkes kleine Schwester? Oder aber, was auch schon da war, Antjes Tochter? Son­dern jemand, der mich sieht, Karina?" Carsten nickte, meine Worte hatten ihn schockiert. „Zu Anfang tat es gut, dass er mich so gese­hen hat, wie ich bin, dass er mich auch gar nicht anders sehen woll­te. So kamen wir uns näher. Ich wollte ihn nicht lieben, doch dann ist es passiert. Er hat mich in den Arm genommen und geküsst. Es war, als musste es genau zu diesem Zeitpunkt sein. Jeder andere Moment wäre falsch gewesen. Zuerst wollte er nicht weitergehen, als bis zu diesem einen Kuss. Aber wir hatten diese Sehnsucht."
„Sehnsucht? Wonach und warum kann kein anderer diese Sehnsucht stillen?"
„Ich wollte keine Beziehung. Ich wollte auch keine Nähe. Am liebsten hätte ich mich irgendwo verkrochen. Doch durch Lars wurde alles an­ders."
„Versuche es mir doch bitte einfach mal zu erklären."
„Du warst anscheinend noch nie so richtig verliebt! Es ist, als würde man ersticken, wenn der andere nicht bei einem ist. Wie eine Sucht! Wenn er nicht bei mir ist, bin ich deprimiert und nur, wenn ich in sei­nen Armen bin,ist es als lebe ich richtig. Sonst ist es eher ein Däm­merzustand." Ich sprach langsam, musste ständig nach den richtigen Worten suchen. „Aber was gibt er dir, was dir kein anderer geben kann?"
„Lars gibt mir das Gefühl, wichtig zu sein. Er muss mich nur ansehen, dann weiß ich, dass ich auch wertvoll bin. Vorher habe ich mich so oft wie der letzte Dreck gefühlt. Seit ich Lars kenne, ist es anders. Er gibt mir das Selbstwertgefühl, das ich brauche und noch so vieles mehr!" Carsten streckte den Arm aus und berührte mich sacht an der Hand, die ich gerade nach meiner Zigarettenschachtel ausgestreckt hatte. „Kannst du dir nicht vorstellen, dass ein anderer Mann dir ge­nau das gleiche geben kann? Jemand, der eher in deinem Alter ist."
„Ich will nur Lars! Und, wenn wir zusammen sind, ist das Alter rela­tiv."
„Wie alt ist er eigentlich?"
„Das geht dich zwar nichts an, aber Lars ist einundvierzig."
„Er ist also alt genug, dass er dein Vater sein könnte!" rief Carsten erstaunt. „Na und?" Ich zuckte nur mit den Schultern und zog meine Hand weg, die Carsten noch immer festhielt. „Kommst du dir nicht ein bisschen komisch vor?" Ich schüttelte den Kopf „Wieso sollte es?Wir haben so viele gemeinsame Interessen, dass es gar nicht auffällt, wie alt er ist."
„Und wie hat er sich infiziert?"
„An einer Nadel. Lars war lange Jahre drauf!"
„Du bist mit einem Junkie zusammen? Hätte ich nicht gedacht, dass du dich mal für so einen Typen interessieren könntest!"
„Lars ist seit fast zehn Jahren clean. Er verabscheut das Gift inzwi­schen sogar!"
„Bist du dir da wirklich sicher? Nicht, dass er dich anfixt!"
„Erstens höre ich, wie er über seine Zeit an der Nadel spricht, dass es so oft wie die Hölle war und zweitens, wir stehen uns so nah, dass mir frische Einstichstellen auffallen würden." fauchte ich, da ich Lars verteidigen wollte. „Sorry, doch ich mache mir Sorgen um dich. Nicht, dass du abstürzt!"
„Werde ich schon nicht! Außerdem kann ich sehr gut auf mich selber aufpassen! Das hab ich auf der Gesamtschule gelernt!"
„Okay, die Schulzeit war wahrscheinlich ziemlich schlimm für dich, doch warum ein Mann, der soviel älter ist als du? Oder nimmst du das in Kauf für das Gefühl der Nähe, das du gerade beschrieben hast?"
„Ich nehme nichts in Kauf, Carsten!Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich frei, das zu tun, was ich will! Lars macht alles, was mir gut tut!" Carsten schüttelte den Kopf. „Ich weiß noch, dass du immer sehr zurückhaltend warst, keinen an dich ran lassen wolltest. Wie kann es jetzt sein, dass du dich jetzt den Wünschen eines Mannes hingibst, der mit Sicherheit andere Dinge will, als du?" Ich trank den Rest Kaffee und zündete mir eine Zigarette an, bevor ich antwortete. „Carsten, hörst du mir nicht zu? Alles, was zwischen Lars und mir passiert, sind Dinge, die ich zu tun bereit bin."
„Bist du dir sicher, dass er nicht versucht, dich zu manipulieren?"
„Wenn du so weitermachst, gehe ich gleich wieder!"
„Ich wollte dich jetzt nicht wütend machen, nur denk bitte mal scharf nach. Hattest du vorher schon Erfahrung?" Ich nickte und dachte an Alex, den Mann, der mich ein Jahr zuvor vergewaltigt hatte. „Ja! In den Sommerferien bevor wir nach Italien gefahren sind. Daher war ich da auch so seltsam. Weil es nicht gerade gut geworden ist. Lars habe ich davon erzählt und nur gesagt, dass das zwischen uns schö­ner sein soll."
„Hast du deswegen in Italien soviel getrunken?"
„Ja, ich wollte den Typen einfach nur vergessen."
„Kennen deine Freundinnen Lars?"
„Das hat sich bisher noch nicht ergeben." Kurz überlegte ich, wie Antje und Nina wohl reagieren würden, wenn sie Lars kennen lern­ten. In deren spießigen Weltanschauung war bestimmt kein Platz für einen Mann wie Lars. Wahrscheinlich würden die beiden mir sogar Vorträge halten, deren Inhalt meine psychische Labilität wäre. „Kennt irgendjemand, der dir nahe steht diesen Mann?"
„Klar, die JUSOS vom Arbeitskreis Drogenpolitik. Doch die wissen nicht, dass wir zusammen sind. Muss meiner Meinung nach auch gar nicht sein."
„Angst vor den Reaktionen?" Carsten nahm seine Brille ab und be­trachtete mich interessiert. „Eher Angst, dass jemand auf die Idee kommen könnte, dass Lars mich zu irgendetwas zwingt. Keiner wür­de verstehen, dass ich freiwillig mit ihm zusammen bin." Wieder griff Carsten nach meiner Hand und wieder riss ich mich los. „Was hast du eigentlich gegen Berührungen?"
„Lars ist der einzigste, dem es zusteht, mich an zufassen. Von ande­ren Menschen mag ich es eben nicht. Ist doch kein Verbrechen, oder?"
„Natürlich nicht, doch du reagierst, als würde ich sonst was versu­chen, wenn ich nur deine Hand nehme." Ich hielt die Kaffeetasse jetzt in beiden Händen. „Na und? Du sagtest doch gerade selber, dass ich immer schon sehr zurückhaltend war. Ich mochte noch nie Berührungen. Und letztes Jahr, nach meinem ersten Mal hat sich das nur noch verschlimmert. Ich fühlte mich von dem Typ halt ausge­nutzt."
„Willst du darüber sprechen?" Ich überlegte kurz und nickte dann. Zwar würde ich Carsten nicht die ganze Wahrheit sagen, doch damit er mich verstehen konnte,würde ich ihm etwas erzählen müssen. „Der Typ war der Schwarm aller Mädchen aus meiner Clique. Mir hat er auch sofort gefallen. Dann haben wir zu fünft einen Video-Abend veranstaltet. Irgendwann hat Alex, so heißt der Typ, mich angebag­gert. Und, weil ich halt auf ihn stand und schon recht betrunken war, bin ich drauf eingegangen. Als wir beide alleine in Wohnzimmer wa­ren, weil das andere Pärchen im Schlafzimmer verschwunden ist und die andere, die noch dabei war, nach Hause gegangen ist, ist es halt passiert. Ich war total betrunken, daher war ich nicht mehr richtig zurechnungsfähig."
„Und danach?"
„Wie meinst du das:danach? Meine Panik, schwanger zu sein, weil wir nicht verhütet haben? Oder, dass ich nie wieder von ihm gehört habe, obwohl er doch tatsächlich behauptet hat, mich zu lieben?"
„Okay,nach der Sache kann ich verstehen, dass du dich danach noch mehr zurückgezogen hast."
„Wow! Du bist der erste, nach Lars natürlich, der mich versteht. Eine Bekannte hat gesagt, dass ich doch selber schuld bin, wenn ich auf das Gequatsche eines Kerls rein falle. Natürlich hatte sie irgendwie Recht. Aber ich hätte mir nach der Sache schon etwas mehr Zu­spruch gewünscht."
„Du Ärmste!" Carsten war aufgestanden und wollte um den Tisch herum gehen, zu mir. Doch ich bremste ihn ab. „Wage es nicht, mich anzufassen!" Er setzte sich wieder hin. „Schon gut!"
„Sorry! Am bes­ten gehe ich jetzt auch. Ich muss eh zu Lars!" Ich wollte mein Porte­monnaie aus der Handtasche nehmen, doch Carsten hielt mich zu­rück. „Ich lade dich ein! Treffen wir uns mal wieder?"
„Vielleicht, wenn es meine Zeit erlaubt? Und danke für die Einladung!" Wir gaben uns kurz die Hand und ich lief zu der Halte­stelle der U-Bahn.

Meine Mutter schlief bereits, als ich nach Hause kam. Ich nahm das Telefon mit in mein Zimmer, um Lars anzurufen. Natürlich erzählte ich ihm auch von meinem Treffen mit Carsten. Er lachte, während ich ihm erzählte, dass Carsten erneut versucht hatte, mich anzumachen. Dann versprach ich ihm, noch an diesem Abend mit meiner Mutter zu sprechen,um ihre Erlaubnis für zwei Wochen Urlaub mit meinem Freund einzuholen. Nachdem wir einander nochmals unsere Liebe versichert hatten, legten wir auf. Danach hörte ich noch Musik und wartete ungeduldig auf den Abend, um mit meiner Mutter sprechen zu können.
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Eine unmögliche Liebe Empty Re: Eine unmögliche Liebe

Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:22 pm

7. Kapitel: Der Entzug

Zuerst war meine Mutter dagegen, , dass ich mit meinem Freund zwei Wochen lang wegfahren wollte. Doch dann versprach ich ihr, dass sie ihn danach kennen lernen würde. Zwar wäre es ihr lieber gewesen, wenn sie ihn noch vor dem Urlaub kennen gelernt hätte, aber dann gab sie doch nach. Außerdem hatte ich ihr versprochen, dass ich nichts anstellen würde. Kaum war sie an diesem Abend zur Arbeit gegangen, rief ich Lars an, damit er die gute Nachricht sofort erfuhr. Er wirkte erleichtert, dass meine Mutter es erlaubt hatte. Zärtlich verabschiedeten wir uns von einander, bevor wir nach einem knapp drei minütigen Gespräch wieder auflegten. Dann ging ich ins Bett, wo ich noch eine ganze Weile mit geschlossenen Augen lag und an Lars dachte. Zwar freute ich mich darauf, zwei Wochen lang bei ihm sein zu können, doch meine Angst vor einem alkoholfreien Leben wuchs.

Drei Wochen dauerten die Vorbereitungen, die meine Mutter glauben lassen sollten, dass ich mit Carsten, der noch einige Male angerufen hatte, auf einen kleinen Zeltplatz nahe der Grenze fahren wollte. We­nige Tage, bevor es losgehen sollte, weihte ich Carsten ein, dass er mein Alibi sein würde. Er war nicht sehr glücklich darüber, doch er verstand, warum es sein musste. Auch wenn er nicht wusste, dass ich bei Lars einen Alkoholentzug machen wollte.

Dann kam die vierte Ferienwoche. Montag morgen, früh um acht Uhr, schulterte ich eine Tasche, in die ich alles für die nächsten zwei Wochen eingepackt hatte. Ich verabschiedete mich von meiner Mut­ter, die mich bis zur Bahnhaltestelle gebracht hatte. Zu diesem Zeit­punkt zitterten meine Hände bereits ein wenig, denn den letzten Al­kohol hatte ich bereits am Abend zuvor getrunken. Noch immer hatte ich große angst vor dem Entzug. Lars hatte zwar versucht, mich zu beruhigen, doch da ich bemerkte, dass es mir morgens vor dem ers­ten Schluck immer schlechter ging, konnte ich mir gut vorstellen, wie schwer die nächsten tage werden würden. Daher war ich auch froh, dass ich es nicht alleine durchstehen musste.

Lars wartete an der Haltestelle auf mich und nahm mir die Tasche ab kaum, dass ich ausgestiegen war. „Hallo Engel!" flüsterte er dabei. Ohne etwas zu erwidern, strich ich ihm über den Arm. Langsam gin­gen wir nebeneinander her. Erst in seiner Wohnung zog er mich an sich. So blieben wir einige Zeit stehen. Dann löste ich mich von ihm und sah in seine grauen Augen, bevor ich mich auf die Couch fallen ließ und die Augen schloss, um die leichten Entzugserscheinungen zu ignorieren. Lars setzte sich neben mich und zog meinen Kopf an sei­ne Brust. „Liebes, brauchst du was?" Ich schüttelte den Kopf. „Ich will nichts gegen den Entzug. Es bleibt dabei, dass ich kalt abmache."
„So meinte ich das auch nicht! Es ging eher darum, ob du Kaffee oder Tee trinken willst." Wieder schüttelte ich den Kopf. Denn ob­wohl meine Hände leicht zitterten, fühlte ich mich noch ganz gut. Das sagte ich ihm auch. „Ich hoffe für dich, dass es nicht so schlimm wird. Da du erst seit einem Jahr trinkst, könntest du Glück haben, dass der körperliche Entzug nur wenige Tage dauern wird. Allerdings kann ich dir jetzt schon sagen, dass der psychische Entzug viel länger als diese zwei Wochen dauert." Damit hatte ich bereits gerechnet, daher nickte ich nur. „Willst du etwas schlafen?" fragte er besorgt. Statt einer Antwort drängte ich mich näher an ihn. Sanft streichelte er mein Gesicht. „Lass uns etwas kuscheln, solange ich noch fit bin." flüsterte ich beim Aufstehen. Lars stand ebenfalls auf und wir gingen ins Schlafzimmer. Langsam streifte er mir die Kleidung vom Körper, bevor er sich selber auszog. Wir kuschelten uns aneinander und ganz sacht streichelte er mich. Ich schloss die Augen und rollte mich auf ihn. Seine Hände lagen auf meiner Hüfte. Sehr zärtlich liebten wir uns.

Eine Stunde später wachte ich schweißgebadet auf und zitterte am ganzen Körper. Lars strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich bin sofort wieder da, ich hole dir nur eben schnell etwas zu trinken. flüsterte er dann. Als er nur wenige Augenblicke später mit einer Fla­sche Mineralwasser zurück kam, hatte ich nicht einmal mehr genug Kraft, um mich aufzusetzen. Lars half mir hoch und stützte mich mit einem Arm, während er mir ein Glas, das er ebenfalls mitgebracht und nun gefüllt hatte, an die Lippen hielt. Ich trank nur wenige Schlucke.. Dann stellte Lars die Falsche neben das Bett und das Glas auf den Nachttisch. „Nachher muss ich raus, um den Drachen anzu­rufen. Schließlich muss ich ihr sagen, dass wir gut auf dem Zeltplatz angekommen sind. Und das kann ich nicht von deiner Wohnung aus machen." Lächelnd streichelte ich sein Gesicht. „Wir gehen später etwas spazieren. Hinten am Park ist eine Telefonzelle, von der aus du anrufen kannst. Dort ist es auch etwas ruhiger." Ich versuchte aufzustehen, strauchelte aber, als ich mich hinstellte. Lars hielt mich fest. „Bleib doch liegen, Engel!"
„Ich muss zur Toilette." Er nickte und half mir in sein kleines Bade­zimmer. „Wie wäre es mit einem heißen Kräuterbad? Das entspannt und hilft gegen diesen kalten Schweiß." fragte er, als ich mich gegen das Waschbecken lehnte, um mir die Hände zu waschen. Ich war einverstanden. Lars füllte die Wanne und holte einen Badezusatz aus dem Schrank. als er ein bisschen davon in das Wasser gekippt hatte, half er mir hinein. Er selber setzte sich auf den Wannenrand und be­obachtete mich, wie ich mich unter den Schaum sinken ließ. „Du hast Recht, das tut richtig gut!"
„Brauchst du noch irgendetwas?" Lars wollte aufstehen, doch ich streckte die Hand aus, als wollte ich ihn festhalten. „Ja, dich!" Er lachte und setzte sich bequemer hin. „Ich bin doch hier bei dir. Und keine Sorge, ich werde auch nicht weggehen." Zärtlich küsste er mich auf die Stirn. Seufzend schloss ich die Augen. „So sollte es blei­ben. Jetzt geht es mir sogar ziemlich gut!"
„Gut! Ich mache mir eben eine Tasse Kaffee. Möchtest du auch was?"
„Nur, dass du schnell wieder bei mir bist!" Wenige Minuten später kam Lars wieder und setzte sich erneut auf den Rand der Badewan­ne. Er hielt eine dampfende Tasse in den Händen. „Wie wäre es, wenn du zu mir ins Wasser kommst? flüsterte ich. „Vielleicht in ein paar Tagen, wenn du wieder richtig fit bist. Jetzt muss erst das gan­ze Gift aus deinem Körper." Unter großer Anstrengung richtete ich mich auf. „Dafür bin ich immer fit genug!" murmelte ich dabei, ließ mich aber ganz schnell zurück sinken. Noch knapp zwanzig Minuten blieb ich im Wasser liegen, bevor es langsam kälter wurde. Diesmal schaffte ich es sogar alleine aufzustehen. Erst als ich auf den Fliesen stand und anfing, mich abzutrocknen, strauchelte ich kurz, konnte mich allerdings im letzten Moment noch am Waschbecken festhalten. Lars stützte mich, brachte mich ins Wohnzimmer und drückte mich auf die Couch. „Bleib einfach hier sitzen. Ich hole dir eben Anziesa­chen." Mit diesen Worten verschwand er im Schlafzimmer, wohin er die Tasche gebracht hatte. Wenig später kam er mit Unterwäsche und einem T-Shirt wieder. Noch immer war mir ziemlich schwindelig, als ich aufstand, um mich anzuziehen. Obwohl ich nicht umfiel, war ich froh, mich wieder hinsetzen zu können. „Willst du was essen? Wenn der Entzug richtig losgeht, in ein bis zwei Tagen, wirst du erst mal nichts runter bekommen."
„Ich hab keinen großen Hunger. Aber seit ich trinke, esse ich eh we­niger."
„Pudding oder sowas? Oder willst du was vernünftiges?"
„Wenn, dann schon was Vernünftiges! Lass uns zur Pommesbude um die Ecke gehen." Lars schüttelte den Kopf. „Du bleibst besser hier. Ich hole uns schon was."
„Ich komme mit! Dann kann ich auch gleich mit dem Drachen reden, dass wir gut angekommen sind. Weiß nicht genau wo, wir zelten mit­ten auf 'nem Acker."
„Na gut!" Er half mir hoch und ich holte mir noch eine Hose aus der Tasche. „So, dann können wir jetzt los." Ich zupfte noch an meinen Haaren, die ich mir wenige Tage vorher kurz geschnitten hatte und hakte mich bei Lars unter. „Engel, ich hoffe, dass du mir nicht um­kippst!"
„Quatsch! Es geht mir gut, noch!" Langsam gingen wir die Treppen hinunter. Vor der Tür legte Lars den Arm um meine Schultern, um mich so besser festhalten zu können. Ohne Probleme schafften wir es bis zu der Telefonzelle. „Geh du doch schon mal was zu essen ho­len, während ich telefoniere." Zu der Pommesbude nickend öffnete ich die Tür. Zwar sah Lars mich zweifelnd an, doch dann ging er über die Straße und verschwand in dem Imbiss. Seufzend wählte ich und sprach einige Minuten mit meiner Mutter. Nachdem ich sie vorge­warnt hatte, dass ich nirgends Postkarten finden würde, sie also kei­ne Karte bekäme, legte ich auf und ging zu Lars, der bereits auf mich wartete. „Das ging aber schnell! Hast du auch wenigstens was Ver­nünftiges geholt?"
„Klar! Ein paar Salate, Pommes, was an Fleisch.Also alles, was zu ei­nem richtigen Essen gehört." Wieder nahm er mich in den Arm. „Was hast du denn dem Drachen erzählt?"
„Sei nicht so neugierig! Nicht viel, gut angekommen,Zeltplatz mitten im Wald, Postkarten gibt es nicht, aber vielleicht rufe ich in den nächsten Tagen noch mal an. Alles, was meine Mutter erwartet hat." Lars nickte zufrieden. „Dann lass uns nach Hause gehen. Du musst dich erholen!"
„Du tust ja fast so, als könnte ich jeden Moment umkippen."
„Könnte bei einem kalten Entzug auch gut möglich sein. Je nachdem, wie sehr du das Zeug schon brauchst. Auf dich könnte ein neurolepti­scher Anfall, Kreislaufprobleme und im schlimmsten Falle sogar Herz­versagen zukommen." seine Stimme klang besorgt. „Hast du dich meinetwegen darüber informiert, oder wusstest du das alles schon?"
„Ein paar Sachen wusste ich schon, doch ich habe extra mit meinem Arzt gesprochen, was es für Gefahren bei einem kalten Entzug gibt. Ich will schließlich wissen, was auf uns zukommen könnte, weil ich für dich da sein will!"
„Bist du doch! Noch nie hat sich jemand so sehr um mich gesorgt, wie du jetzt. Das tut richtig gut!" Das letzte flüsterte ich nur. Lars zog mich noch dichter an sich. „Ich werde so lange es geht für dich da sein!"

Wenig später waren wir wieder in seiner Wohnung. Lars drückte mich auf die Couch, während er den Tisch deckte. Obwohl es mir noch recht gut ging, war ich froh, mich wieder hinsetzen zu können. Lars hatte wirklich eine recht große Auswahl an Salaten und Fleisch geholt. Doch nachdem ich ein paar Pommes gegessen hatte, wurde mir schlecht. In letzter Sekunde schaffte ich es bis zur Toilette, bevor alles wieder hoch kam. Lars kniete sich hinter mich und streichelte meine zitternden Arme. „Schon okay, das ist vollkommen normal." flüsterte er sanft. „Grade ging es mir doch noch gut! Ich hatte zwar keinen großen Hunger, aber mir war auch nicht schlecht."
„Das macht das Gift, Engel! Es will aus deinem Körper raus." Zärtlich strich er mir über das Haar. Dann half er mir ins Schlafzimmer. „Leg dich einen Moment hin. Ich räume eben auf und komme dann sofort zu dir." Ich zog mir die Decke bis zur Schulter hoch und schloss die Augen. Fast sofort war ich eingeschlafen, so dass ich nicht einmal mitbekam, wie Lars sich neben mich legte.

Erst, als ich wieder aufwachte, merkte ich, dass Lars neben mir lag.Er sah noch blasser aus als sonst. Sanft strich ich ihm über den Arm. Er grummelte etwas und drängte sich tiefer in die Kissen, wach­te aber nicht auf. Ein Blick auf meine Armbanduhr, die ich auf den Nachttisch gelegt hatte, verriet mir, dass ich mehrere Stunden geschlafen hatte. Dieser Schlaf hatte mir ganz gut getan und ich hatte daher die Kraft, ins Bad zu gehen, um mich mit kaltem Wasser zu erfrischen. Lars schlief noch immer, als ich ins Schlafzimmer zurück kam. Vorsichtig rutschte ich in seinen Arm. Davon wachte er auf. „Wo warst du, Engel?" murmelte er. „Nur kurz im Bad, Motek!" erwiderte ich. Er zog mich an sich und hielt mich fest. „Lass uns einfach liegen bleiben. Ich will dich spüren." keuchte er dabei. Meine Hände glitten über seine Haut. „Ich will dich auch!" Wir küssten einander, dann hielt er meine Hände fest. „Engel, spare deine Kräfte für den Entzug! Du wirst sie noch brauchen!" Ich befreite meine Hände und streichelte ihn weiter. „Mit dir zu kuscheln gibt mir Kraft!" Lars rollte mich auf sich und drückte mich auf die Matratze. „Dann bleib jetzt einfach ganz ruhig liegen." Zärtlich schob er mein Shirt höher. „Warte, ich will mich eben ausziehen." wisperte ich. „Das mache ich schon! Ich möchte, dass du dich nicht bewegst." erwiderte er, während er mir das Shirt über den Kopf zog. Dafür musste ich mich aufrichten, weswegen Lars mir nun doch gestattete, dass ich mich selber auszog. Kaum lag ich wieder in seinem Arm, hielt er mich fest auf die Matratze gedrückt. Ganz sacht nur, küsste er mich. Seine Lippen berührten kaum meine Haut. Ich schloss meine Augen und genoss seine vorsichtigen Zärtlichkeiten. Lars bewegte sich kaum, als er sich endlich auf mich schob. Diese Reglosigkeit, steigerte meine Sehnsucht nach ihm nur noch. „Bitte hör nicht auf!" wimmerte ich, als er wieder anfing, mich zu streicheln. Ich spürte, dass es ihm schwer fiel, mich nicht wild und leidenschaftlich zu lieben. Dennoch behielt er den langsamen, kaum merklichen Rhythmus bei. Erst, als ich mich ihm entgegen drängte, wurde er etwas schneller.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:22 pm

Ich lag noch immer an Lars gekuschelt, als das Telefon klingelte. Er stand auf und schloss auf dem Weg in den Flur die Schlafzimmertür. Zwar wunderte ich mich etwas, doch nicht so sehr, dass ich es an­sprach, als er wenige Minuten später zurück kam „Das war Alexa. Sie wollte was mit mir trinken gehen, zum reden." Ich richtete mich et­was auf und sah auf die Uhr. Es war kurz vor zwei Uhr in der Nacht. „So spät?" fragte ich erstaunt. „Ja! Alexa war schon ziemlich betrun­ken. Wahrscheinlich hat sie gar nicht mitbekommen, dass sie mich angerufen hat. Zumal ich ja auch keinen Alkohol trinke." Zwar wun­derte ich mich, doch da ich inzwischen rasende Kopfschmerzen be­kam, so dass ich mich nicht mehr konzentrieren konnte. Daher sank ich nur in die Kissen zurück. Lars legte sich neben mich. Schweigend kuschelte er sich an mich und schlang einen Arm um meine Hüfte. „Ich liebe dich, mein Engel!" flüsterte er dabei. „Ich liebe dich auch, Motek." murmelte ich schläfrig, drehte mich um, so dass er sich an meinen Rücken kuschelte und schloss die Augen. Er küsste mich auf die Schulter. So schliefen wir rasch ein.

Als ich das nächste Mal erwachte, bebte ich am ganzen Körper. Mein Kopf schmerzte so sehr, dass ich glaubte, er wolle zerspringen. Vor Schmerzen wimmernd bewegte ich mich etwas. Davon erwachte Lars. Er zog mich vorsichtig an sich. „Soll ich einen Arzt rufen, Engel? Dann bekommst du was gegen den Entzug." Ich schüttelte den Kopf. „Nein! Bring mir bitte nur eine Schmerztablette. Ein Arzt würde Fra­gen stellen. Und die will ich nicht beantworten!" Obwohl ich mich sehr schlecht fühlte, versuchte ich kräftig zu klingen, damit sich Lars nicht zu sehr sorgte. Er hielt mich fest im Arm. „Tabletten solltest du jetzt nicht nehmen. Versuche einfach weiter zu schlafen. Klingt zwar blöd, doch es hilft!" Sanft streichelte er mich, bis ich in einen unruhi­gen Schlaf fiel.

Von Albträumen geplagt erwachte ich wenig später. Ich fühlte mich vollkommen ausgelaugt, hatte ich doch auch nur eine halbe Stunde geschlafen. Lars saß neben mir auf der Bettkante und betrachtete mich besorgt. Er half mir hoch und flößte mir etwas Sprudel ein, der jedoch sofort wieder hoch kam. In weiser Voraussicht hatte Lars einen Eimer neben das Bett gestellt, den er mir jetzt hinhielt. „Lass alles raus!" Da ich noch immer würgte, konnte ich ihm nicht antwor­ten. Endlich hörte es auf und ich sank zurück in die Kissen. Lars brachte den Eimer ins Bad, um ihn zu leeren und kam mit einem kal­ten Waschlappen wieder, den er mir auf die Stirn legte. Das half et­was gegen die Kopfschmerzen. „Keine Sorge mein Engel, in ein paar Tagen geht es dir wieder besser. Sobald das Gift raus ist aus deinem Körper." Ich schloss einfach nur die Augen. Zu mehr hatte ich mo­mentan keine Kraft.

Genauso ging es noch vier Tage weiter. Danach war ich wieder fitter. An Lars' Kräften hatte die vergangene knappe Woche ebenfalls sehr gezehrt., so dass ich mich jetzt um ihn sorgen musste. Er wirkte noch schmaler als sonst und unter den Augen hatte er dunkle Schat­ten. Nun bestand ich darauf, dass er im Bett blieb und ich brachte ihm alles, was er wollte. Meine größte Angst war, dass durch den Stress der letzten Tage der Virus ausgebrochen sein könnte. Doch Lars schüttelte nur den Kopf, als ich ihm von meiner Befürchtung er­zählte. „Quatsch, Engel! Ich habe mich etwas überanstrengt. Das ist alles. Ein bis zwei Tage im Bett und es geht mir wieder gut. Am bes­ten, wenn du auch liegen bleibst!" Bei seinen Worten hatte er mich an sich gezogen und seine Hände glitten unter mein Shirt. Ich schloss die Augen und genoss seine Zärtlichkeit. Ich erwiderte sie voller Leidenschaft. „Hör bitte nicht auf Engel! Ich brauche dich so sehr!"
„Ich brauche dich doch auch! Und das hier habe ich die letzten Tage so vermisst!" mit diesen Worten rollte ich mich auf ihn. „Ich habe das hier auch vermisst!" erwiderte er leise. Sanft strich ich ihm durch das Haar. „Lass uns einfach liegen bleiben. Du musst dich jetzt etwas schonen."
„Ich schone mich, wenn ich das hier mache!" keuchte er, während er sich auf mich rollte und mir das T-Shirt auszog. Leise stöhnte ich vor Sehnsucht. Seine Hände waren überall auf meiner Haut. „Ich will dich so sehr!" stöhnte er dabei immer wieder. „Ich will dich auch!" erwiderte ich, nachdem er es sechs- oder siebenmal wiederholt hat­te. Seine Lippen pressten sich auf meinen Mund, dann gab ich mich ihm mit geschlossenen Augen hin.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:23 pm

8. Kapitel: Neue Schule, neue Probleme

Die zweite Woche bei Lars ging viel zu schnell vorbei. Vor allem, da Lars die meiste Zeit sehr müde war. Meine Ängste, dass das Virus ausgebrochen sein könnte wischte er allerdings immer wieder beisei­te. Seiner Meinung nach, hatte er sich nur etwas überanstrengt. Um mich zu beruhigen ging Lars dann doch zum Arzt, um sich durchche­cken zu lassen. Als er wieder kam, sagte er mir, dass alles in Ord­nung sei, außer dass sein Blutdruck zu niedrig wäre. Das erleichterte mich dann doch sehr.

Nachdem ich wieder zu Hause war, bestand meine Mutter darauf, dass sie nun endlich Carsten, den sie noch immer für meinen Freund hielt, kennen lernen wollte. Ich rief ihn an und wir trafen uns wieder in einem Café. „Karina, ich will deine Mutter nicht belügen müssen. Das mit der Behauptung, dass wir zusammen weggefahren sind, war ja okay, doch ich kann nicht gut schauspielern."
„Carsten, bitte! Sie will meinen Freund kennen lernen und ich kann ihr ja wohl schlecht Lars vorstellen.l"
„Okay! Aber wir halten es so kurz wie möglich!"
„Natürlich! Wie wäre es morgen um drei? Dann haben wir es hinter uns!"
„Je schneller es vorbei ist, umso besser! Was hast du ihr über unse­ren Urlaub erzählt? Da ich ja auch dabei war, sollte ich es ja auch wissen."
„Wir waren campen. Kurz vor der Grenze. Nichts Aufregendes halt. Ein Platz mitten in der Wallachei."
„Sonst noch was?"
„Nein! Wir sind seit der Abschlussfeier ein Paar."
„Na gut! Also dann bis morgen!"
„Ja gut,m bis morgen! Und Carsten, danke!"
„Keine Ursache! Ich überlege mir, wie du dich dafür revanchieren kannst."
„Jederzeit und fast alles!"

Der nächste Tag war der vorletzte Ferientag und Lars war gar nicht begeistert, dass ich mit Carsten im Arm bei meiner Mutter sitzen soll­te. Er gestand mir, dass ihn alleine der Gedanke daran, dass mich ein fremder Typ berühren würde, rasend machte vor Eifersucht. Ich beruhigte ihn und versprach, dass ich sofort nachdem wir gegangen waren zu ihm kommen würde. Das beruhigte ihn aber nur ein wenig. Kurz vor drei stand ich rauchend vor der Haustür und wartete auf Carsten., der erst fünf Minuten nach drei ankam. „Na, das macht ja 'nen tollen Eindruck, wenn du direkt zum Vorstellen zu spät kommst. Dann mal rauf! Und schau wenigstens etwas verliebt!" bat ich ihn, bevor ich die Wohnungstür auf schloss. Carsten schluckte und betrat vor mir die Wohnung. Meine Mutter begrüßte ihn mit einer Freundlichkeit, die ich mir für die Telefonate mit Lars gewünscht hätte. Wir setzten uns direkt neben einander und Carsten antwortete schüchtern auf die Fragen, die meine Mutter ihm über seine Zukunftspläne stellte. „Ich gehe bei einem Grafiker in die Lehre.Das hat mir immer schon Spaß gemacht. Also Zeichnen und sowas." Während er davon sprach blühte er etwas auf. Nach fast einer Stunde stieß ich ihn an. „Lass uns noch etwas spazieren gehen." meinte ich beim Aufstehen. Carsten nickte und verabschiedete sich von meiner Mutter, die ihn bat, bald wieder zu kommen.

Kaum unten angekommen,zündete Carsten sich eine Zigarette an. Die ganze Zeit, die wir in der Wohnung gesessen hatten, hatte er sich nicht getraut zu rauchen, obwohl meine Mutter und auch ich ge­raucht hatten. „Puh, war das stressig! kein Wunder, dass dein Ty­p sich dem nicht aussetzen will. Nochmal muss ich das auch nicht ha­ben!"
„Ich auch nicht! Und, nochmal danke!" Wir gingen gemeinsam zur Bahnhaltestelle. „Wie wäre es, wenn wir demnächst mal wieder einen Kaffee zusammen trinken gehen?"
„Ist das die Revanche?"
„Wenn es anders nicht geht,ja!"
„Okay! Ich muss es nur Lars erklären."
„Doch eifersüchtig? Du hast doch was von gegenseitigem Vertrauen erzählt."
„Schon! Doch da wir vor meiner Mutter das verliebte Paar spielen mussten, ist es doch klar, dass er nicht begeistert ist! Wäre deine Freundin doch auch nicht, oder?"
„Da ich keine Freundin habe, kann ich das nicht beurteilen." Inzwi­schen standen wir an der Haltestelle. „Du kannst mich ja mal einen Abend anrufen, dann machen wir was aus."
„Okay!" Die Bahn kam und wir stiegen ein, schwiegen jedoch die Fahrt über. Erst, als ich aussteigen musste, sprach er nochmal. „Ich hoffe, dass es nicht nur bei diesem einen Revanche-Kaffee bleibt." Ich zuckte mit den Achseln und stieg aus.

Lars zog mich in seinen Arm, kaum dass ich seine Wohnungstür hin­ter mir zugezogen hatte. „Das hat ja grauenhaft lange gedauert, En­gel!" flüsterte er dabei. „Früher ging nicht! Der Drache hat Carsten einem Verhör unterzogen, als hätte sie es gelernt!" Zärtlich hielt ich ihn fest. Noch immer war er dünner, als zu Beginn meiner Ferien, da er mehrere Kilo während meines Entzugs verloren hatte. Obwohl ich noch immer Angst hatte, dass das Virus ausgebrochen sei, machte ich wie­der Pläne für unsere gemeinsame Zukunft, von der ich genau wuss­te, dass es sie nie geben würde. Er strich mir über das Haar. „Dann erzähl mal, wie es war." Wir setzten uns auf die Couch. “Sie wollte wissen, wie er sich seine Zukunft vorstellt. Ausbildung und so. als prüft sie schon mal, ob er mich ernähren könnte, wenn es sein müss­te." Ich lachte, doch das Gesicht von Lars verdunkelte sich. „Was hast du, Motek?" Er schüttelte den Kopf. „Nichts!"
„Ich merke doch, dass du was hast!"
„Natürlich geht es mir gegen den Strich, dass der Drache eine gute Partie für dich sucht. Wahrscheinlich auch, weil ich weiß, dass ich es nie sein kann!"
„Das ist mir doch egal! Ich liebe dich und ich will keinen anderen Mann!"
„Ach Liebling!" erwiderte er nur und kuschelte sich wieder an mich. Mehr brauchte er auch nicht zu sagen, denn ich wusste ja, dass er wollte, dass ich, selbst wenn er stürbe, glücklich lebe. Trotzdem ver­mieden wir es meistens darüber zu sprechen, denn nach solchen Ge­sprächen ging es mir immer sehr schlecht. „Hast du was dagegen, wenn ich demnächst mal mit Carsten einen Kaffee trinken gehe?"
„Erst will ich ihn kennen lernen, um ihm klar zu machen, dass ich ihm die Finger breche, sollte er dich anfassen!"
„Komm doch mit zum Kaffeetrinken."
„Okay! Na komm Engel, lass uns etwas spazieren gehen." Er stand auf und zog mich mit sich, hinaus in den sonnigen Nachmittag.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:24 pm

Wir setzten uns im Park auf eine Bank. Seit meinem Entzug waren wir täglich hier gewesen. Lars hatte mir bei unserem ersten Besuch hier erzählt, dass er gerne verbrannt werden wollte, damit man seine Asche genau hier verstreuen konnte. Das konnte ich gut verstehen, denn der Platz war wunderschön. Zudem war es mir sehr lieb, einen Ort zu haben, wo ich ihm nahe sein konnte, zumal ich keine Friedhö­fe mochte. Er zog mich an sich und ich schloss die Augen. „Wie wer­den denn deine Unterrichts- und Arbeitszeiten sein? Weißt du da schon was?" Ich schüttelte den Kopf. „Das erfahre ich Montag, an meinem ersten Schultag. Um ehrlich zu sein, habe ich sogar etwas Angst vor der neuen Schule."
„Ach Engel! Schlimmer als die Gesamtschule kann es doch nicht wer­den, oder?"
„Da hast du Recht, doch es wird anders. Und ich mag keine Verände­rungen!"
„Du schaffst das schon, mein Engel! Vielleicht gefällt es dir ja."
„Die Schule schon, da hab ich keine Sorge. Aber das Praktikum im Kindergarten, wenn das bloß nicht Pflicht wäre. "hier stockte ich. Lars strich mir über das Gesicht. „Du brauchst das Fachabitur! Und es ist doch nur ein Jahr!"
„Ja schon, doch ein Jahr kann sehr lang sein."
„Ich werde schon dafür sorgen, dass es dir nicht zu lange wird!" Lars zog mich auf seinen Schoß. Normalerweise hielten wir uns draußen, wo uns jeder sehen konnte, zurück. Doch diesmal war es mir sogar egal, dass seine linke Hand unter mein T-Shirt glitt, während wir uns küssten. „Sollen wir hier auch noch ein Bett aufstellen?" ertönte die Stimme einer älteren Frau. „Danke, aber das brauchen Sie nicht. Es ist uns auch so schon bequem genug!" erwiderte ich, nachdem ich mich von Lars gelöst hatte. Sie schnaubte und ging weiter. „Also En­gel!" flüsterte Lars. „Was? Habe ich etwa Unrecht?"
„Nein, hast du nicht, aber musst du den Leuten das auf die Nase bin­den?"
„Warum nicht? Ich bin so glücklich mit dir, das ich es am liebsten in die Welt hinaus schreien will!"
„Ich doch auch! Doch wir müssen noch anderthalb Jahre lang ver­nünftig sein. Und das weißt du doch auch!"
„Natürlich weiß ich das! Du sagst es mir ja oft genug! Aber ich will nicht mehr vernünftig sein!"
„Ich doch eigentlich auch nicht, Engel! Aber Unvernunft bringt uns nichts. Nur Probleme! Du weißt genau, dass der Drache ausrasten wird, sollte sie je von uns erfahren. Und ich würde dich nie wieder sehen dürfen, oder werde sogar noch angeklagt. Jeder würde doch denken, dass ich dich zu etwas zwinge!"
„Das ist mir doch auch klar, aber ich finde es furchtbar, meine Gefüh­le für dich verleugnen zu müssen!" Ich stand auf und drehte Lars den Rücken zu, damit er meine Tränen nicht sah. Allerdings stand er ebenfalls auf und drehte mich zu sich. „Engel, bitte weine nicht!" Zärtlich streichelte er mein Gesicht. „Glaubst du etwa, dass es mir Spaß macht, dass ich von einigen wohlmeinenden Freunden, wenn ich mit denen unterwegs bin, zu hören kriege, dass ich mal endlich wieder Spaß mit 'ner Frau bräuchte? Meine Gedanken sind bei dir und die zeigen mir irgendwelche Frauen, die deren Meinung nach gut für mich wären. Am liebsten würde ich dann sagen, dass ich eine wun­derbare Freundin habe. Eine Frau, die ich um nichts in der Welt ver­lieren will. Doch dann müsste ich denen auch sagen, dass du erst sechzehn bist. Und bisher vermutet Axel nur, dass was zwischen uns ist. Wenn ich dich, wie ich es mir wünsche, bei einer Sitzung einfach auf meinen Schoß ziehen würde, würde er es wissen!"
„Und den Drachen einweihen, ich weiß!" beendete ich seinen Satz für ihn.

Zwei Tage später saß ich mit meinen neuen Klassenkameraden im Raum, während sich meine neuen Lehrer vorstellten. Die drei Stun­den kamen mir vor, wie eine Ewigkeit. Dann endlich durften wir das Schulgelände verlassen, nachdem wir einen Stundenplan abgeschrie­ben und die Hausordnung bekommen hatten.

Ich ging in das Frühstückscafé um die Ecke, wo Lars bereits ungedul­dig auf mich wartete. „Hallo Engel!" flüsterte er, als er sacht meine Hand streichelte. „Hey!" erwiderte ich nur, doch der zärtliche Blick, mit dem ich ihn bedachte, sagte so vieles mehr. „Und, wie war der erste Tag?"
„Ganz okay! Montag bis Mittwoch sind wir bei der Praktikumsstelle und dann haben wir zwei Tage Schule. Mal schauen, wie meine Klas­senkameraden so sind. Besser gesagt, meine Kameradinnen, denn Jungs sind nicht in meiner Klasse."
„Wenigstens muss ich dann nicht eifersüchtig sein, Engel!"
„Bräuchtest du doch eh nicht, Motek!"
„Vielleicht ja, vielleicht nein! Es kann ja sein, dass dich doch ein Jun­ge, in deinem Alter, interessiert."
„Nein, Motek! Ich liebe nur dich! Für einen anderen ist in meinem Herzen gar kein Platz!"
„Sag das nicht, Engel! Sowas kann richtig schnell passieren!"
„Mir nicht! Vor dir war ich doch auch ständig unter Männern und Manu sieht ja nicht mal schlecht aus. Trotzdem fühle ich zum ersten Mal so!"
„Weißt du, dass ich mir manchmal sogar wünsche, dass du dich so richtig verliebst?" sehr zärtlich sah er mich an. „Und warum?"
„Da musst du noch fragen, Engel? Damit du glücklich bist!" Noch be­vor ich erwidern konnte, dass ich in seinem Arm am glücklichsten sei, schüttelte Lars sacht den Kopf. „Ich weiß, was du sagen willst, Engel!" flüsterte er dabei. „Lass uns zu dir fahren, da können wir besser reden, als hier!" ging ich über das, was er gesagt hatte hin­weg. Lars nickte, stand auf und zahlte unseren Kaffee, bevor wir das Café verließen. Draußen nahm er meine Hand und strich über meine Finger, während er sie sanft festhielt. Den ganzen Weg zur Bahn war ich still. „Was hast du, Engel?" fragte er, als wir in der Bahn sa­ßen. „Ich frage mich, ob ich den Schulstoff packe. so selten wie ich in den letzten anderthalb Jahren in der Schule war, fehlt mir doch ei­niges an Wissen. Und außerdem ist die Gesamtschule auch nicht ge­rade für ihren guten Unterricht bekannt. Ich will halt nicht wie der letzte Depp dastehen."
„Du schaffst den Stoff schon! Und wenn nicht, dann nimmst du eben Nachhilfe. Zwar sehen wir uns dann weniger, doch ich will, dass du den Abschluss schaffst."
„Und ich will jede freie Minute mit dir verbringen!" erwiderte ich hei­ser. Lars legte einen Arm um meine Schultern. "Ich würde dir ja ger­ne helfen, doch meine Schulzeit ist ewig her. Außerdem war ich nie ein besonders guter Schüler."
„Wenn der Drache mich nicht dazu zwingen würde, wäre ich gar nicht in dem Kurs. Sie will aber unbedingt, dass ich Abi mache, stu­diere und erfolgreich bin. Egal in was, Hauptsache ich bin etwas!"
„So kannst du das doch auch nicht sagen. Sie will halt, dass du unab­hängig bist."
„Bisher war ich ihr doch auch egal! Sie hat doch nicht einmal was von meiner Freundin Maria Cron gemerkt. Und wie oft hab ich gesun­ken, wie 'ne Brennerei?" verärgert, dass Lars meine Mutter in Schutz nahm, wurde ich etwas lauter. Zur Beruhigung zog er mich etwas dichter an sich. „Ich weiß doch, wie schwer die letzten Monate für dich waren, doch gib ihr doch einfach noch eine Chance, dir zu be­weisen, dass du ihr genauso viel bedeutest, wie das Goldkind Silke."
„Ich bin in ihren Augen doch nur Dreck!" Diesen Satz flüsterte ich mit Tränen in den Augen. Voller Zärtlichkeit strich Lars sie mir weg. „Ich hoffe, dass du weißt, was du für mich bist!"
„Ja, das weiß ich! Du bist der erste, dem ich etwas bedeute."
„Meinst du nicht, dass du deinen Großeltern was bedeutest?"
„Manchmal ist mir so, als würden sie mich gar nicht richtig bemer­ken. Alles dreht sich immer nur um Silke!"
„Ach Liebling!" mehr sagte Lars nicht,streichelte nur kurz meinen Arm,bevor wir aussteigen mussten.
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Eine unmögliche Liebe Empty Re: Eine unmögliche Liebe

Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:25 pm

In seiner Wohnung blinkte der Anrufbeantworter. Lars drückte auf die Abspieltaste. „Hi Lars! Hier ist Anke. Ruf mich doch mal zurück, es ist dringend!" Doch Lars schüttelte den Kopf und dirigierte mich direkt ins Wohnzimmer. „Das kann warten." Kurz überlegte ich, was Anke Martin, eine der Sozialarbeiterinnen der Drogenberatung, von Lars wollen könnte. Doch dann zuckte ich mit den Schultern und setzte mich. Lars schob sich neben mich und zog mich in seinen Arm. „Wie sieht denn dein Terminkalender für dieses Wochenende aus, En­gel? Könntest du den Drachen überreden, dass du hier schlafen darfst?"
„Ich hab mal wieder Dienst im Info Café. Sowohl Samstag als auch Sonntag. Und, wenn ich hier bin, vergesse ich so schnell die Zeit."
„Könntest du nicht mit jemandem tauschen?"
„Hab ich schon versucht, aber dieses Wochen sind mehrere Seminare und einige sind noch im Urlaub. Wir sind also sowieso schon zu weni­ge, kann also nicht einfach wegbleiben. Aber ich komme Nachmittags vorbei."
„Du hast also wieder mal vor, mich wegen der Parteiarbeit zu ver­nachlässigen?"
„Viel Zeit werde ich jetzt vor der Wahl wirklich nicht für dich haben. Tut mir doch auch leid! Also sei mir bitte nicht böse!"
„Da könntest du ja wirklich noch jemanden neben mir haben und ich würde es nicht einmal bemerken!"
„Aber ich würde dich nie betrügen. Mit wem sollte ich das auch tun?"
„Du hast mir doch erzählt, dass du Manuel sehr magst!"
„Mögen ja, doch nicht so sehr, dass ich mit ihm ins Bett springen würde. Was denkst du nur von mir?"
„Ich denke, dass du eine wundervolle junge Frau bist, die was Besse­res verdient hat, als einen Exjunkie, der nicht mehr lange zu leben hat." Meine Augen funkelten vor Wut, als ich ihn ansah. „Nur, weil du mal einen kleinen Fehler gemacht hast, solltest du ihn dir nicht selber dein gesamtes Leben vorhalten. Jeder macht doch Fehler!"
„Mit dem kleinen Unterschied, dass mein Fehler fast elf Jahre gedau­ert hat und mich mein Leben kosten wird!"
„Motek, du lebst seit über zwanzig Jahren mit dem Virus. Was spricht also dagegen, dass das Virus bei dir gar nicht ausbricht. Zumal du auch noch relativ gesund lebst. Kein Alkohol, keine Drogen und das Rauchen hast du auch schon extrem eingeschränkt. Den Statistiken nach steigt deine Chance zu überleben mit jedem Jahr immer mehr."
„Komm mir nicht mit Statistiken, Engel! Das weiß ich doch alles sel­ber. Aber ich will einfach nicht hoffen!"
„Und warum nicht?" meine Stimme war rau, denn ich wollte nicht, dass er die Hoffnung aufgab. „Weil ich Angst habe!" erwiderte er lei­se. Ich legte ihm eine Hand auf den Arm. „Wir schaffen das schon!" Er schüttelte den Kopf. „Da bin ich mir gar nicht so sicher. Die ganze Zeit, seit ich drauf bin, habe ich mich mit meinem baldigen Tod ab­gefunden, hab ihn sogar manchmal herbei gesehnt. Und jetzt, ganz plötzlich habe ich Angst zu sterben! Zum ersten Mal nach so langer Zeit!"
„Trotzdem darfst du die Hoffnung nicht aufgeben! Ich will nämlich auch nicht aufhören zu hoffen!"
„Mein kleines Träumerle!" flüsterte er zärtlich, bevor er mich küsste. "Na und! Was ist denn an Träumen so falsch?"
„Gar nichts, Engel! Nur manchmal ist das Aufwachen schlimm!"
„Ich weiß! Doch wir brauchen alle unsere Träume!"
„Du hast ja Recht! Und du weißt, dass ich normalerweise kein Zyni­ker bin, doch ich will leben. Für dich, für uns!"
„Mir geht es doch nicht anders!" erwiderte ich und dachte an die vie­len Nächte, die ich schlaflos da gelegen, oder gesessen hatte, wäh­rend ich mir wünschte, einfach zu sterben. Lars nickte, denn ich hat­te ihm davon erzählt. „Keiner würde begreifen, wie ähnlich wir uns sind. Wir haben die gleichen Ansichten, Träume und Erwartungen. Mögen die gleichen Lieder und verstehen uns wortlos. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas selber einmal erlebe. Bisher habe ich da­von nur gehört!"
„Ich auch nicht! Schon seltsam, doch es heißt ja, dass es für jeden Menschen einen Seelengefährten gibt. Das würde es erklären!"
„So, wir sind also Seelengefährten!" lachte Lars heiser. „Dann dürfte ich dich ja nie mehr alleine lassen!"
„Genau das möchte ich, immer bei dir sein!"
„Nun, es bleibt uns ja noch immer etwas Zeit!"
„So meinte ich das nicht! Ich möchte, dass du mich mit nimmst, wenn du gehst!"
„Mein Liebling, du bist noch so jung! Du kannst doch nicht wollen, dass ich dich umbringe! Das könnte ich einfach nicht!"
„Du sollst mich nicht umbringen! Es wäre doch nur Beihilfe zum Selbstmord. Aktive Sterbehilfe also!"
„Falsch Engel! Es wäre ganz klar Mord. Und ich will, dass du dein Le­ben liebst, Spaß hast, Erwachsen wirst und eine Familie gründest!"
„Ich bin glücklich, wenn wir zusammen sind. Und, was soll ich ohne dich auf diesem Planeten? Wenn du nicht bei mir bist, fühle ich mich sogar in Menschenmengen einsam."
„Das kommt daher, weil du dich so auf mich fixiert hast. Du solltest dich öfter mit deinen Bekannten treffen. Denn wir beide sind ja nur dann nicht zusammen, wenn du in der Schule bist, eine Sitzung hast oder ich zum Arzt muss."
„Das ist in einer Beziehung doch normal, dass man seine gesamte freie Zeit mit einander verbringt, oder nicht?"
„Nicht so extrem! Du solltest auch zu anderen Kontakt halten!"
„Wen hatte ich denn schon, bevor wir uns kennen gelernt haben? Nur die Partei, doch wirklich befreundet bin ich da mit keinem. Und das weißt du auch!"
„Ja, ich weiß, wie schwer es dir fällt, Freundschaften zu schließen. Aber bitte versuche wenigstens, dich deinen neuen Klassenkamera­den anzuschließen!"
„Versprochen!" murmelte ich, während ich die Augen verdrehte. Lars blickte mich strafend an, sagte jedoch nichts. „Was?"
„Engel, es ist mein Ernst, dass du neben mir auch noch andere Men­schen in deinem Leben brauchst!"
„Ist ja schon gut! Tut mir leid, wenn ich solche Sprüche nicht ernst nehme. Bisher bin ich doch auch immer ganz gut alleine klar gekom­men!"
„Das sind keine Sprüche, Engel! Und, wie gut du alleine klar gekom­men bist, habe ich doch mit bekommen. Du wärst an deiner Einsam­keit doch fast eingegangen." Doch seinen harten Worten widerspre­chend, strich er mir liebevoll über die Wange. Ich schloss die Augen, denn ich wusste, dass Lars Recht hatte, auch wenn ich es nicht zuge­ben wollte. „Liebes, ich wollte dir mit meinen Worten nicht wehtun."
„Das hast du auch nicht! Nur habe ich mich noch nicht daran ge­wöhnt, dass du mich so leicht durchschauen kannst!"
„Ich kann dich nur so leicht durchschauen, weil du zulässt, dass ich es tue. Die anderen können nicht so leicht durch deine 'Alles-bes­tens-Maske' schauen." mit einem Schulterzucken wisperte ich. „Viel­leicht wollen sie es auch gar nicht!" Eigentlich dachte ich, dass er mir jetzt widersprechen würde, mir sagte, dass sich zumindest Axel dafür interessierte, wie es mir ginge. Doch das tat er nicht, sondern er stimmte mir zu. „Da magst du Recht haben. Die meisten Menschen sind von ihrer Arbeit und den eigenen Problemen so eingespannt, dass da kein Platz für andere Menschen und deren Sorgen ist. Und ich habe eben die Zeit, solange auf Andere einzuquatschen, bis sie mir ihr Herz ausschütten."
„Und woran liegt es, dass du dich so für die Probleme Anderer inter­essierst?"
„Wenn man alt wird und bald sterben könnte, werden die Probleme Anderer interessanter, als die eigenen. Besonders, wenn man die Be­erdigung bereits organisiert hat. Doch das habe ich dir ja schon ein­mal gesagt."
„Du bist doch noch nicht alt. Sogar vier Jahre jünger als der Drache und die interessiert sich nur für vier Sachen:Ihre Arbeit, Goldkind, die Partei und sie selber. Wahrscheinlich sogar in genau dieser Rei­henfolge."
„Solche Menschen müssen wahrscheinlich auch existieren. Meine El­tern sind doch auch nicht besser. Sie haben mich schließlich schon für tot erklärt, vor sich und ihren Freunden, als sie erfahren haben, dass ich an der Nadel hänge."
„Und sonst hast du nie wieder Kontakt zu ihnen gehabt?" Bis zu die­sem Zeitpunkt hatte er nie über seine Familie gesprochen. „Als ich erfahren habe, dass ich mich mit HIV infiziert habe, wollte ich mich mit meiner Familie versöhnen. Ich habe meinen Eltern einen Brief geschrieben. Den haben sie aber nie beantwortet."
„Und ich hielt meine Sippschaft für eine Strafe, die ich bekam, für et­was, das ich in einem früheren Leben getan habe. Du bist ja genauso geschlagen. Bist du Einzelkind?"
„Ich habe eine kleine Schwester. Die ist aber siebzehn Jahre jünger, als ich."
„Oh, ein ziemlicher Nachzügler!"
„Ja! Und der Liebling der gesamten Familie, seien es Großeltern, On­kel, Tanten und alle anderen Anverwandte."
„Daher hast du meine familiären Probleme so gut verstanden. Du hast es ja selber fast genauso erlebt." Ich zog ihn dicht an mich und streichelte ihm über den Rücken. „Ja, 1975 muss das Jahr der Gold­kinder gewesen sein!" Zwar hätte das, was er gesagt hatte, lustig sein sollen, doch er klang eher verletzt. „Dafür haben wir ja jetzt uns. Diese Beziehung entschädigt uns für die Einsamkeit dieser langen Jahre. „Seine Hände glitten unter mein Shirt. „Ja, Engel! Komm her und entschädige mich!" Bei diesen, mit rauer Stimme geflüsterten, Worten zog er mich auf seinen Schoß. Ich seufzte vor Sehnsucht nach ihm. Unser Kuss war hart und unbeherrscht. Mein gesamter Körper prickelte vor Erregung. In dem Moment, in dem Lars meinen engen Lederrock hoch schob, klingelte das Telefon. Seufzend schob er mich von seinem Schoß. Sein Blick sagte mir, dass er es am liebs­ten ignoriert hätte. Doch seine Vernunft siegte. Während er sich am Telefon meldete, stand ich auf und kochte frischen Kaffee.Dabei lauschte ich auf die ruhige Stimme von Lars. Das Telefonat dauerte nicht lange, dann stand Lars bei mir in der Küche.. Neugierig sah ich ihn an. „Und?" Doch Lars schüttelte den Kopf. „Später, Engel!" Aber ich ließ mich nicht abwimmeln, denn er hatte zu der Person am Tele­fon gesagt, dass es jetzt ungünstig sei, da er nicht alleine wäre und er später zurück riefe. Daher entzog ich mich ihm, als er mich in den Arm nehmen wollte. „Sag mir erst, wer das am Telefon war. Warum du gesagt hast, dass du nicht alleine bist? Was spielst du für ein Spiel mit mir?"
„Ich spiele nicht, Engel! Du bist das Wichtigste in meinem Leben! Aber ich will nicht darüber reden, wer gerade angerufen hat. Noch nicht!"
„Dann gehe ich jetzt besser! Ich weiß auch noch nicht, ob ich mor­gen Zeit habe, vorbei zu kommen." Lars streckte die Hand aus und berührte mich sacht an der Schulter, als ich mich an ihm vorbei schieben wollte. „Bitte gehe jetzt nicht, Engel! Nicht so!" Ich schob seine Hand weg. „Nenne mir einen guten Grund, warum ich bleiben sollte!" Obwohl ich wütend klingen wollte, klangen die unterdrückten Tränen mit in meiner Stimme. Zärtlich legte Lars eine Hand unter mein Kinn und hob meinen Kopf, so dass ich ihn ansehen musste. „Weil ich dich liebe, Engel! Und du brauchst nicht eifersüchtig zu sein. Am Telefon war Anke. Alexa ist im Krankenhaus!" mehr sagte er nicht. Brauchte er auch nicht zu sagen, denn ich wusste auch so, dass es mit Alexa zu Ende gehen würde. Ich dachte an die junge Frau, die noch keine dreißig war, die vor einigen Monaten vor meiner Klasse gestanden und unsere Fragen über HIV und AIDS beantwortet hatte. Da ich nicht begreifen konnte, wie schnell sich ihr Zustand so rapide verschlechtert hatte, schüttelte ich nur den Kopf. Dann konnte ich die Tränen nicht länger zurückhalten und Lars zog mich an sich. „Genau aus diesem Grund wollte ich dir nichts sagen, Engel. Alexa will bestimmt nicht, dass jemand ihretwegen Tränen vergießt." Sanft führte er mich zur Couch, doch keinem von uns stand mehr der Sinn nach kuscheln. Lars war in sich gekehrt und sah die gesamte Zeit schweigend auf den Boden. Ich konnte mir denken, dass er sich ge­rade ausrechnete, wer wohl nach Alexa stirbt. Sacht, um ihn nicht zu abrupt aus seinen Gedanken zu reißen legte ich ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich muss jetzt gehen, Motek!" Er nickte, sah jedoch nicht auf. Traurig ließ ich meine Hand wieder sinken. „Es tut mir leid, dass ich dir nicht vertraut habe!" flüsterte ich noch, bevor ich seine Wohnung verließ. Als ich von der Straße hoch zu seinem Fenster sah, stand er hinter der Scheibe. Ich senkte den Blick zu dem dunkelgrau­en, rissigen Asphalt und ging langsam in Richtung der Bahnhaltestel­le. Dann hörte ich Schritte hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um und sah in Lars' Augen. „Mein Engel, es tut mir so leid! Ich wollte gerade nicht so kalt zu dir sein." Ich warf mich in seine Arme und weinte. „Es war doch meine Schuld! Ich hätte dir einfach vertrauen müssen!"
„Nein Engel! Ich hätte dir ehrlich sagen müssen, was los ist! Das kommt davon, dass ich dich schonen wollte! Vielleicht sollte ich mir einfach mal merken, dass du nicht geschont werden willst!" Er lächel­te mich zärtlich an. „Eigentlich will ich ja auch geschont werden. Nur habe ich Angst, dass ich dich verlieren könnte!"
„Wie kommst du denn auf solch einen Blödsinn, Engel?"
„Wegen des Altersunterschiedes! Weil du vielleicht.." hier stockte ich. „Weil ich vielleicht was, Engel?" Wir standen an der Haltestelle und meine Bahn hielt vor uns. Ohne ihm eine Antwort gegeben zu haben, stieg ich ein und setzte mich an einen Fensterplatz, von dem aus ich beobachten konnte, wie Lars mit gesenktem Kopf wieder nach Hause ging.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:27 pm

Als ich die Wohnungstür öffnete schlug mir eine fast schon be­drückende Stille entgegen. Daher ging ich zum Telefon und wählte Lars' Nummer. Es war besetzt und sehr kurz spürte ich einen leichten Stich in der Herzgegend, den ich als Eifersucht identifizieren konnte. Doch dann fiel mir ein, dass er jetzt wahrscheinlich mit Anke sprach. Ich ging auf mein Zimmer und kniete mich vor mein Bett. Dort betete ich dafür, dass Alexa wenigstens schmerzfrei und in Würde sterben konnte, wenn es schon keine Heilungschancen mehr für sie gab. Des weiteren bat ich dafür, dass die medizinische Forschung endlich wei­ter kam und es nicht mehr lange dauern würde, bis das Virus endlich heilbar war. Als letztes schloss ich Lars in mein Gebet mit ein, dass das Virus nicht ausbrechen würde. Wie jeden Abend nach dem Beten fühlte ich mich befreit. Zwar ging ich nicht mehr jeden Sonntag in die Kirche, doch ein- oder zweimal im Monat war ich im Gottesdienst. Das war mir genauso wichtig, wie Zeit mit Lars zu verbringen. Nor­malerweise ging ich direkt nach dem Beten zu Bett, doch ich ver­suchte nochmals Lars zu erreichen. Diesmal erreichte ich nur den An­rufbeantworter. "Weil du vielleicht eine Freundin möchtest, die ohne Probleme bei dir übernachten kann." flüsterte ich auf das Tonband, bevor ich auflegte und mich schlafen legte, nachdem ich meinen We­cker auf halb sechs gestellt hatte.

Die ersten drei Wochen meiner neuen Schulzeit waren furchtbar stressig. Ich musste mich wieder an sehr frühes Aufstehen gewöhnen und das Schlimmste war, dass ich kaum noch Zeit für Lars hatte, weil ich in Mathematik so große Lücken hatte, dass ich regelmäßig zur Nachhilfe musste. Außerdem war auch die Arbeit im Kindergarten er­müdend. Dazu kamen auch noch fast tägliche Besuche bei Alexa im Krankenhaus, der es immer schlechter ging, so dass sie nur noch den Wunsch verspürte, endlich zu streben. Nach diesen Besuchen, die wir immer recht kurz hielten, da Alexa schnell erschöpfte, war Lars je­des Mal sehr schweigsam. Ich ahnte, dass jeder Besuch Lars in sei­nem Entschluss, sich selber umzubringen, sobald das Virus ausbrach, nur noch bestärkte. Wenn ich ehrlich war, konnte ich ihn sogar sehr gut verstehen. Jeden Abend bat ich um ein rasches Ende für Alexa, die sich immer mehr quälte. Bei unseren Besuchen mussten wir jeder einen Mundschutz tragen, um keine Keime einzuschleppen. Alexa lag nur noch, fast apathisch, in dem Krankenhausbett, eine Sauerstoffmaske bedeckte ihr blasses, fast grau wirkendes Gesicht. Sie war bereits so schwach, dass sie kaum noch sprechen konnte, schon nach wenigen Worten war sie erschöpft. Am Ende dieser drei Wochen sah ich, wie Lars ihr beim Abschied etwas in die Hand drückte und sie dann sacht auf die Stirn küsste. Ich strich ihr über das stumpf gewordene, strähnige Haar, dann verließen wir das Zimmer. „Was hast du Alexa gegeben?“ fragte ich, während wir über den Parkplatz liefen. „Nichts Besonderes! Ich habe eine alte Schuld eingelöst.“ Er war blass und ich konnte ihm ansehen, dass es ihm nicht recht war, dass ich bemerkt hatte, wie er Alexa etwas gegeben hatte. Schweigend fuhren wir zu ihm.

Zwei Stunden später klingelte sein Telefon. Lars flüsterte nur, während er einen Zettel, der neben dem Telefon lag, in der Faust zerknüllte. „Das war Anke. Alexa ist gerade hinüber gegangen.“ Seine Stimme brach, nachdem er es mir gesagt hatte. Ich zog ihn an mich. „Alexa wollte doch, dass es endlich vorbei ist.“ erwiderte ich dabei. „Aber ich bin schuld an all dem. Und jetzt bin ich schuld an ihrem Tod. Sie wollte was und ich habe es ihr gebracht.“
„Und was?“ Obwohl ich es mir denken konnte, wollte ich es aus seinem Mund hören. „Heroin! Damit sie nicht länger leidet.“
„Mach dir doch keine Vorwürfe. Du hast Alexa wenigstens zu einem würdevollen Tod verholfen.“ Trotz meiner Worte hatte ich Angst, in wie weit Sterbehilfe in Deutschland erlaubt war. Lars schien meine Gedanken zu lesen. „Keine Sorge! Erstens habe ich ihr das Zeug nur in die Hand gedrückt, bekäme also nur eine Strafe wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes falls es raus kommt und außerdem wird Alexa mit Sicherheit nicht obduziert. Und selbst wenn, wird man doch nur davon ausgehen, dass sie aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes die Medikamente nicht mehr vertragen hat.“
„Woher hattest du das Zeug? Du wolltest damit doch nichts mehr zu tun haben.“
„Ist besser, wenn du es nicht weißt. Und es war nur eine Ausnahme, weil ich es Alexa versprochen hatte.“
„Lars, warum hast du denn mit mir nicht darüber gesprochen?“
„Weil es eine Sache zwischen Alexa und mir war!“
„Gibt es da noch mehr, was du mir nicht gesagt hattest?“
„Nein, gibt es nicht! Ich hatte Alexa versprochen, ihr zu helfen und ich pflege meine Versprechen zu halten.“ Lars stand auf und ging in die Küche. „Warum fühlst du dich Alexa gegenüber so verpflichtet?“ Ich ging ihm hinterher. „Ja, ich fühle mich Alexa gegenüber verpflichtet. Wir kennen uns jetzt seit fast sechzehn Jahren. Sie war gerade erst vierzehn geworden. Sie saß mit ein paar Jungs aus meiner Clique zusammen. Ein Joint ging rum. Ich fand sie irgendwie ganz süß. Wir quatschten ein bisschen. Belangloses halt. Ein paar Tage später kam sie wieder, setzte sich neben mich, wir redeten wieder. Irgendwann meinte sie, dass sie mich zum rauchen einladen würde, wenn ich einen ruhigen Platz wüsste und Alufolie hätte. Wir gingen in das Abrisshaus, in dem ich zu dem Zeitpunkt wohnte, dort rauchten wir Heroin. Irgendwann lehnte sie sich an mich. Ich legte den Arm um sie. Es dauerte nicht lange, dann brauchte ich meinen Schuss. Zu dem Zeitpunkt war ich schon richtig drauf. Alexa beobachtete mich interessiert. >Würdest du mir auch einen Knaller setzen, wenn ich dir den Stoff gebe?< flüsterte sie als ich die Nadel aus meinem Arm zog. Ich schüttelte den Kopf. >Lass mal besser. Der Dreck ist eh nichts für dich.< Sie zuckte nur mit den Schultern und zog eine Flasche Strohrum aus ihrer Tasche. Wir tranken und dann meinte sie, ob ich nicht Bock auf sie hätte. Ich dürfte alles mit ihr machen, solange ich ihr nicht weh täte. An diesem Tag hatte ich keinen Bock auf sie, doch sie blieb erst mal bei mir in dem Abrisshaus. Ich achtete auf sie, wir teilten unser Zeug. Sie rauchte vorerst weiterhin nur, während ich immer öfter zur Spritze griff. Nach einem Jahr schliefen wir miteinander. Ich Vollidiot hab kein Gummi benutzt. Nie. Unsere Gemeinschaft dauerte noch fast zwei Jahre. Zum Glück wurde sie nie schwanger. Vielleicht auch wegen des Giftes. Dann fing auch sie mit der Nadel an. Und ging anschaffen. Wir trennten uns, ich wollte keinen Kontakt mehr zu ihr haben. Doch als ich erfuhr, dass ich positiv bin, habe ich sie gesucht. Um es ihr zu sagen. Doch sie hat nur gelacht und meinte, dass ihr nie etwas passieren würde. Kein Jahr später kam sie zu mir. Ich hatte sie infiziert. Wir redeten die ganze Nacht und irgendwann versprach ich ihr, dass ich ihr helfen würde, wenn es mit ihr zu Ende gehen würde, sollte ich dazu dann noch in der Lage sein.“ Ich hatte ihm still zugehört. „Liebst du sie noch?“ wisperte ich dann traurig. Lars schüttelte den Kopf. „Ich habe Alexa nie geliebt. Es war ganz nett mit ihr. Doch zu dem Zeitpunkt war ich auch gar nicht fähig, jemanden zu lieben. Für mich zählte fast immer nur der Stoff.“
„Und trotzdem hast du dich um Alexa gekümmert.“
„Sie brachte Stoff. Und irgendwann war es halt ganz nett, dass sie da war.“
„Und sonst?“
„Was sonst, Engel? Willst du etwa wissen, ob ich damals einen besonderen Spitznamen für Alexa hatte? Ja, hatte ich. Ich habe sie immer 'little Girl' genannt. Oder soll ich dir sagen, welches Lied bei unserem ersten Mal lief? Gar keins. Oder soll ich euch vergleichen, wie ihr im Bett seid? Das kann ich nicht, weil ihr komplett unterschiedlich reagiert. Während du von Anfang an mit gegangen bist, mir gezeigt hast, das es dir gefällt, was ich mache, war Alexa erst ruhig, hat es mehr über sich ergehen lassen, bevor aus ihr ein hungriges Biest wurde. Ich glaub sogar, dass ihr das Anschaffen manchmal sogar Spaß gemacht hat.“
„Ich hatte eher fragen wollen, ob du nach eurer Trennung je daran gedacht hattest, nochmal was mit Alexa anzufangen.“
„Engel, selbst wenn ich gewollt hätte und wenn Alexa es versucht hätte, wäre nichts mehr gelaufen. Bevor du in mein Leben getreten bist, war ich zehn Jahre lang impotent. Ich brauchte es doch noch nicht mal, dass ich mich selbst befriedigte. Erst durch dich habe ich den Drang nach körperlicher Nähe zurück erhalten.“ Lars zog mich sanft an sich. Ich schmiegte mich an ihn. „Bitte verstehe mich, Engel! Ich musste mein Versprechen halten. Alexa war doch noch so jung, als ich ihr Leben zerstörte. Wenn ich nicht gewesen wäre, würde sie jetzt noch leben. Und zwar gesund.“ Ich schüttelte den Kopf. „rede dir das doch nicht ein, Motek! Wahrscheinlich hätte Alexa sich auch ohne dein Zutun infiziert. Oder hat sie dir je Vorwürfe gemacht?“
„Nein, das hat sie nicht. Nicht einmal in der Nacht, nachdem sie erfahren hatte, dass sie infiziert ist. Vielleicht wollte sie auch nicht wahrhaben, dass ich es war, der an ihrer Krankheit Schuld hat.“
„Und was, wenn nicht? Bestimmt hat sie auch mit anderen Männern ohne Gummi geschlafen, oder eine Spritze geteilt.“
„Ja, vielleicht! Doch wie hoch ist die Chance, dass ich sie damals nicht infiziert habe?“ Darauf sagte ich nichts. Lars entzog sich meiner Umarmung. „Du verachtest mich jetzt bestimmt, Engel!“ wisperte er dabei. Ich schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht, Motek! Ich wusste doch, dass es vor mir bereits Frauen gab, die dir nahe standen. Nur hätte ich nie gedacht, eine davon kennen zu lernen. Und so zu mögen.“ Den letzten Satz hatte ich nicht laut aussprechen wollen, dennoch hatte ich es getan. Lars lächelte. „Ich mochte Alexa auch. Nur leider ist es mir viel zu spät aufgefallen, was für ein wunderbarer Mensch sie war. Sonst hätte ich sie manchmal anders behandelt. Damals. Ich war damals ein totales Arschloch. Du hättest mich gehasst. Nein, bitte widerspreche mir da nicht. Heute hasse selbst ich mein damaliges ich.“ Sanft streichelte er mir über das Haar. „Ich muss jetzt wirklich gehen. Sei bitte nicht sauer, aber du weißt ja, wie der Drache ist.“ Lars nickte und küsste mich noch einmal zärtlich. „Gut. Sehen wir uns morgen?“
„Natürlich! Ich komme direkt nach der Arbeit. Also werde ich so gegen kurz nach vier hier sein.“
„Bis morgen dann, mein Engel!“ Ich nickte und leise verließ ich die Wohnung. Meine Gedanken waren bei Alexa und daher hörte ich nicht einmal in der Straßenbahn Musik.

Zu hause dachte ich über das nach, was Lars mir von sich erzählt hatte. Diese Seite an ihm hatte ich nie kennen gelernt, daher fiel es mir schwer, ihm zu glauben, dass er damals so gewesen sein sollte. Die Tränen, die ich nun weinten, waren nur zu einem Teil für Alexa. Der viel größere Teil meiner Trauer galt Lars.

Nicht einmal eine Woche später war Alexas Beerdigung, zu der Lars alleine ging, da ich Unterricht hatte. Doch ich konnte mich heute nicht auf den Stoff konzentrieren. Während es im Mathematikunterricht nicht auffiel, da ich dort immer sehr ruhig war, bemerkte mein Soziologielehrer mein verändertes Verhalten. „Nun Karina, wollen Sie uns heute denn keine Gesellschaft bei unserer Diskussion leisten?“ fragte er nach fast zwanzig Minuten dieser Doppelstunde, in der über Sterbehilfe gesprochen wurde. Da sich meine Gedanken noch immer nur um Alexa und Lars drehten, erzählte ich meiner Klasse die Geschichte der beiden. Natürlich nannte ich keine Namen. „Nehmen wir einmal an, dass da eine junge Frau ist. Sie ist noch nicht einmal dreißig Jahre alt, aber todkrank. Sie liegt im Krankenhaus und wird mit Morphium ruhig gestellt. Ohne die Medikamente, würde sie vor Schmerzen schreien, wenn sie dazu noch die Kraft hätte. Es ist AIDS, also derzeit noch unheilbar. Diese Frau hat einen sehr guten Freund, den sie bittet, dass er ihr dabei hilft, Schluss zu machen. Wenn er es tut, macht er sich strafbar, wenn er es nicht macht, wird er sich jedes Mal, wenn er sie im Krankenhaus besucht, Vorwürfe machen, dass sie sich weiter quälen muss. Wie soll er sich jetzt entscheiden?“ gespannt auf die Antworten sah ich in die Runde. „Als erstes sollte man klären, wo Sterbehilfe aufhört und Mord anfängt.“ meldete sich Steffi, die ich eigentlich sehr hochnäsig fand, zu Wort. „Nun, wenn du an Maschinen angeschlossen wärst und klar wäre, dass du ohne deren Hilfe nicht weiterleben würdest, wäre es dann Mord, wenn jemand diese Maschinen auf deinen ausdrücklichen Wunsch hin abschaltet? Es geht ja um den ausdrücklichen Wunsch des Patienten, dass diese sinnlosen Behandlungen eingestellt werden.“ Mehrere Hände wurden gehoben. „Aber was ist, wenn man sich nicht mehr äußern kann, weil man beispielsweise im Koma liegt?“
„Ich würde sagen, dass er erstens darauf ankommt, wie lange der Betreffende bereits im Koma liegt und was er vielleicht früher gesagt hat, was sein Wunsch in solch einem Fall wäre. Ich würde nicht gerne jahrelang an Maschinen angeschlossen da liegen und wenn mein Partner in dieser Situation wäre, wüsste ich genau, dass es ihm genauso ginge. Es geht darum, dass man einen würdevollen Tod hat und nicht regungslos dahin vegetiert.“
„Aber es gibt doch immer noch die Möglichkeit, dass er wieder aufwacht. Wäre dir das egal?“ Schockiert sahen mich mehrere an, während Claudia diese Frage stellte. „Wie viele Jahre soll er denn einfach so daliegen?“
"Also, ich wäre total dagegen, wenn die Behandlung abgebrochen werden würde.“
„Du würdest also eher zusehen, wie er jahrelang daliegt, eingepfercht zwischen Apparaturen und Schläuchen, die für ihn atmen, ihn ernähren und alles weitere auch noch machen, weil er zu nichts mehr in der Lage ist? Also, dass könnte ich wiederum nicht.“ Jessika, an die ich meine Worte gerichtet hatte, schüttelte den Kopf. Unser Lehrer blickte in die Runde. „Karina hat Recht, es gibt bei Sterbehilfe zwei Seiten. Einmal die ethisch-moralische Seite und dann noch die Juristische. Vor Gericht ist es relativ einfach, die Frage der Sterbehilfe zu beantworten. Es ist strafbar! Natürlich wird zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe differenziert. Wer kann mir den Unterschied zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe erklären?“
„Aktive Sterbehilfe bedeutet, dass man der Person, die sich den Tod wünscht, beispielsweise Medikamente einflößt, damit diese stirbt, also aktiv dieses Leben beendet, während passive Sterbehilfe heißt, dass man der Person nur die Hilfsmittel zur Selbsttötung bereitstellt.“ Kerstin hatte gesprochen, als hätte sie es aus einem Buch zitiert. „Aktive Sterbehilfe wird natürlich härter bestraft. Doch wie sieht die moralische Seite aus? Was lastet schwerer auf dem Gewissen? Einen geliebten Menschen von unerträglichen Qualen erlösen, dabei allerdings gegen das Gesetz zu verstoßen, oder nichts zu machen und daher weiter zusehen, wie dieser Mensch leidet?“
„Falsch! Es gibt noch einen dritten Aspekt. Den religiösen. Denn Selbstmord ist und bleibt eine Sünde. Die Gründe dafür zählen nicht. Daher gilt Beihilfe zum Selbstmord auch als Mord. Und Mord ist eine der sieben Todsünden.“ während ich dies sagte, wanderte meine Hand zu dem kleinen Goldkreuz, was ich seit meiner Konfirmation vor zwei Jahren an einer Kette um den Hals trug. „Ja gut! Doch lassen wir den religiösen Aspekt mal beiseite. Denn ich denke mal, dass nicht alle hier in dem Raum religiös sind. Oder doch?“ Fast alle anderen schüttelten die Köpfe. „Okay, Karina! Wie lässt sich Ihre Einstellung zu Sterbehilfe denn mit Ihrer Religiosität vereinbaren?“
„Indem ich mir sage, dass die Kirche nicht immer Recht hat. Denn, wenn wir einen liebenden, gerechten Gott hätten, würde es doch so etwas wie AIDS gar nicht erst geben. Das ist jedenfalls meine Meinung.“
„Und Herr Schumann würde dir jetzt widersprechen und dir sagen, dass solche Krankheiten einfach nur Prüfungen seien, die den Glauben der Menschheit auf die Probe stellen sollen.“ Jessika sprach von unserem Religionslehrer, einem ehemaligen Pfarrer. „Prüfungen? Schön und gut, doch ich finde, dass diese Prüfungen verdammt hart sind!“ Jeanette, mit der ich damals zusammen Konfirmandenunterricht gehabt hatte, stand auf. Wir alle richteten unsere Blicke auf sie. „Wie kann man das ganze Elend der Welt mit Gottes Prüfungen erklären? Klar, das ist alles größtenteils von uns Menschen fabriziert, doch ich bin der Meinung, dass er vielleicht mal eingreifen sollte.“
„Dafür hat Gott uns den freien Willen mitgegeben!“ wisperte ich. „Freier Wille, meinetwegen. Doch es kann doch nicht in Gottes Interesse liegen, dass sich die Menschheit gegenseitig abschlachtet!“
„Darüber sollten Sie besser mit Herrn Schumann diskutieren. Denn solche Fragen fallen dann doch eher in sein Wissensgebiet! Ich wollte anhand dieser Diskussion nur zeigen, dass das Thema Sterbehilfe ein sehr komplexes Thema ist. Nehmen wir jetzt wieder Karinas Beispiel. Wer würde den Freund der jungen Frau für einen Mörder halten?“ Neben Steffi und Claudia meldeten sich nur noch zwei andere. „Und jetzt möchte ich, dass sie der Reihe nach erklären, warum. Verena, fangen Sie doch bitte an.“
„Wir wissen nicht, welche Motive er verfolgt, wenn er ihr Medikamente gibt. Würde er sie vielleicht beerben und die Krankheit kommt ihm ganz gelegen?“ Ich schnaubte und schüttelte meinen Kopf. „Sie hat AIDS, es würde also nur noch ein paar Wochen, im Höchstfall vielleicht drei Monate, dauern, bis sie sowieso stirbt. Ihm geht es also nur darum, dass sie endlich von ihren Schmerzen erlöst wird.“ Verena sagte nichts mehr und Steffi ergriff das Wort. „Man sollte der Natur ihren Lauf lassen. Sie stirbt, wenn es Zeit für sie ist.“
„Aber die Ärzte greifen doch bereits in die Natur ein. Sie wird künstlich beatmet, weil sie so schwach ist, dass sie nicht einmal das mehr schafft. Dazu kommt ein Katheder, weil sie nicht mehr zur Toilette gehen kann, Ernährung über eine Magensonde und natürlich der Tropf mit den Medikamenten. Ist das etwa natürlich?“
„Sie kann die Maßnahmen doch ablehnen, oder nicht?“
"Solange sie bei Bewusstsein ist, müssen die Ärzte alles in ihrer Macht stehende tun, um ihr Leben zu verlängern. Sollte sie ins Koma fallen, liegt der Fall anders, dann muss das nicht mehr sein.“
Ich finde es nicht fair, dass sie ihren Freund in solche Gewissensnöte stürzt. Sie sollte sich doch im Klaren darüber sein, dass er ihr einerseits diesen Wunsch nicht abschlagen will, weil er ihre Lage versteht, doch andererseits, dürfte es ihm wohl schwer fallen, an Medikamente zu kommen. Mal ganz abgesehen davon, dass er doch bestimmt weiß, dass er sich strafbar macht.“ Kerstin sah in die Runde. „Ihr Freund ist selber HIV-positiv. Bei ihm ist das Virus noch nicht ausgebrochen. Die beiden haben sich über Selbstmord unterhalten und sie hat ihn gebeten, dass er ihr hilft, sollte sie nicht mehr in der Lage sein, es ganz alleine zu beenden.“ erklärte ich weiter. „Sie hätte also alleine Schluss machen können und hat es nicht getan? Dann ist es doch ganz klar Mord!“ Claudia schüttelte den Kopf. Warum ist es Mord, wenn man jemandem die Mittel zum Selbstmord bereitstellt? Da müsste man doch eigentlich jeden, der Zigaretten, Alkohol oder ähnliches verkauft ebenfalls verklagen. Schließlich kann man sich damit auch umbringen!“
„Aber das weiß doch jeder, dass Alkohol und Nikotin gefährlich sind.“ verständnislos sah Verena mich an. „Klar weiß das jeder. Und es entscheidet doch auch jeder für sich, ob er raucht oder trinkt. Doch jeder sollte auch wissen, dass eine Überdosis Morphium ebenfalls meistens tödlich endet.“
„Aber was, wenn dieser Selbstmord unnötig gewesen wäre?“
„Wie meinst du das, Kerstin? Sie stirbt so oder so. Mit einer Überdosis bestimmt sie den Zeitpunkt allerdings selber.“
„Dafür, dass wir nur rein hypothetisch über dies alles sprechen, hast du viele Hintergrundinformationen über die beiden.“ Steffi sah mir in die Augen. „Nun, selbst wenn ein Beisiel rein hypothetisch ist, sollte man doch genügend Informationen bieten, damit man bei der Diskussion alle Eventualitäten berücksichtigen kann.“
„Karina, darf ich Sie fragen, in wie weit Ihr Beispiel der Realität entspricht?“
„Sie dürfen eigentlich nicht! Aber Sie tun es ja trotzdem, also kann ich die Frage auch beantworten. Ja, es gibt diese beiden Personen wirklich.“ Meine Klassenkameradinnen schwiegen schockiert. „Waren Sie an der Stelle des guten Freundes?“
„Nein! Doch wenn ich ehrlich bin, hätte ich es auch getan, wenn es nicht anders gegangen wäre.“ Mein Blick hielt dem der Anderen stand. „Du hättest also jemanden umgebracht?“ Verena, die mir von der Gruppe der Sterbehilfegegner am nächsten saß, rutsche mit ihrem Stuhl nach hinten. „Ich sehe es nicht als Mord an. Wenn ihr das aber tut, muss ich wohl ja sagen.“
„Und mit so jemandem müssen wir zusammen sitzen.“ Steffi sprang auf, als wollte sie den Klassenraum verlassen. „Warum sind Sie so gegen Sterbehilfe, Stefanie?“
„In meinen Augen ist es Mord. Es geht doch um Menschen und nicht um Haustiere, die man einfach einschläfern kann.“
„Du meinst also, dass Tiere ein Recht darauf haben, von ihren Schmerzen erlöst zu werden, Menschen aber nicht?“
„So hatte ich das jetzt aber auch nicht gesagt. Aber mit jedem Tag kommt die Medizin weiter. Bald wird HIV wohl heilbar sein. Und daher finde ich, dass man niemandem beim Selbstmord helfen sollte. Das wäre so, als würde man jemanden, der auf einer Brücke steht und noch nicht weiß, ob er springen soll, schubsen.“
„Es gibt in diesem Raum wahrscheinlich niemanden, der sich mehr wünscht, dass deine Worte stimmen und HIV bald heilbar sein wird. Doch ich mache mir nichts vor. Bis dahin ist es leider noch ein sehr weiter Weg. Und so lange, finde ich, hat jeder Mensch das Recht, selber zu bestimmen, wie lange er diese Krankheit ertragen kann. Sollte er beim Schluss machen Hilfe brauchen, sollte ihm diese Hilfe auch gewährt werden.“
„Bist du selber krank, oder warum hat dich das schon so beschäftigt?“ Jeanette, die ich seit dreizehn Jahren kannte, streckte die Hand aus und legte sie auf meinen Arm. „Ich kenne einige Positive Menschen, daher musste ich mich damit auseinander setzen.“
„Hast du keine Angst, dich zu infizieren?“
„Hast du den Biounterricht vergessen? Wir wissen doch, wie wir uns schützen können. Warum sollte ich da Angst haben?“
„Aber, es kann doch immer mal was passieren.“
„Was soll denn passieren? Ich schlafe mit keinem von denen, jedenfalls nicht ohne Gummi, wenn ich mich geschnitten habe, achte ich darauf, dass die Wunde gut verbunden ist, damit dort kein Kontakt entsteht. Vorsichtiger könnte ich nur sein, wenn ich mich nicht mehr mit den Leuten treffen würde. Doch das will ich nicht, da ich die alle sehr mag.“
„Ist es nicht schwer, mit jemandem befreundet zu sein, von dem man weiß, dass er bald sterben könnte?“ Mein Lehrer sah mich mitleidig an. „Natürlich ist es schwer, doch wenn ich mit den Leuten zusammen bin, versuche ich zu verdrängen, dass es bald vorbei sein könnte.“
„Wo haben Sie die Leute eigentlich kennen gelernt?“
Bei JES. Ich arbeite politisch, einer meiner Arbeitskreise beschäftigt sich mit der Drogenpolitik und wir wollten mit Betroffenen sprechen. Also sind wir zur Aidshilfe gegangen. Von Anfang an habe ich mich dort mit einigen sehr gut verstanden.“
„Ja aber...“ Hier unterbrach ich Jessika. „Wir wollten doch über Sterbehilfe diskutieren und nicht über mein Leben!“ In dem Moment schellte es zum Ende der Stunde und wir verließen den Raum um in die Pause zu gehen.

Zwanzig Minuten später setzten wir uns in den Deutschunterricht. Frau Metz hatte bereits eine Kurzgeschichte verteilt, die wir interpretieren sollten. Ich war froh, dass die Diskussion aus dem Soziologieunterricht nicht fortgeführt wurde. Dennoch konnte ich mich kaum auf den Text konzentrieren. Meine Lehrerin bat mich nach der Doppelstunde, einen Moment zu warten. „Ist alles in Ordnung, Karina? Sie wirken heute etwas mitgenommen.“
„Wir haben im Soziologieunterricht über Sterbehilfe diskutiert. Das hat mich in der Tat etwas mitgenommen.“ sagte ich ihr die halbe Wahrheit. „Warum denn? Sie sind doch sonst doch ein eher fröhlicher Mensch, den kaum etwas aus der Ruhe bringen kann.“
„Schon, doch erst vor knapp einer Woche ist eine meiner Bekannten verstorben.“
„In Ihrem Alter sollten Sie keine Bekannten durch den Tod verlieren.“
„Nun, wenn man sich mit todkranken Menschen anfreundet, kann das passieren. Ich kenne einige Menschen, die HIV-positiv sind.“ Mit diesen Worten drehte ich mich zur Tür. „Ich bitte Sie, dass ich jetzt gehen darf. Ich würde vor dem Psychologieunterricht gerne noch etwas essen.“ Mit einem Nicken wurde ich entlassen und verließ den Raum.

Bevor ich das Café, in dem ich oft etwas aß, betrat, rief ich Lars an. Er klang sehr müde, als er mich bat, nach dem Unterricht zu ihm zu kommen. Nachdem ich es ihm zugesichert hatte, holte ich mir etwas zu essen, obwohl ich keinen Appetit hatte. Lustlos kaute ich auf einem Brötchen, als sich Jeanette Steffi und Jessika an meinen Tisch setzten. „Du bist so blass. Nimmt dich das Thema so sehr mit?“ Jeanette rutschte so dicht neben mich, dass sich unsere Beine fast berührten. Natürlich nimmt mich das Thema mit. Oder meinst du etwa, dass ich es so einfach verdrängen kann, dass mir langsam alle meine Freunde wegsterben? Wie würdest du denn reagieren?“
„Was ist denn mit deinen Schulfreunden? Hast du zu denen denn keinen Kontakt mehr?“
„Hatte ich denn viele Freunde auf der Schule?Nein, hatte ich nicht. Ich war doch immer die etwas seltsame Außenseiterin.“
„Woran du nicht ganz unschuldig warst. Du hättest dich ja auch einfach etwas anpassen können.“
„Warum hätte ich das tun sollen? Damit Leute, die zu engstirnig sind, um anders sein akzeptieren zu können, so tun können, als würden sie mich mögen? Danke, aber da bleibe ich lieber alleine!“ Mit diesen Worten schob ich die Reste meines Brötchens beiseite, stand auf und verließ das Café. Wütend lief ich das Stück zur Schule,m ohne auf Jeanettes Rufe zu reagieren. Erst am Tor schaffte sie es, mich einzuholen. „Tut mir leid. Ich bin manchmal echt ein Idiot!“ Sie streckte mir die Hand entgegen. „Wieder Freunde?“ Kopfschüttelnd drehte ich mich weg. „Das waren wir nie!“ flüsterte ich traurig und ging auf das Gebäude zu.

Nach fast einer endlosen Doppelstunde Psychologie konnte ich das Schulgebäude endlich verlassen. Ich beeilte mich, um zu Lars zu kommen. Dieser wartete an der Bahnhaltestelle auf mich. Ungeachtet der Menschen, die uns beobachten konnten, zog ich ihn in meine Arme. „Hallo Engel!“ wisperte er dabei in mein Haar. „Motek! Komm, lass uns zu dir gehen.“ Er nickte und nahm meine Hand. „Wie war es?“ fragte ich, nachdem die Wohnungstür hinter uns ins Schloss gefallen war und wir uns auf die Couch setzten. „Genauso furchtbar, wie ich es mir gedacht hatte. Ich hasse Beerdigungen.“
„Waren viele Leute da?“
„Nein. Ein paar von JES und den JUSOS. Von Alexas Familie war keiner da. Und außer uns hatte sie ja auch keine Freunde mehr.“ Dieser letzte Satz hatte so etwas endgültiges, dass ich nicht mehr weiter fragte. Nach einigen Minuten des Schweigens stand Lars auf und durchsuchte seine CDs. Ich ging zu ihm. „Was hast du?“ Zärtlich legte ich ihm eine Hand auf den Arm. Dabei fiel mir auf, dass seine Hände zitterten. „Ich habe Angst, Engel! Seit Jahren schon ist niemand mehr aus meinem Bekanntenkreis gestorben. Und jetzt ausgerechnet Alexa. Ich frage mich, wann ich wohl dran sein werde.“
„Oh Motek!“ Sanft nahm ich ihn in den Arm und zog ihn zurück zur Couch. Er presste sein Gesicht gegen meine Schulter. „Bitte Engel, lass mich nicht allein.“
„“Keine Sorge, ich bleibe bei dir. Warte, ich rufe eben den Drachen an, damit sie weiß, dass ich hier bleibe heute Nacht.“ Ich stand auf und wählte die Nummer meiner Mutter. „Du, meinem Freund geht es heute nicht sehr gut. Ich wollte daher hier bleiben. Nein, die sind auch nicht da. Okay, danke!“ Lars sah mich an, als ich mich wieder zu ihm setzte. „Es geht, dass ich morgen früh von hier aus zur Schule gehe. Zwar ist meine Mutter nicht gerade begeistert gewesen, doch das ist mir egal.“
„Ach Engel, womit habe ich dich nur verdient?“
„Weil du genau so bist, wie du bist!“ erwiderte ich leise, während ich mich an ihn kuschelte. Seine Hände streichelten über mein Haar, meinen Nacken, bevor er mir das Oberteil auszog. Ich stoppte ihn. „Bitte, ich bin heute nicht in der Stimmung dafür!“
„Was hast du, Engel? Du warst schon bei unserem Telefonat vorhin so komisch.“ Ich erzählte ihm von der Diskussion im Soziologieunterricht und meinen anschließenden Gesprächen. „Und dann muss ich mich von diesen Idioten auch noch blöd anmachen lassen, weil ich für Sterbehilfe bin.“
„Ich dachte eher, dass du dagegen wärst, weil du so geschockt warst, als ich Alexa letzte Woche geholfen habe.“
„Nein, da irrst du dich. Wenn es bei dir soweit sein sollte, wäre ich doch auch für dich da.“
„Brauchst du nicht, Engel! Ich werde nicht im Krankenhaus landen.“
„Ich will noch immer, dass du mich mitnimmst!“
„Und ich sage noch immer, dass ich das nicht tun werde. Du bist jung und gesund. Nur deine Liebe zu mir darf doch nicht Grund für diese Todessehnsucht sein.“
„Weil ich diese Einsamkeit ohne dich einfach nicht ertragen kann. Seit wir uns kennen, bin ich nicht mehr so alleine, wenigstens nicht mehr, wenn du bei mir bist. Ohne dich bin ich doch sogar in einer Menschenmenge einsam.“ Lars strich mir über das Gesicht. „Engel, ich wünsche mir wirklich, dass du glücklich wirst. Daher kann ich dich nicht mitnehmen.“
„Ich weiß! Doch ich werde wohl nie mehr richtig glücklich sein, wenn du nicht mehr bei mir bist.“
„Mein Liebling! Vielleicht wird es auch nicht notwendig sein, dass wir uns darüber Gedanken machen.“ Doch, dass er mir nicht in die Augen sehen konnte, während er dies sagte, strafte seine zuversichtliche Worte Lügen. Allerdings würde ich diese Lügen nur zu gerne glauben können.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:27 pm

9. Kapitel. Zweifel an Gott

Am Sonntag nach Alexas Beerdigung ging ich in die Kirche. Wie immer waren außer mir nur sehr wenig andere Menschen in dem Raum. Die Stille war tröstlich, nach dem hektischen Lärm, der auf der Straße geherrscht hatte. Noch bevor der Gottesdienst begann, betete ich für Alexas Seele, die nun befreit war von dem leidenden Körper. Ebenfalls betete ich für Lars, wobei ich, wie eigentlich immer, nur wollte, dass es ihm weiterhin gut ginge. Leise Schritte verrieten mir, dass Ralf, der Pfarrer unserer Gemeinde, den Gottesdienst beginnen wollte. Daher sah ich hoch. Er nickte mir fast unmerklich zu, denn ich saß wie immer in der Mitte der zweiten Bank. Dann begann die Predigt. Dieses Mal gingen mir die Worte besonders nah, denn Ralf sprach über die Sünde des Mordes, zu dem auch Selbstmord und auch Sterbehilfe zählten. Mein Herz verkrampfte sich bei dem Gedanken an Lars. Bisher hatte mich ein Gebet, oder ein Besuch in der Kirche immer beruhigt. Heute jedoch stürzten mich die Worte in tiefe Verzweiflung. Nach dem Gottesdienst ging ich als letzte hinaus. „Ralf, kann ich vielleicht mal einen Moment mit dir sprechen?“
„Hat das nicht Zeit bis Donnerstag nach den Proben für das Krippenspiel?“ Ralf sah auf die Uhr. „Hätte es schon, doch ich habe eine Frage. Dauert auch nicht lange.“ Er nickte und wir gingen in die Sakristei. „Na gut, was willst du unbedingt wissen?“
„Was du gerade in der Predigt gesagt hast, ist das die Meinung der Kirche, oder deine Persönliche?“
„Sowohl als auch. Obwohl ich ja nicht immer einer Meinung bin mit den Dingen, die uns die Bibel vorgibt, in dem Punkt bin ich es.“
„Aber man muss doch immer die Situation betrachten. Da muss es doch Ausnahmen geben?“
„Was für Ausnahmen meinst du denn? Du willst dich doch nicht etwa selber umbringen und bereits im Voraus die Absolution?“
„Nein, natürlich nicht! Ich wollte nur wissen, Ausnahmen gibt. Schwere Krankheiten, die sowieso tödlich enden würden. Oder so etwas ähnliches.“
„Was ist denn im Moment mit dir los? Seit über einem Jahr bist du so seltsam. Es scheint mir fast, als hättest du deinen Glauben und damit das Vertrauen zu Gott verloren. Zumal du seit einigen Monaten auch kaum noch in die Kirche kommst. Sag jetzt bitte nicht, dass du krank bist, oder hast du eine andere Gemeinde gefunden, zu der du gehst?“ Ich schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht. Ich musste nur über vieles nachdenken. Und jetzt wollte ich mich nur ganz allgemein einmal erkundigen. Denn, wenn mein Weg so weitergeht, wie ich es geplant habe, muss ich doch irgendwann den Angehörigen von Selbstmördern Trost spenden. Doch deine Worte gerade klangen nicht unbedingt tröstend.“
„Bei einer Trauerfeier, oder einem Beratungsgespräch würde ich auch andere Worte wählen. Doch laut Bibel ist Selbstmord eine schwere Sünde. Sie steht auf der gleichen Stufe mit Mord.“
„Okay, danke!“ Nach diesen Worten verließ ich noch genauso Verstört wie zuvor die Sakristei. „Karina, warte!“ Ralf kam hinter mir her. Doch ich blieb nicht stehen. Sonst hätte er meine Tränen gesehen.

Zwei Stunden lang lief ich ziellos durch die Stadt. Immer wieder gingen mir Ralfs Worte durch den Kopf. Mehr und mehr bauten sich Zweifel in mir auf, ob der christliche Weg der Richtige für mich sei. Als ich erschöpft auf eine Bank fiel, war in mir der Entschluss gereift, dass ich mit der Kirche nichts mehr zu tun haben wollte. Denn, wie konnte ich weiterhin einen Gott anbeten, der es zuließ, dass die Menschen so verzweifelt waren, dass sie ihrem Leben ein Ende bereiten wollten und dieses dann noch als Sünde deklarieren. Schon nach der Vergewaltigung hatte ich mich gefragt, wie Gott das hatte zulassen können. Auf diese Frage hatte ich nie eine Antwort erhalten, doch damals war mein Glaube noch stark genug gewesen, dass ich zweifelte, aber meinen Glauben nicht verlor. Eine Leere fing an sich in mir auszubreiten, als ich aufstand, um zu Lars zu fahren. Noch auf dem Weg zu ihm, nahm ich das Goldkreuz ab. Ohne es noch einmal anzusehen, stopfte ich es in die Jackentasche.

Lars sah mich erschrocken an, als ich in seine Wohnung trat. „Engel, was hast du?“ Er zog mich an sich und die Wärme seines Körpers schien die Leere in mir füllen zu wollen. Ich klammerte mich an ihn. „Bitte, lass mich nicht los! Ich brauche dich so!“ Meine Stimme war so leise, dass er mich kaum verstehen konnte. Doch er schien zu spüren, was ich brauchte, denn er dirigierte mich ins Schlafzimmer und drückte mich sanft auf das Bett. Er legte sich neben mich. „Jetzt erzähl erst einmal, was los ist!“ forderte er mich zärtlich auf, während er mich in seinem Arm hielt. Stockend berichtete ich, was mir in der Kirche passiert war. „Mein armer Engel!“ Sachte küsste er die Tränen fort. Langsam beruhigte ich mich, so dass ich mich aufrichtete, um mir die Jacke auszuziehen. Als ich sie zu Boden warf, rutschte das Kreuz aus der Tasche. Lars stand auf und nahm das Kettchen an sich. „Liebes, was soll das denn?“ Er hielt mir die Kette hin. „Ich kann es einfach nicht mehr tragen. Es kommt mir alles so falsch vor, woran ich die letzten vier Jahre geglaubt habe.“
„Ach mein Liebling!“ mehr sagte er nicht, drückte mir jedoch die Kette in die Hand. Wortlos legte ich sie auf den Nachttisch. Dann stand ich auf. Lars legte mir die Hände auf die Schultern. Ich strich ihm über die Arme. Schweigend drückte er mich zurück auf das Bett. Sanft küsste er mich, während er mich auszog. Seine Lippen streiften meine Haut und ich schob meine Hände unter seinen Pullover. Er hielt mit seinen Liebkosungen inne, richtete sich auf und zog sich ebenfalls aus. Ich beobachtete ihn dabei. Mein Herz raste vor Verlangen. Endlich glitt er wieder neben mich. „Mein Liebling!“ wisperte er dabei. Als er nach der Schachtel mit den Kondomen greifen wollte, hielt ich seine Hand fest. „Bitte, ich will dich so spüren!“ Doch Lars schüttelte den Kopf. „Mit, oder gar nicht! Du weißt, dass es nicht anders geht. Wenn die Dinge anders stünden, würde ich es gerne anders haben.“ Bei diesen Worten strich seine rechte Hand über meinen Körper. Meine Hand, die auf seiner Linken lag, fiel kraftlos herab. Lars zog sie von der Schachtel zurück. „Ach Engel, du weißt doch, dass ich auch am liebsten auf jegliche Vorsichtsmaßnahmen verzichten würde, aber das geht nicht.“
„Ich will dich doch nur einmal richtig spüren, ohne irgendetwas dazwischen.“
„Leider gilt der Spruch >Einmal ist keinmal< hier nicht. Wenn ich es zulassen würde, wäre es eine Straftat. Außerdem will ich dich nicht infizieren. Das würde ich nicht durchstehen, Engel!“
„Das weiß ich doch! Nur würde ich es heute brauchen. Ich brauche dich!“
„Ich bräuchte es genau so sehr, dich ganz bei mir zu spüren, doch das wäre mehr noch als unvernünftig. Damit würde ich dich umbringen. Und ein zweites Leben will ich nicht auf dem Gewissen haben!“
„Na und? Ich will sterben! Da wäre es doch auch egal, ob du mich infizierst, oder nicht.“ Lars stand auf und zog sich an. Als er das Zimmer verließ, sprang ich auf und lief ihm nach. „Motek, was ist?“ Seine Stimme war kalt, als er meine Frage beantwortete. „Mir ist die Lust vergangen! Tut mir leid!“
„Nein Motek, mir muss es leid tun! Irgendwie schaffe ich es, dass ich heute alles kaputt mache!“ Mit gesenktem Kopf ging ich zurück in das Schlafzimmer, um mich ebenfalls anzuziehen. Ich setzte mich auf das Bett und weinte, während ich auf die Geräusche aus dem Wohnzimmer lauschte. Lars lief zuerst hin und her. Dann hörte ich das Klirren eines zersplitternden Glases. Dieses Geräusch ließ mich in das Wohnzimmer laufen. Lars saß auf der Couch und hielt die Flasche Weinbrand in der Hand, die er vor wenigen Monaten meinetwegen gekauft hatte. Er trank daraus. Am Boden, in der Nähe der Wand lagen die Splitter des Glases und von dem goldfarbenen Fleck stieg der Geruch nach Weinbrand auf. Ich nahm Lars die Schnapsflasche aus der Hand und trug sie in die Küche. Um dem Drang einen Schluck davon zu nehmen, schüttete ich die Flüssigkeit in den Ausguss. Nun kehrte ich die Scherben zusammen und versuchte mit einem feuchten Lappen den Fleck aus dem Teppichboden zu entfernen. „Lass das sein!“ Lars Stimme war rau. Ob vor Wut, oder wegen des Alkohols konnte ich nicht sagen. Er drängte mich gegen die Wand. Seine Finger nestelten an den Knöpfen meiner Bluse. Grob schob er den Stoff beiseite. In seinem Atem konnte ich den Schnaps riechen. Während er mir meine Kleidung vom Körper riss, versuchte er immer wieder, mich zu küssen. Ich drehte den Kopf weg von seinem Gesicht. Als er mich noch dichter an die Wand drückte, kratzte die kalte, raue Tapete an meinem Rücken. „Bitte, nicht so!“ wimmerte ich, als er seine Jeans zu öffnen begann. Ich versuchte mich aus dem harten Griff seiner rechten Hand zu befreien. „Du willst es doch ohne Gummi und wenn ich dir deinen Willen lasse, will ich es etwas härter, als sonst!“ Seine Hand glitt in meinem Nacken und griff in meine noch immer recht kurzen Haare. So hielt er meinen Kopf fest, als er seine Lippen auf meine presste. Ich schmeckte den Alkohol und wünschte mir nichts sehnlicher, als etwas zu trinken, um Lars' Attacke ertragen zu können. Der Kuss war hart und unnachgiebig. Und obwohl mich die Art zuerst geängstigt hatte, erwiderte ich ihn voll Verlangen. Mit einem Keuchen ließ Lars mich los und verließ den Raum. Ich hörte die Badezimmertür ins Schloss fallen und hob meine Kleidung vom Boden auf. Meine Hände zitterten so sehr, dass es länger dauerte, als gewöhnlich, bis ich mich wieder angezogen hatte. Gerade, als ich den letzten Knopf meiner Bluse schloss, kam Lars zurück ins Zimmer. Seine blonden Haare waren feucht und als er mich an sich zog, um mich diesmal sanft zu küssen, konnte ich den leichten Pfefferminzgeschmack seiner Zahnpasta ausmachen. „Das gerade tut mir furchtbar leid, Engel! Ich bin manchmal echt so ein Arschloch!“
„Du bist kein Arschloch! Ich bin ein totaler Idiot!“ Diesmal war ich es, die ihn küsste. Er schloss die Augen, erwiderte meinen Kuss und schob dabei meinen Rock hoch. Wir sanken auf den Teppich. Seine Lippen streiften meinen Hals. „Ich will dich spüren!“ keuchte ich, während ich seine Jeans öffnete und ihn streichelte. „Okay!“ Er richtete sich auf und wollte mich mit sich ziehen. „Hier und jetzt!“ stoppte ich ihn. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er ein Kondom aus seiner Jeanstasche zog.

Ich beobachtete Lars, als er sich hinterher von mir zurückzog. „Danke!“ wisperte ich, nachdem er mir hoch geholfen hatte. „Ist doch schon okay, Engel!“
„Nein, ich meinte das gerade! Ich habe schon verstanden, was du mir damit sagen wolltest!“
„So, du hast also verstanden, was ich dir habe sagen wollen?“
„Ja! Genauso wenig, wie ich will, dass du mir weh tust, genauso wenig willst du ohne Gummi mit mir schlafen.“
„Was macht dich so sicher, dass es das war, was ich dir habe sagen wollen? Vielleicht hätte ich ja ganz gerne mal so eine schnellte, harte Nummer im Stehen gehabt.“
„Wenn dem so gewesen wäre, hättest du nicht in dem Moment aufgehört, als ich aufhörte, mich gegen dich zu wehren.“
„Meinst du das wirklich? Es könnte doch genauso gut sein, dass ich auf ein bisschen Gegenwehr stehe, aber keine Lust mehr hatte, als du dich darauf eingelassen hast!“
„Davon, das du keine Lust mehr hattest, habe ich aber nichts gemerkt.“
„Engel, anscheinend hast du mich nicht wirklich verstanden. Natürlich ist das auch okay, solange meine Tat die gewünschte Wirkung erzielt hat.“
„Und was wolltest du mir eigentlich sagen?“
„Ich wollte dir etwas antun, damit du mich hasst! Das wäre mir alle Male lieber, als diene fast schon Abhängigkeit zu mir. Ich wollte, dass du dich von mir losreißt, meine Wohnung verlässt und nie wieder ein Wort mit mir wechseln willst. Alles, was dafür sorgt, dass du diese Todessehnsucht los wirst. Doch ich konnte dir nicht weh tun. Ich hatte dir doch versprochen, es niemals zu tun. Engel, bitte verzeihe mir!“
„Da gibt es nichts zu verzeihen! Zwar hast du mir kurz Angst gemacht, weil du was getrunken hattest und dann deine Art, doch das ist jetzt bereits vergessen!“
„Warum vertraust du mir nur so blind!“
„Weil ich dir bisher immer blind vertrauen konnte. Und ich weiß, dass ich es noch immer kann!“
„Engel, ich will doch einfach nur, dass dir dein Leben wichtig ist!“
„Du bist mir wichtig, Motek!“ Bei meinen Worten berührte ich seinen Arm. Kopfschüttelnd zog Lars mich an seine Brust. „Ach mein süßer Engel!“ flüsterte er dabei. Ich seufzte leise und drängte mich dichter an ihn. „Bitte, lass mich nicht los!“
„Natürlich halte ich dich fest, Engel!“
„Das vorhin tut mir leid, Motek! Ich versuche ja mein Leben zu lieben. Nur manchmal habe ich Angst, ohne dich sein zu müssen!“ Er legte mir einen Finger auf die Lippen. „Schon gut, Engel! Lass uns jetzt nicht mehr davon sprechen. Ich werde für dich da sein, wenn du mich brauchst!“ Sanft küsste er mich. „Ich brauche dich!“ erwiderte ich flüsternd und klammerte mich an ihn.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:28 pm

10. Kapitel: Das Versprechen

Da ich Lars versprochen hatte, dass ich wenigstens versuchen wollte, in meinen Klassenkameraden Freunde zu finden, traf ich mich an einem Nachmittag mit Andrea. Sie schien noch mit zu den Vernünftigsten zu gehören. Wir saßen in ihrem Zimmer und unterhielten uns. Dann sah ich dabei zu, wie sie mit geschickten Fingern einen Joint drehte. Nachdem sie ihn angezündet und selber daran gezogen hatte, hielt sie ihn mir hin. Ich schüttelte den Kopf. „Nein danke, aber ich nehme so ein Zeug nicht.“
„Na komm schon! Sei doch nicht immer so verdammt spießig!“
„Ich bin nicht spießig, ich habe nur keine Lust, mir von irgendeinem Gift meine Zukunft verbauen zu lassen! Was zieht dich nur zu solch einem Dreck?“
„Das ist ein total cooles Gefühl! Ich mag es einfach, wenn alle meine Probleme durch den Rausch wie weggeblasen sind. Vor allem Heroin ist manchmal ganz gut dafür. Man darf es nur nicht zu oft nehmen und niemals spritzen. Sonst wird man abhängig!“ Am liebsten hätte ich ihr von Lars erzählt. Noch immer hatte ich seine Worte im Ohr, wie er über den Anfang seiner Sucht gesprochen hatte. Andreas Worte jetzt klangen dem sehr ähnlich. Doch ich tat es nicht, auch wenn meine nächsten Worte vorsichtig gewählt waren. „Hast du denn keine Angst, dass du mal abhängig wirst? Du weißt doch bestimmt, dass das schneller gehen kann, als man denkt. Und so viele Abhängige denken, dass sie die Sucht im Griff haben!“
„Du solltest dich mal hören! Man merkt schon, das du Pfarrerin werden willst. Verteufelst ja jetzt schon alle Genüsse. Aber ein Tipp: Höre dann mal besser mit den Kippen und dem Kaffee auf. Die zählen doch auch zu den Drogen.“
„Ich weiß, dass ich abhängig von Nikotin und Koffein bin. Im Gegensatz zu anderen Menschen kenne ich meine Süchte genau.“
„Sagte ich doch gerade, dass du spießig bist. Du nimmst nichts zur Entspannung, trinkst ja nicht einmal etwas Alkohol und bestimmt gibt es auch keinen Mann in deinem Leben. Nur Gott und die Kirche!“ Ich hatte in der Schule bisher noch nicht durchklingen lassen, dass ich nicht mehr in die Kirche ging. Dabei hätte ich auch die Gründe erzählen müssen, doch dazu hatte ich bisher nicht die Kraft gefunden. „Mag schon sein, dass es Menschen gibt, die mein derzeitiges Leben langweilig finden. Doch ich bin zufrieden damit. Ich brauche mich nicht zudröhnen, um Spaß zu haben.“
„Von zudröhnen kann doch keine Rede sein, doch du kommst ja nicht einmal mit, wenn wir mit der gesamten Klasse feiern gehen. Immer redest du dich raus.“
„In meinem Leben gibt es Dinge, die mir wichtiger sind, als Partys. Schließlich bin ich noch jung, zum feiern bleibt mir noch genug Zeit.“ Ich wollte Andrea nicht von meiner erst kürzlich überwundenen Alkoholsucht erzählen. Keiner aus meiner Klasse wusste davon, daher hatte ich bisher auch nie an deren Partys teilnehmen wollen. „Und was könnte in unseren Alter wichtiger sein, als etwas Spaß zu haben?“
„Ich will mir jetzt erst einmal eine Grundlage für mein späteres Leben schaffen. Erst das Abitur, dann studieren und später habe ich genug Zeit, um auch etwas zu feiern!“
„Aber was hast du denn momentan von deinem Leben?“
„Ich habe doch Spaß! Treffe mich mit Freunden, arbeite politisch, was mir auch Spaß macht. Zum feiern braucht man doch nicht irgendwelche Drogen, oder übermäßig viel Alkohol.“
„Aber hin und wieder etwas trinken ist doch kein Verbrechen!“
„Das sage ich doch auch nicht! Ich bin gegen Drogenkonsum, da ich die Gefahren, die davon ausgehen, sehr gut kenne. Und die gleichen Gefahren gibt es bei übermäßigem Alkoholgenuss!“
„Und warum bist du nie dabei, wenn unsere Klasse feiern geht? Hast du etwa was gegen uns?“ Ich schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht! Doch jetzt vor der Wahl habe ich sehr viel zu tun. Dazu kommt noch das ganze lernen und vor allem meine Kirchenarbeit. Wir sind jetzt schon mitten in den Vorbereitungen für Weihnachten. Aber ich nehme mir in der nächsten Woche wirklich mal Zeit, was mit euch zu unternehmen. Können wir doch morgen in der Pause besprechen, denn jetzt muss ich auch schon wieder los. Wichtige Sitzung für Wahlhelfer. Bis morgen!“ Andrea murmelte noch einen Abschiedsgruß, dann war ich auch schon aus der Tür hinaus gelaufen.

Auf der Straße atmete ich erst einmal tief durch. Denn, obwohl ich selber sehr viel rauchte, hatte mich die stickige Luft in Andreas Zimmer gestört. Ich ging langsam zu Lars. Auf dem Weg dachte ich über Andreas Worte nach. Natürlich wusste ich, dass ich manchmal langweilig wirken musste, da ich meistens zu nachdenklich war, um wirklich ausgelassen sein zu können. Doch ich hatte mein gesamtes Leben auf diese Art verbracht, so dass es für mich zur Normalität gehörte, etwas melancholisch zu sein. Natürlich war mir klar, dass es besser für mich wäre, wenn ich öfter mit meinen Mitschülerinnen etwas unternehmen würde, doch da ich meine gesamte Freizeit mit Lars verbringen wollte, war mir das nicht sehr wichtig.

Lars bemerkte sofort, dass ich über etwas nachdachte. „Eine meiner neuen Klassenkameradinnen ist drauf. Und nicht nur das, sie meinte auch noch, dass ich ja total spießig sei, nur weil ich gegen Drogenkonsum bin.“
„Engel, lass bloß die Finger von dem Dreck!“ Lars' Hände verkrampften sich um meine Schultern. „Hab ich doch auch vor, Motek!“
„Versprich es mir, Engel! Versprich mir, dass du, egal was passiert, deine Finger vom Heroin lässt!“
„Ich verspreche dir, dass ich, sollte ich jemals Heroin probieren, es so mache, dass es das letzte ist, was ich tue!“
„Wie meinst du das, Engel?“
„So wie ich es gesagt habe! Sollte ich Heroin nehmen, dann direkt genug, so dass es vorbei ist!“
„Ich weiß, dass ich noch einmal gefragt hatte, aber warum muss zur Zeit jedes unserer Gespräche bei diesem Thema enden?“
„Welches Thema denn? Ich habe gerade nur gesagt, dass ich erst einmal keine Drogen anpacken werde, es sei denn, dass ich sterben will!“
„Und genau das meinte ich! Jedes Mal landen wir bei dem Thema Selbstmord! Lass dir gesagt sein, dass eine Überdosis kein sehr schöner Tod ist!“
„Du weißt doch ganz genau, dass ich Angst vor Nadeln habe!“ Er fuhr mir sacht durch das Haar. „Ach Engel!“ seufzte er dabei. „Mach dir keine Sorgen, ich werde schon keine Drogen nehmen!“
„Besser ist es auch! Dieser Dreck macht so vieles kaputt!“
„Du hast es mir schon oft genug gesagt. Mach dir bitte keine Sorgen!“ Ich wiederholte den letzten Satz immer wieder. Lars schob mich zur Couch, drückte mich in die Polster und schlang einen Arm um mich. Ich zündete mir eine Zigarette an und reichte Lars die Schachtel. Er nahm sich ebenfalls eine der vorgedrehten Zigaretten und schweigend rauchten wir.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:29 pm

11. Kapitel: 17. November 1999

Gestresst stürmte ich in mein Zimmer. Ein kurzer Druck auf die Play-Taste meiner Anlage und es erklang >American Pie< von Don McLean. Während ich mich schnell umzog sang ich mit. Bevor das Lied zu ende war, drückte ich auf Repeat. Nur, um kurz auf die Uhr zu sehen, unterbrach ich es meine inzwischen wieder knapp schulterlangen Haare auszubürsten. Als ich sah, dass ich noch genug Zeit hatte, entspannte ich mich etwas. In Gedanken war ich bereits bei Lars. Heute hatte er die neuesten Untersuchungsergebnisse bekommen. Da es ihm seit einiger Zeit wieder sehr gut ging, er sogar wieder etwas zugenommen hatte, wagte ich es, ein wenig zu hoffen und von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen. Noch gestern hatte er es am Telefon erwähnt, wollte aber erst die schriftliche Bestätigung seines Arztes haben, bevor er Pläne schmieden wollte. Doch ich hatte diese feine Nuance der Hoffnung in seiner Stimme hören können. In der Mittagspause hatte ich kurz das Bedürfnis verspürt, ihn anzurufen, es dann aber unterlassen, da wir uns ja gleich sehen würden. In Erinnerung an unser erstes Treffen, wollten wir uns heute im Schacht 4/8 treffen. Ich konnte kaum glauben, dass seit diesem Tag erst etwas über elf Monate, also nicht einmal ein ganzes Jahr, vergangen war. So vieles war seit dem passiert. Meine Gedanken wanderten zu dem jungen, eingeschüchterten Mädchen zurück, das ich damals gewesen bin. Durch Lars hatte sich so vieles verändert, vor allem, was meine Einstellung zum Leben betraf. Zwar war ich noch immer fest entschlossen, ihm zu folgen, sollte er gehen müssen, doch inzwischen hatte ich endlich wieder etwas Spaß an meinem Leben. In diesem Moment klingelte das Telefon und meine Mutter rief mich, da es Axel war. Mit dem schnurlosen Telefon verschwand ich in meinem Zimmer. „Hey Axel, was gibt es denn?“ Ich ließ mich auf mein Bett fallen. Axels Stimme klang brüchig und im Hintergrund hörte ich >Alles aus Liebe< von den toten Hosen. „Kyra, setze dich mal bitte hin!“
„Ich sitze! Was ist denn los Axel?“
„Kyra! Lars ist tot!“ Bei diesem Satz fing es in meinen Ohren an zu rauschen und die Musik meiner Anlage schien zu verstummen. „Das kann nicht sein! Wir sind doch für gleich verabredet und er würde mich doch nie hängen lassen!“ Unsinnigerweise wiederholte ich diesen Satz immer wieder. Irgendwann unterbrach Axel mich. „Kyra, ich kann es doch auch kaum glauben, dass es wahr ist. Aber ich habe ihn vor nicht einmal zehn Minuten gefunden. Am besten treffen wir uns. Ich habe hier auch noch einen Brief für dich.“ Mir lag eigentlich auf der Zunge, dass ich keine Zeit hätte, da ich mich mit Lars träfe, doch fast mechanisch sagte ich zu.

Eine Stunde später saß ich im Credo Axel gegenüber. Ich rauchte eine Zigarette nach der anderen, während Axel nur mit seinem Feuerzeug spielte. „Kyra, ich wollte eigentlich nicht derjenige sein, der es dir sagen muss. Aber ersten habe ich Lars gefunden und zweitens hätte dich von einem der anderen wohl keiner verständigt.“
„Es kann doch nicht sein, dass er tot ist.“ wisperte ich. Meine Stimme war rau durch die unterdrückten Tränen. Axel legte eine Hand auf meine ineinander verschlungenen Arme. „Wenn ich ihn nicht selber gefunden hätte, würde ich es doch auch nicht glauben wollen!“
„Und wie hat er es getan?“
„Eigentlich will ich es dir nicht sagen, doch du wirst bestimmt keine Ruhe geben, bevor du es weißt. Er hat sich erschossen. Direkt in die Schläfe. Es tut mir wirklich leid für dich. Ich habe euch diese Beziehung wirklich gegönnt.“ Axel schob mir einen verschlossenen Umschlag hin. Ich strich über die verschlungenen Buchstaben in roter Tinte, mit denen Lars meinen Namen geschrieben hatte. Dann steckte ich ihn vorsichtig in meine Handtasche. Axel beobachtete mich dabei. „Ich hatte ihn eingesteckt, bevor die Polizei ihn lesen konnte. Es lag noch ein anderer Brief auf dem Tisch. Einige von den CDs habe ich auch dabei. Lars hatte gewollt, dass du sie bekommst. Du hast ihm viel bedeutet.“ Mit diesen Worten schob mir Axel drei CDs zu. Oben auf lag die >Kauf mich< von den toten Hosen, die Lars bei seinem Tod gehört hatte. Ansonsten waren es noch >The battle rages on< von Deep Purple und die >Best of< von Bob Dylan. Fast zärtlich liebkosten meine Finger die Plastikhüllen. „Warum hast du ausgerechnet diese CDs ausgesucht?“
„Lars hatte sie so gestapelt. Ich habe nur die eine CD aus seiner Anlage geholt, nachdem die Polizei es mir erlaubt hatte.“
„Wie bist du eigentlich in die Wohnung gekommen?“
„Vor ein paar Wochen hat Lars mir seinen Schlüssel gegeben. Ich glaube, dass er es geplant hat, dass ich ihn finde.“ Ich überlegte kurz. „Ja, das könnte sein! Ich glaube, dass er so etwas auch mal erwähnt hatte. Doch er hatte mir nie gesagt, wie er es beenden will. Eigentlich dachte ich, dass er Tabletten bevorzugen würde. Auch wenn ich von der Waffe wusste.“ Nach diesen Worten sprang ich auf und lief zur Toilette. Hinter der geschlossenen Kabinentür sank ich zu Boden. Meine Hände zitterten und ich spürte ein Verlangen nach Alkohol, das so stark war, wie schon seit Monaten nicht mehr. Und obwohl ich den Drang zu trinken relativ gut unter Kontrolle hatte, fand ich es mit einem Mal so sinnlos, ihm nicht nachzugeben. Als ich aufstand, taumelte ich gegen die Tür und mir war, als hörte ich Lars Stimme, die mir ein sachtes 'Engel!' zuflüsterte. Meine Kehle war wie zugeschnürt, ich konnte kaum noch atmen, doch ich wollte nicht weinen. Daher ließ ich mir kaltes Wasser über die Handgelenke laufen und spritzte mir auch etwas davon in das Gesicht. Nun ging ich zurück in den Schankraum.

„Geht es dir jetzt etwas besser?“ Axel kam mir entgegen und sah mich besorgt an. „Besser? Wie kannst du fragen, ob es mir besser geht?“ Wütend nahm ich meine Handtasche und packte die CDs ein, bevor ich die Gaststätte verließ. Axel konnte mir nicht direkt folgen, da er erst noch die Rechnung bezahlen musste. Daher schaffte ich es bis zu der Bahnhaltestelle, bevor er mich eingeholt hatte. Dort versuchte er mich in seine Arme zu ziehen, doch ich wehrte mich dagegen. „Lass es bleiben, Axel!“ fauchte ich und sprang in die Bahn, die in diesem Moment einfuhr. Überrascht konnte Axel mir nicht mehr folgen.

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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:30 pm

12. Kapitel: Der Abschiedsbrief

Zu Hause ging ich direkt in mein Zimmer und zog den Brief aus der Tasche. Lange Zeit hielt ich den Umschlag nur in der Hand. Hatte sogar ein wenig Angst davor, ihn zu öffnen, zu erfahren, was Lars durch den Kopf gegangen war, kurz bevor er sich selber umbrachte. Dann atmete ich tief durch und öffnete den Umschlag. Als erstes fiel meine Kette mit dem Goldkreuz heraus, dann zog ich mehrere Blätter heraus und begann die in dunkelroter Tinte abgefassten Zeilen zu lesen.

„Hallo Engel!
Mein Liebstes, ich muss Dich leider verlassen. Wenn Du diese Zeilen ließt, habe ich den letzten Schritt bereits getan. Natürlich hätte ich dich gerne noch ein letztes Mal gesehen, doch dann hätte ich den Mut zu diesem Schritt nicht mehr gehabt. Meine Hände ein letztes Mal in Deinem Haar, meine Lippen auf den Deinen, das wäre mein innigster Wunsch gewesen, den ich uns leider verwehren muss. Denn Liebes, so oft sagtest Du mir, dass ich Dich mitnehmen soll, dass ich es vielleicht getan hätte. Dich in meinem Arm halten, wenn es zu Ende geht... Um mir diesen Gedanken zu nehmen, wähle ich einen schmerzhaften Tod für mich, denn Dir könnte ich nie weh tun.

Ach Liebling! Gestern noch hatte ich so viele Illusionen. Von einer Zukunft mit Dir, dass die Krankheit nicht ausbricht, die Medikamente weiterhin so gut anschlagen und vielleicht irgendwann...

Doch jetzt sitze ich hier, mit den letzten Untersuchungsergebnissen. Die letzten Worte über den Status des Virus und diese ganzen Worte bedeuten doch nur eines: Endgültig zum Tode verdammt!

Natürlich steht das nicht so da. Nein, Es wurde in viele medizinische Fachausdrücke gepackt. Doch, was nützt mir jetzt diese ganze Schönfärberei, wenn sie doch nur den nahenden Tod bedeutet?

Ich habe meine Waffe neben mir liegen. Ein zweiter Brief, unpersönlich an die Polizei abgefasst, damit sie sich meinetwegen nicht soviel Arbeit machen müssen, liegt bereits auf dem Schreibtisch. Axel wird gegen siebzehn Uhr kommen, ich habe ihn eben noch schnell angerufen. Extra, damit er Dich noch erreicht, bevor Du zu unserem Treffen fährst.

Mein liebster Engel, bitte versprich mir, dass Du versuchst glücklich zu werden. Ja, ich weiß schon, was Du mir jetzt sagen würdest. Diese Diskussion hatten wir ja bereits des öfteren, mein Liebling.

Ach Süße, ich will Dir so vieles noch sagen, Dir alles erklären. Doch ich kann meine Worte nicht besonders gut zu Papier bringen. Es tut mir leid, dass ich Dich alleine lassen muss. Doch Du weißt ja, dass meine größte Angst die war, im Krankenhaus zu liegen und nicht mehr die Gelegenheit zu haben, mein Leben ohne größere Qualen beenden zu können.

Ja Liebling, ich bin ein Feigling! Ich habe nicht den Mut, mich einem langsamen Tod zu stellen. Dabei ahne ich, dass es für Dich so besser gewesen wäre. Einfacher, weil Du einen Abschluss hättest. Auf diese Weise, hast Du nur diese Zeilen.

Ich hoffe so sehr, dass Du mein selbst gewähltes Ende akzeptieren kannst. Das es Dir nicht zu nahe geht.

Nein, da habe ich mich falsch ausgedrückt!

Natürlich weiß ich, wie nahe Dir mein Tod gehen wird, doch ich will nicht, dass Du Dir davon Deine Zukunft kaputtmachen lässt. Mein größter Wunsch ist, dass Du Dein Glück finden wirst. Vielleicht auch zurück in den Schoß der Kirche. Denn mein Liebling, dort war Dein Platz und wenn ich nicht gewesen wäre und Dich zu nah an den erbarmungslosen Tod gebracht hätte, hättest Du nie angefangen zu zweifeln. Trage Deine Kette wieder, die ich Dir auf diesem Wege zurücksende. Sie soll Dir den Halt geben, den Du jetzt brauchen wirst.

Auch in der Liebe wünsche ich Dir alles Glück dieser Erde. Finde einen Mann, der Dir all das geben kann, zu dem ich nie in der Lage war:

Eine richtige Familie!

Also Engel, ich will Dir zum Abschied nur noch sagen, dass meine letzten Gedanken Dir galten. So sehr habe ich mir eine Zukunft mit Dir gewünschte. Sie mir erträumt. Ja, dank Dir habe ich mich wieder gewagt zu träumen. Es tut mir leid Engel, dass ich nun vorerst auch Deine Träume zerstören musste. Ich habe mir so sehr gewünscht, dass es nicht dazu kommen wird.

Aber, was nützen uns Wünsche oder Träume, wenn sie doch niemals in Erfüllung gehen können?

Liebes, sag Axel bitte, dass es mir leid tut, dass er das grausame Bild meines Selbstmordes sehen musste. Doch wem hätte ich diesen Brief an Dich sonst noch anvertrauen können? Mit Sicherheit nicht der Polizei, die hätte Dir gegenüber nur versucht, das Andenken an unsere Liebe zu beschmutzen. Ja, es war verboten und ja, ich hätte es besser wissen müssen. Doch ich tat nichts, was das zwischen uns hätte stoppen können. Dazu war es mir (und auch DU mir) viel zu kostbar!

Bitte denke immer daran, dass ich Dich bis zu meinem letzten Atemzug geliebt habe und habe keine Angst vor der Zukunft!

Dein Motek“
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:30 pm

Durch die Tränen in meinen Augen waren die Worte teilweise verschwommen gewesen. Als ich das Telefon klingeln und direkt darauf meine Mutter nach mir rief, wischte ich die letzten Spuren fort, riss mich zusammen und ging ins Wohnzimmer. Am Telefon war Christoph, der durch Axel bereits von dem tragischen Tode Lars' wusste. Axel hatte ihn auch gebeten, mit mir zu sprechen, denn Chris war Psychologe und Axel der Meinung, dass er mir helfen könne. „Du, ich will eigentlich nur noch ins Bett und mir die Decke über den Kopf ziehen.“ versuchte ich Christoph abzuwimmeln, kaum das ich in meinem Zimmer war und er wissen wollte, wie es mir ginge. Er bat mich für den nächsten Tag für ein Gespräch zu sich und damit ich ihn vorerst los wurde, sagte ich zu. „Was ist denn heute hier los? Ständig klingelt das Telefon. Du bist doch sonst nicht so gefragt.“ meine Mutter sah mich bei ihren Worten nicht einmal an. „Was weiß denn ich. Anscheinend haben sich sämtliche JUSOS zusammengeschlossen, um mich zu ärgern. Aber ab jetzt bin ich für keinen mehr zu sprechen.“ Diese wenigen Sätze hatten meine gesamte Kraft gekostet, so dass ich auf mein Bett sank, kaum das ich die Zimmertüre hinter mir geschlossen hatte. Dort weinte ich meine Verzweiflung aus mir raus, nachdem ich meine Kette wieder umgelegt hatte, wie es Lars Wunsch gewesen war, bis ich erschöpft einschlief.

Nach sechs nervenaufreibenden Schulstunden lief ich am nächsten Tag zu dem Wohnhaus, in dem Christoph und seine Frau Anja lebten. Dieses war nicht sehr weit von meiner Schule entfernt. Christoph wartete bereits an der Haustür auf mich. „Hey! Du bist ja arg blass!“
„Ich hab mir wohl ne Grippe oder sowas eingefangen.“
„Komm, setzen wir uns in mein Büro.“ Der Raum, in den er mich führte, war klein und mit Bücherregalen voll gestellt. Der Schreibtisch fand kaum noch Platz, geschweige denn die beiden Stühle. Chris wies auf einen der Stühle und setzte sich auf den anderen. „Und jetzt sag mal, wie es dir momentan wirklich geht.“
„Okay, Herr Psychologe! Doch, da das Gespräch hier ja anscheinend wie eine Therapiesitzung gestalten willst, will ich dich vorher erst einmal an deine Schweigepflicht erinnern!“
„Natürlich wird alles, was du mir erzählst diesen Raum nicht verlassen!“
„Ich will auch nicht, dass du mit Anja darüber sprichst. Es soll so sein, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden!“
„Das versteht sich doch von selber, dass ich mit Anja nicht über Dinge spreche, die du mir erzählst!“
„Lars war der beste Freund, den ich je hatte. Er war immer für mich da. Und jetzt ist er tot und er fehlt mir so sehr!“
„Axel meinte, dass ihr euch geliebt habt.“
„Vielleicht ein bisschen!“ Ich wurde rot. „Wie sehr ist denn 'ein bisschen'? Na komm schon, mir kannst du es ruhig verraten.“
„Ich habe ihn sehr gerne gehabt. Wie sehr, kann ich nicht einmal ansatzweise beschreiben. Er war der erste, dem ich wirklich vertrauen konnte.“
„Du tust fast so, als wärst du uns anderen, zum Beispiel Axel und mir und auch Manuel, total egal gewesen bist.“
„manchmal hatte ich das Gefühl, dass es genauso war. Lars hat sich für meine Probleme interessiert. Er hat meine Ängste verstanden, ohne dass ich etwas sagen musste. Und jetzt ist er weg. Er hat mich auch alleine gelassen. Obwohl er versprochen hatte, es nicht zu tun!“ Bei meinen letzten Worten schlug ich meine Hände vor das Gesicht und weinte. Christoph saß mir stumm gegenüber, und wartete darauf, dass ich mich beruhigte. „Geht es dir besser?“ fragte er zehn Minuten später, während er mir ein Paket Taschentücher gab. „Besser gehen?“ fragte ich ungläubig. „Wie soll es mir besser gehen, wenn der wichtigste Mensch in meinem Leben nicht mehr da ist und nicht mehr wiederkommen wird?“ Dieser Ausbruch hatte meine letzte Kraft aufgezehrt. Daher fing ich wieder an zu weinen. Diesmal legte Chris mir eine Hand auf den Arm. „Bitte Kyra, beruhige dich doch. Ich kann verstehen, wie es dir momentan geht, doch Lars hätte bestimmt nicht gewollt, dass du so abstürzt.“
„Woher willst du wissen, was Lars gewollt hätte? Kanntest du ihn etwa so gut?“
„Nein, ich kannte ihn nicht sehr gut. Jedenfalls nicht so gut, wie manch anderer. Doch so schätze ich ihn ein. Denn er war schließlich ein Mensch, der gerne gelacht hat und auch andere zum lachen bringen konnte.“
„Ja, das stimmt schon, dass Lars gerne lachte, doch er hatte auch eine nachdenkliche, melancholische Seite. Er war nicht immer nur der gut gelaunte Kasper. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen konnte er sich stimmungsmäßig auf seine Mitmenschen einstellen. Ihn hat es interessiert, was die Leute in seiner Umgebung dachten und fühlten.“ Obwohl ich Lars so gut gekannt hatte, fehlten mir die Worte, um ihn zu beschreiben. „Kyra, meinst du nicht auch, dass du Lars jetzt idealisierst? Er war doch auch nur ein Mensch und hatte Fehler.“
„Natürlich hatte Lars Fehler. Ich habe nie behauptet, dass er perfekt war. Doch, diese Fehler haben ihn so... So wunderbar gemacht!“
„Was hatte er denn für Fehler? Erzähl doch einfach mal was über ihn.“
„Sein größter Fehler war, dass er Angst vor dem Krankenhaus hatte. Daher hat er sich gestern auch umgebracht, nachdem er erfahren hatte, dass das Virus ausgebrochen ist. Dann seine Vernunft. Die hat mich manchmal echt rasend gemacht. Wenn er nicht wollte, dass ich meine Mutter anlog, um länger bei ihm zu bleiben, zum Beispiel. Oder wenn ich einfach so bei ihm blieb und meine Mutter nicht wusste, wo ich bin. Lars war der Meinung, dass ich ihr die Wahrheit sagen sollte.“
„Wusste Antje von Lars?“ Da Christoph meine Mutter kannte, klang er sehr verwundert. „Nein, natürlich nicht! Wie hätte ich es ihr auch erklären können?“
„Du hast ihn wirklich sehr geliebt, oder?“
„Ja! Ich fühle mich jetzt wieder so alleine. Letzte Nacht konnte ich nicht einmal richtig schlafen, obwohl ich total kaputt war.“ Christoph stand auf und öffnete ein verschlossenes Schränkchen. „Hier, das dürfte dir über die nächsten Wochen helfen. Nimm abends eine, aber bitte nicht mehr.“ Er gab mir ein kleines Glasfläschchen mit Tabletten.“Was ist das für ein Zeug?“
„Ein Beruhigungsmittel. Es sind genug Tabletten für einen Monat. Sie sollten dir beim Einschlafen helfen. Wenn du trotz der Tabletten nicht schlafen kannst, solltest du darüber nachdenken, ob du nicht eine richtige Therapie zur Trauerbewältigung brauchst. Daher solltest du die Tabletten auch nicht länger als einen Monat nehmen.“ Ich nickte, warf das Fläschchen in meine Schultasche und stand auf. „Auch wenn du dich vorerst gegen eine Therapie entscheidest, sollten wir regelmäßig miteinander sprechen. Jedenfalls, bis du den Schock, den Lars' Tod ausgelöst hat, verarbeitet hast.“ Christoph hatte mich bei seinen Worten zur Tür gebracht. „Okay! Ginge es nächste Woche um die selbe Zeit? Dann dürfte auch die Beerdigung vorbei sein.“ Er nickte und strich mir über den Arm. „Ich kann bei der Beerdigung dabei sein, wenn du willst. Dann musst du es nicht alleine durchstehen.“ Ich überlegte kurz. „Wir telefonieren vorher. Aber jetzt muss ich Manuel anrufen. Wegen den Arbeitskreisen der nächsten Woche. Ich glaube nämlich, dass ich es momentan nicht durchstehen würde, an einer Sitzung teilzunehmen, als wäre nichts geschehen. Entschuldigst du mich am Dienstag? Lass dir was einfallen, denn ich will nicht, dass jemand schlechtes über Lars denkt.“ Christoph nickte wieder. „Gönne dir ein paar Wochen Ruhe. Schließlich musst du Lars' Tod erst einmal verarbeiten. Und wegen der Drogensitzung Dienstag entschuldige ich dich mit einer Grippe. Oder ich sage die Wahrheit, dass dich der Freitod von Lars sehr mitgenommen hat, er ist schließlich der erste Mensch aus deinem Bekanntenkreis, der auf solch tragische Weise ums Leben kam. Und dann auch noch, als es ihm besser zu gehen schien.“ Jetzt war es an mir zu nicken, bevor ich mit gesenktem Kopf in Richtung Bahnhof lief, um nach Hause zu fahren. In meiner Trauer bemerkte ich nicht einmal, dass ich seit dem vergangenen Nachmittag keine Musik mehr gehört hatte. Nicht mehr, seit die Textzeile >And something touched me deep inside, the day the music died!< gelaufen war. Und genau das waren auch meine momentanen Gefühle. Alles in mir schien gestorben.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:31 pm

13. Kapitel: Nach der Beerdigung

Allmählich wurde mir in meinem dünnen Kleid zu kalt, um länger auf der Bank zu sitzen. Daher lief ich zurück zum Friedhof. Ralf, der die Messe gelesen hatte, war noch in ein Gespräch mit einer jungen Frau vertieft. Sie musste Lars' Schwester sein. Ich trat an das Grab, das noch immer offen war, auch wenn die Friedhofsangestellten bereits im Hintergrund warteten, dass sie es verschließen konnten. Nur wenige Blumen bedeckten den Sarg. Unter Tränen, die ich nicht länger zurückhalten wollte, sank ich auf die Knie. Der Boden war kühl. „Warum musstest du mich nur alleine lassen? Wie soll ich ohne dich nur klar kommen? Ich brauche dich doch so sehr!“ Dann stemmte ich mich hoch. Ralf hatte direkt hinter mir gestanden und so meine Worte hören können. Sein Blick war fragend, doch ich blieb stumm. „Karina, alles in Ordnung mit dir?“
„So in Ordnung, wie es auf einer Beerdigung halt sein kann, Ralf!“ erwiderte ich matt. „Willst du darüber reden?“
„Worüber soll ich reden wollen? Etwa über den Mist, den du über diesen wunderbaren Menschen gesagt hast, der jetzt leider dort unten liegt? Nicht ein Wort hat gestimmt.“
„Lass uns darüber doch besser in meinem Büro reden!“ Obwohl ich ihn angeschrien hatte, blieb Ralf ruhig. Ich warf noch einen Blick auf das Loch im Erdboden, bevor ich darum bat, noch einen Moment alleine sein zu dürfen. „Okay, ich warte dann bei mir auf dich!“

Kaum war Ralf gegangen fiel ich wieder auf die Knie und wimmerte. „Ach Motek, warum hast du mich nicht mitgenommen. Du wusstest doch ganz genau, dass ich ohne dich nicht weiterleben will!“ Nachdem ich diese Worte geflüstert hatte, stand ich auf und ging zu Ralf. Mein Herz war noch immer schwer vor Sehnsucht.

Fast in dem Moment, in dem ich geklingelt hatte, öffnete Ralfs Frau die Tür. „Hallo Karina, Ralf wartet bereits im Büro auf dich. Du kennst ja den Weg. Möchtest du etwas trinken?“ Ich verneinte diese Frage. Ralf saß an seinem Schreibtisch, stand aber auf, als ich den Raum betrat. „Schön, dass du wirklich gekommen bist. Möchtest du etwas trinken?“
„Das hat deine Frau mich bereits gefragt. Und nein danke, ich möchte nichts. Ich habe nicht viel Zeit.“
„Okay! Dann fangen wir am besten direkt an. Du sagtest, dass der Nachruf falsch war. Was war denn falsch?“
„Einfach alles! Lars hat sich nicht umgebracht, weil er depressiv war. Im Gegenteil! Ich kannte keinen Menschen, der fröhlicher war. Er liebte das Leben!“
„Seine Mutter sagte mir, dass er seit Jahren Depressionen hatte.“
„Seine Mutter hat ihn seit knapp zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Seit sie erfahren hatte, dass er Heroinabhängig war. Vor zehn Jahren hat er einen Entzug gemacht, nachdem er erfahren hat, dass er HIV-positiv ist. Letzte Woche hat sein Arzt ihm die neuesten Untersuchungsergebnisse vorgelegt und er musste hören, dass das Virus ausgebrochen ist. Daraufhin hat er sich umgebracht. Weil er nicht langsam an dem Virus verrecken wollte.“
„Jetzt verstehe ich auch, worüber wir letztens gesprochen hatten. Wusstest du da schon, dass er sich umbringen würde, sollte das Virus ausbrechen?“
„Ja! Wir hatten oft genug davon gesprochen. In dem Punkt war er sehr ehrlich!“
„Und du konntest ihn nicht davon abhalten?“
„Er war fest entschlossen. Daher habe ich gebetet, dass das Virus nicht ausbricht. Aber, das hat ja nichts gebracht!“
„Sag so etwas nicht! Gott hat mit jedem von uns einen festen Plan!“
„Toller Plan! Richtig intelligent gemacht, dass er mir den einzigen Menschen nimmt, der mir nahe stand. Und jetzt komm mir nicht damit, das wäre eine Prüfung gewesen, um meinen Glauben zu testen. Denn, wenn dem so ist, habe ich sie nicht bestanden. Seit Jahren schon halte ich mein Leben nicht mehr mehr aus. Lars hat mir neuen Mut gegeben, als ich ganz unten war.“
„Und was ist passiert, dass du dein Leben nicht mehr ertragen kannst?“
„Zu viel, um es jetzt hier aufzuzählen! Zumal ich auch über einige Dinge nicht sprechen will. Lars wusste das alles und... Und er wusste auch, wie er mich wieder aufrichten konnte, wenn es mir schlecht ging.“
„Wie habt ihr euch denn kennen gelernt? Du hast doch nicht wirklich etwas mit einem Junkie gemeinsam, der zudem noch soviel älter war, als du.“
„Erstens war Lars ein Exjunkie und zweitens, hatten wir mehr gemeinsam, als du dir vorstellen kannst. Zu Beispiel mochten wir die gleiche Musik, die gleichen Filme und haben uns einfach wortlos verstanden. Das hatte ich vorher nie erlebt!“
„Und wie habt ihr euch kennen gelernt?“
„Über die Partei. Ich bin im Arbeitskreis Drogenpolitik. Wir wollten die Situation der Abhängigen verbessern. Daher haben wir auch mit der Drogenberatung Kontakt aufgenommen. Bei dem ersten Treffen saß ich Lars gegenüber. Wenig später haben wir angefangen, uns privat zu treffen. Es tat so gut, mit ihm zu sprechen.“
„Was hat denn deine Mutter zu dieser Freundschaft gesagt?“
„Sie wusste es nicht!Doch sie weiß schon seit Jahren nichts mehr von mir. Weil es sie auch nie interessiert hatte. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich ihr nur im Weg bin. Bei Lars war ich nicht im Weg. Dorthin schien ich zu gehören.“
„Aber du hattest doch schon bereits einen Platz in der Kirche gefunden.“
„Das hatte ich gedacht, Ralf! Doch das, was ich bei Lars gefühlt habe, diese Zugehörigkeit, kannte ich nicht einmal von der Kirche. Es schien, als hätte ich nur auf Lars gewartet. Und er auf mich!“
„Wieso schien er nur auf dich gewartet zu haben?“
„Lars war ein Mensch, der scheinbar schnell Freundschaften schloss, er hat sich auch mit jedem gut verstanden. Doch gleichzeitig hat er keinen an sich heran gelassen. Sein Innerstes hielt er stets versteckt. Und das alles wegen dem Virus. Solch eine Beerdigung, wie das eben, hat er eigentlich nicht gewollt. Wir hätten uns freuen sollen, das sein Leidensweg endlich vorbei ist. Doch dann kam ich und habe mich einfach in sein Leben gedrängt. Wir standen einander sehr nahe.“
„Habt ihr euch geliebt?“
„Ja! Er war der erste, der...“ Hier unterbrach Ralf mich. Wenn ihr mehr gewesen seid, als Freunde, will ich es besser nicht wissen. Denn eigentlich hätte es nicht sein dürfen!“
„Ich weiß! Zuerst haben wir uns auch gegen unsere Gefühle für einander gewehrt. Doch wir brauchten die Nähe des anderen so sehr. Das schlimmste war, dass wir unsere Gefühle für einander verbergen mussten. Die anderen hätten diese Beziehung nicht akzeptiert. Vielleicht sogar was darin gesehen, was sie als abstoßend gewertet hätten.“
„Von wem ging eure Beziehung aus?“
„Ralf, du fragst mich Dinge, die darauf hindeuten, dass du diesen Mann wegen Verführung Minderjähriger anzeigen würdest, würde er noch leben. Aber er ist tot. Und ich habe nur noch meine Erinnerungen an ein paar wunderschöne Monate. Bitte nimm sie mir nicht weg, nur weil du der Meinung bist, dass wir etwas Ungesetzliches getan haben.“
„Habt ihr das denn?“
„In meinen Augen nicht! Er hat mich zu nichts gezwungen. Ich war es, die seine Nähe gesucht hatte. Das einzige, was man ihm vorwerfen könnte, war mein Alter.“
„Wie weit ging das zwischen euch?“
„Wir waren alles für einander. Auf jeder Ebene. Und bevor ich Dinge sage, die ich später bereue, gehe ich jetzt besser.“
„Du weißt, dass ich eine Schweigepflicht habe? Deine Mutter würde nicht einmal erfahren, dass du hier warst.“
„Und wenn schon! Es interessiert sie ja doch nicht, wie es mir geht.“
„Würdest du ihr denn ehrlich antworten, wenn sie dich fragt?“
„Ich glaube nicht! Dazu müsste ich ihr zu viel erklären. Und über einige Dinge möchte ich nicht sprechen.“ Ralf legte eine Hand auf meine, die verkrampft die Zigarettenschachtel fast zerdrückte. „Du hast noch immer deine Erinnerungen an Lars und die kann dir niemand wegnehmen. Aber, du musst jetzt nach vorne sehen und weiterleben. So schwer, wie es dir im Moment auch fällt. Denn, wenn er wirklich so ein guter Freund war, würde er wollen, dass du glücklich wirst. Auch ohne ihn!“
„Das will er ja! Aber es ist wirklich schwer für mich, ohne ihn zu sein. Besonders, weil wir einander so nahe standen!“
„Und was wirst du jetzt machen?“
„Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht so genau. Mein Abitur machen. Doch was danach kommt... Keine Ahnung!“
„Wirst du wieder in die Kirche kommen?“
„So wie es momentan in mir aussieht, wohl eher nicht.“
„Bisher hat es dir doch immer geholfen.“
„Hat es, bis zu diesem Punkt. Wo ist Gottes Gerechtigkeit denn?“
„Vielleicht hilft dir besonders deine jetzige Erfahrung dabei, eine gute Seelsorgerin zu werden. Weil du weißt, wie es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren.“
„Lass mir Zeit, darüber nachzudenken. Natürlich werde ich am Krippenspiel teilnehmen, da brauchst du nicht nach einem Ersatz für mich zu suchen. Doch bürde mir die nächste Zeit keine anderen Aufträge in der Kirche mehr auf, bitte!“
„Natürlich! Und du weißt ja, wohin du dich wenden kannst, solltest du jemanden zum reden brauchen. Meine Tür steht dir jederzeit offen.“
„Das weiß ich!“ Mit diesen Worten verließ ich das kleine Häuschen, in dem Moment, als aus dem Obergeschoss die ersten Klänge von >With a little help from my fri­ends< einsetzten und mir bewusst wurde, dass ich seit Lars' Tod keine Musik mehr gehört hatte.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:31 pm

14. Kapitel: Der Selbstmordversuch

Es war Freitag, der 25. November 1999, der Tag nach Moteks Beerdigung, als ich den Entschluss fasste, das es Zeit war, ihm zu folgen. Kurz nachdem ich die Tür hinter meiner Mutter, die zur Arbeit ging, hatte ins Schloss fallen hören, griff ich nach dem Fläschchen mit dem Beruhigungsmittel, dass ich letzte Woche von Christoph bekommen hatte. Bisher hatte ich nicht eine Tablette genommen. Ich wollte meine Trauer nicht mit chemischen Hilfsmitteln unterdrücken. Ich legte die CD der Toten Hosen ein und wählte das Lied an, das auch Lars bei seinem Tod gehört hatte. Genau wie er drückte ich auf Repeat, für eine endlose Wiederholung des Stücks. Noch während die ersten Klänge einsetzten, zog ich eine Flasche Wodka, mit einem halben Liter Inhalt aus meiner Schultasche und löste die gesamten dreißig Tabletten in der klaren Flüssigkeit auf. Als ich schüttelte, um es richtig zu vermischen war mir, als hörte ich Lars' Stimme, wie er „Bitte nicht, Engel!“ flüsterte. Kopfschüttelnd setzte ich die Flasche an und schluckte die bittere Mixtur. Mein Magen rebellierte gegen den Alkohol und ich musste in das Badezimmer rennen. Ich würgte. Natürlich war mir klar, dass der Selbstmordversuch misslingen würde, wenn ich das Gift wieder erbrach. Doch ich konnte mich nicht dazu überwinden, die bittere Magensäure, mit der das Wodka-Benzodiazepam-Gemisch wieder hoch kam, hinunter zu schlucken. Noch immer mit dem Geschmack von Erbrochenem im Mund, ging ich zurück in mein Zimmer. In der Flasche war nur noch ein kleiner Rest und ich hoffte, als ich ihn mir in die Kehle kippte, dass er reichen würde, mein Leben zu beenden. Mit langsam trocknenden Tränen auf den Wangen schlief ich ein.

Als ich wieder aufwachte, hatte ich furchtbare Kopfschmerzen. Doch das Schlimmste war, dass ich noch lebte. Zuerst schaltete ich die Anlage ab, die noch immer >Alles aus Liebe< dudelte. Dann ging ich ins Bad. Auf dem Weg dorthin warf ich einen kurzen Blick in den Flurspiegel. Voll Entsetzen stellte ich fest, dass zwar der Selbstmordversuch misslungen war, meine Augen jedoch starr und kalt wirkten. Fast wie tot. Das kalte Wasser, das ich mir in das Gesicht spritzte, milderte die Kopfschmerzen auch nicht.

Wenig später saß ich im Wohnzimmer und rauchte eine der Zigaretten meiner Mutter. Dann erst sah ich auf die Uhr. Es war kurz vor halb drei in der Nacht. Das bedeutete, dass ich trotz des Alkohols und der Tabletten nur vier Stunden geschlafen hatte. Doch mein Blick fiel auf die Fernsehzeitung. Statt der Freitagsseite war nun die Seite für Samstag aufgeschlagen. Verwirrt schaltete ich den Fernseher ein und wählte den Videotext. Dort stand es: Sonntag, 27. November 1999, 02:28 Uhr. Ich schluckte, da ich achtundzwanzig Stunden geschlafen hatte. Achtundzwanzig Stunden, in denen meine Mutter auch hier gewesen sein musste, sich aber weder um die laute Musik aus meinem Zimmer, noch den fehlenden Schlüssel am Schlüsselbrett, gekümmert hatte. Denn mein Schlüssel lag in meinem Zimmer. Warum ich ihn entgegen meiner Gewohnheit, ihn aufzuhängen, dort hatte liegen lassen, wusste ich nicht mehr. Mit Tränen der Verzweiflung in den Augen ging ich in mein Zimmer zurück. Die Katze lag auf dem Balkon und beachtete mich ebenfalls nicht. Ich hätte also wirklich sterben können, und nicht einmal unser Haustier hätte sich dafür interessiert.

In meinem Zimmer nahm ich meinen Spiralblock zur Hand Dort hatte ich einen kurzen Abschiedsbrief hinterlassen. Bevor ich ihn wütend zerriss, las ich die wenigen Zeilen, die jetzt sogar noch trauriger klangen, als beim schreiben, noch einmal durch.

„Ich gehöre nicht hierher, bin doch eh jedem egal. Wenn ich einfach verschwinde, fiele es wohl nicht einmal auf. Es gibt niemanden, der mich liebt. Und das Schlimmste ist, dass ich mich selber auch nicht lieben kann. Daher ist es so am Besten!“

Die winzigen Schnipsel warf ich in meinen Mülleimer. Noch immer konnte ich nicht fassen, dass meine Mutter nicht einmal nachgesehen hatte, ob ich zu Hause war. Trotz der lauten Musik. Kopfschüttelnd brachte ich meinen Schlüssel wieder nach vorne, um ihn an das Schlüsselbrett zu hängen, bevor ich mich wieder ins Bett legte und erneut einschlief.

Um sieben Uhr am selben Morgen wachte ich wieder auf. Als erstes setzte ich den Kaffee auf, dann ging ich duschen, während der Kaffee in die Kanne tropfte. Noch immer hatte ich Kopfschmerzen. Von der ersten Tasse Kaffee musste ich erneut würgen. Doch diesmal gelang es mir, den Brechreiz zu unterdrücken, denn ich hörte den Schlüssel meiner Mutter im Schloss klicken. „Oh, du bist auch wieder hier? Wie nett! Sag das nächste Mal wenigstens Bescheid, wenn du vorhast zu verschwinden.“ Nur mit Mühe konnte ich die aufsteigenden Tränen unterdrücken. „Darauf hab ich echt keinen Bock! Ich bin in meinem Zimmer!“ fauchte ich. „Ach so, mach das nächste Mal auch deine Musik aus, wenn du gehst. Ich habe nicht eingesehen, das für dich zu tun. Ich bin nicht deine Bedienstete.“ Nach diesen Worten meiner Mutter ging ich mit der Kaffeetasse in der Hand in mein Zimmer. Verwirrt ließ ich mich auf mein Bett sinken. Also hatte meine Mutter die Musik aus meinem Zimmer schallen hören, doch sie sah nicht nach. Diese Bestätigung meiner Vermutung, dass ich ihr egal sein musste verletzte mich zutiefst.
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Beitrag  AngelHawk So März 13, 2011 3:31 pm

Epilog: Ein neues Leben
2010

Ich schloss die Tür meiner kleinen Wohnung hinter mir. Mein Anrufbeantworter blinkte. Es war Manu, mit dem ich jetzt seit drei Jahren zusammen war. Ich dachte an die Zeit vor elf Jahren zurück und wie Manu für mich da gewesen war, als ich fast alle Bekannten vergrault hatte. Lars' Tod hatte mich in ein tiefes Loch geworfen, doch Manu hatte geduldig darauf gewartet, dass ich bereit war für eine neue Beziehung. Er war mit zu meiner Abi-Feier gekommen und hatte mir während des Studiums zur Seite gestanden. An seiner Schulter weinte ich mich aus, als die erste Beziehung, die ich einging zerbrach. Dabei fiel mir nie auf, was er für mich empfand. Erst, als es fast zu spät war und er vorhatte, die Stadt zu verlassen, merkte ich, wie viel er mir bedeutete. Unter Tränen bat ich ihn, bei mir zu bleiben. Ich hätte alles für ihn getan, sogar mein Theologiestudium hätte ich aufgegeben, wenn er es verlangt hätte. Bei dem Gedanken an mein Studienfach musste ich lächeln, denn ich hatte zurück in den Schoß der Kirche gefunden und musste feststellen, dass Ralf recht behalten hatte, dass Lars' Verlust mir wirklich geholfen hatte, anderen bei der Trauerbewältigung zur Seite zu stehen. Natürlich dachte ich noch immer manchmal an Lars, an unsere gemeinsamen Stunden und auch daran, wie wichtig er für meine Entwicklung gewesen war. Doch heute blickte ich froh in meine Zukunft, die ich mit Manuel, den ich in wenigen Wochen heiraten wollte, verbringen würde. Ralf, der sich besonders für mich, eine neue Kollegin, freute, würde uns trauen. Mit einer Tasse Kaffee in der Hand stellte ich mich ans Fenster und prostete dem wolkenlosen, blauen Himmel zu. „Le chaim, Motek! Und danke für alles!“


Ende

Nachwort

Eine Liebesgeschichte, die so tragisch klingt, das sie doch einfach echt sein muss, oder?
Nein! Alles in diesem Buch beschriebene ist meine Fantasie. Natürlich hätte sie so, oder ähnlich passiert sein können (Oder könnte noch geschehen, wer weiß?), doch ich nahm keine reale Liebesgeschichte, oder reale Menschen zum Vorbild.

Doch ein paar Fakten stimmen:

1.Es gab 1998; 1999 einen Arbeitskreis Drogenpolitik
2.und es gab auch einen AK für Verkehrs- und Städteplanung in Duisburg
beides bei den JUSOS
3.Die hier beschriebenen Schulen gibt es ebenfalls

Der Rest ist pure Fiktion.

Widmung und Danksagung

Dieses Buch ist (wie eingangs bereits gesagt) in erster Linie allen Liebenden gewidmet. Im Besonderen meinem Lebensgefährten, dem an dieser Stelle ganz großer Dank gebührt, weil er meine Schreibphasen akzeptiert, obwohl ich dann kaum ansprechbar bin.

Dank gebührt allen, die mich unterstützten:
Mein vorab genannter Lebensgefährte, als aller erstes natürlich.

Dann auch noch ein sehr guter Freund, der mich erst ermutigte zu schreiben. Du hattest Recht, warum sollte ich nicht versuchen, mein liebstes Hobby zum Beruf zu machen.

Ein 'Danke schön' auch an die hier erwähnten Musiker, für die vielen wunderbaren Songs, die sie uns schenken. Ich hoffe, dass ich noch mehr Anregungen in der Musik finden werde!

Und last but not least: alle Ärzte und medizinischen Forscher, die unermüdlich Heilmittel gegen das HI-Virus suchen. Mögen Sie es bald finden!
AngelHawk
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